Die Diskussion um die unwiderlegbare Vermutung eines gemeinsamen Handelns bei familiären Verbindungen in Unternehmensverbünden sorgt weiterhin für Verwirrung und erhebliche rechtliche Unsicherheiten bei den Schlussabrechnungen. Besonders die Veröffentlichung des neuen Leitfadens durch das Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) am 19. Juli 2024 hat die Situation nicht vereinfacht, sondern vielmehr neue Streitpunkte geschaffen. Die derzeitige Praxis der Bewilligungsstellen bleibt dazu unübersichtlich.
Bis Mitte 2024 galt in der Bewilligungspraxis der Grundsatz, dass familiäre Verbindungen – etwa zwischen Ehepartnern, Eltern und Kindern oder Geschwistern – immer als Grundlage für einen Unternehmensverbund angesehen wurden. Diese sogenannte unwiderlegbare Vermutung führte dazu, dass Unternehmen in vielen Fällen als verbunden eingestuft wurden, auch wenn sie eigenständig operierten.
Mit dem neuen Leitfaden vom 19. Juli scheint das BMWK diesen Grundsatz abgeschwächt zu haben. Es wird nicht mehr von einer unwiderlegbaren Vermutung gesprochen, sondern lediglich davon, dass bei familiären Verbindungen „grundsätzlich“ von einem gemeinsamen Handeln auszugehen sei. Gleichzeitig wird betont, dass atypische Fälle berücksichtigt werden müssen.
Diese Formulierung wirft jedoch neue Fragen auf:
Während das BMWK den Anschein erweckt, dass die unwiderlegbare Vermutung aufgegeben wurde, zeigt die Praxis in Bayern eine völlig andere Richtung. Ein Rundschreiben der IHK für München und Oberbayern vom September 2024 bestätigt, dass:
Dies steht im direkten Widerspruch zur Linie des BMWK, wonach Verwaltungspraxis Raum für abweichende Entscheidungen lassen müsse. Es zeigt sich, dass die Umsetzung der Leitlinien weiterhin stark von der regionalen Bewilligungspraxis abhängt, was zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen führen kann.
Auch andere Bundesländer haben sich bisher nicht eindeutig positioniert dazu, was ein atypischer Fall sein könnte. Wir sehen in der Praxis hierzu unterschiedliche Formulierungen. In der Regel sollen es Fälle sein, die so weit vom Standard abweichen, dass eine Annahme der Vermutung unverhältnismäßig wäre. Doch wann das der Fall sein soll, das bleibt völlig offen.
Die Uneinheitlichkeit zwischen dem Leitfaden des BMWK und der regionalen Praxis zeigt einen grundlegenden Konflikt:
Dieser Widerspruch stellt Unternehmen und Steuerberater vor ein Dilemma: Sollen sie sich auf die bundesweite Auslegung des BMWK stützen oder sich strikt an die Vorgaben der regionalen Bewilligungsstellen halten?
Die Rechtsunsicherheit beim Thema Unternehmensverbund bringt erhebliche Risiken mit sich, insbesondere für Steuerberater, die ihre Mandanten in diesen Fragen beraten. Typische Herausforderungen:
Die Uneinheitlichkeit zwischen den FAQ, dem neuen Leitfaden und der regionalen Praxis wird zwangsläufig vor Gericht landen. Es ist absehbar, dass diese Streitigkeiten bis zum Bundesverwaltungsgericht oder sogar zum Europäischen Gerichtshof gehen werden. Besonders die folgende Frage steht im Fokus:
Steuerberater und Unternehmen sollten sich daher auf langwierige Auseinandersetzungen einstellen und ihre Fälle möglichst gut dokumentieren. Bei Nachfragen der Bewilligungsstellen zum Thema Unternehmensverbund und Familie sollten Rechtsanwälte mit Erfahrung hinzugezogen werden.
Das Chaos um die unwiderlegbare Vermutung bei Unternehmensverbünden zeigt einmal mehr die Herausforderungen und Unsicherheiten im Umgang mit den Corona-Überbrückungshilfen. Unternehmen und Steuerberater müssen sich auf regionale Abweichungen einstellen und gleichzeitig die bundesweite Linie des BMWK im Auge behalten.
Für Steuerberater ist es essenziell, ihre Mandanten umfassend zu informieren und rechtliche Unterstützung einzuholen, um potenzielle Haftungsrisiken zu minimieren. Nutzen Sie auch das Überbrückungshilfe-Netzwerk, um sich mit anderen Experten auszutauschen und stets über die neuesten Entwicklungen informiert zu bleiben.
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