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Digital Services Act: Was kommt auf Betreiber von Webshops zu?

Vielen Unternehmen ist der weitreichende Anwendungsbereich des Digital Services Act (DSA) noch nicht bewusst. Dieser Beitrag soll daher einen Überblick über die Neuerungen und Pflichten für Betreiber von Webshops ohne Marketplace-Funktion geben, die ab 17. Februar 2024 gelten.

Der Digital Services Act, eine in allen EU-Mitgliedstaaten unmittelbar geltende EU-Verordnung, ist Teil eines europäischen Regelwerks, welches das Recht an die zunehmende Digitalisierung anpassen und auf sie vorbereiten soll. Das Gesetz über digitale Dienste soll einen sichereren digitalen Raum für alle Nutzer von Online-Diensten schaffen und hat insbesondere die Bekämpfung rechtswidriger Inhalte zum Ziel. Die Verordnung ist seit dem 16. November 2022 in Kraft, so dass für sehr große Online-Plattformen und Online-Suchmaschinen einige Regeln bereits gelten.

Das relevante Datum für klassische Webshop-Betreiber ist jedoch der 17. Februar 2024, wenn der DSA vollständige Geltung erlangt. Der Anwendungsbereich des DSA ist denkbar weit. Er erstreckt sich auf sämtliche Online-Vermittlungsdienste, die Dienste für EU-Nutzer zur Verfügung stellen. Der Begriff „Online-Vermittlungsdienste“ umfasst jeden Dienst, der auch in digitaler Form erbracht wird und damit zwangsläufig jeden Webshop. Der DSA stellt zunächst (1) ein Haftungsprivileg für die Dienste auf, was jedoch der bisherigen Rechtslage nach dem Telemediengesetz (TMG) weitgehend entspricht. Im Grundsatz gilt: Haben die Anbieter keine tatsächliche Kenntnis von rechtswidrigen Inhalten der Nutzer oder entfernen sie die Inhalte, sobald sie Kenntnis erlangen, haften sie nicht dafür. Außerdem enthält der DSA (2) Sorgfalts- und Transparenzpflichten sowie (3) Durchsetzungsmechanismen, zu denen auch Bußgelder gehören.

Die verschiedenen Arten von Vermittlungsdiensten

Der Digital Services Act unterscheidet verschiedene Arten von Vermittlungsdiensten. Je nach Einordnung in eine dieser Kategorien, gelten für die Anbieter dieser Dienste unterschiedliche Pflichten. Der Fokus des vorliegenden Beitrags liegt auf Webshops, die als Hosting-Dienste einzuordnen sind. Ob für Webshops mit einer Kommentarfunktion etwas anderes gilt, ist noch nicht abschließend geklärt.

  1. Bei einer reinen Durchleitung werden vom Nutzer bereitgestellte Informationen lediglich übermittelt oder der Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittelt. Beispiele sind etwa VPN und WLAN-Anbieter, Top-Level-Domain oder E-Mail-Dienste.
  2. 2Eine Caching-Leistung liegt hingegen bei einer automatischen, zeitlich begrenzten Zwischenspeicherung von Informationen vor, die allein der effizienteren Informationsübermittlung dient. Beispiele dafür sind Web- oder DNS-Caching.
  3. Ein Hosting-Dienst speichert durch den Nutzer bereitgestellte Informationen in dessen Auftrag. Klassische Beispiele sind Cloud-Computing-Dienste sowie das Web-, E-Mail- und Server-Hosting.
  4. Eine besondere Form des Hosting-Dienstes ist die Online-Plattform, ein Hosting-Dienst, der im Auftrag eines Nutzers nicht lediglich Informationen bzw. Inhalte speichert, sondern diese auch öffentlich verbreitet. Beispiele für Online-Plattformen sind Social-Media-Plattformen und Online-Marktplätze, also Online-Shops, bei denen auch dritte Unternehmer ihre Ware anbieten können. Ab einer durchschnittlichen monatlichen Zahl von mindestens 45 Millionen aktiven Nutzern in der EU gilt eine Online-Plattform als eine sog. sehr große Online-Plattform (Art. 33 Abs. 1 DSA).

Einordnung eines Webshops mit Kommentarfunktion

Soweit es sich lediglich um einen Webshop handelt, der keine Nutzerdaten langfristig speichert, ist der Dienst eine reine Durchleitung. Speichert der Anbieter – wie in den meisten Fällen – jedoch Nutzerdaten, leistet er einen Hosting-Dienst i.S.v. Art. 6 DSA. Bei einer Bewertungs- und Kommentarfunktion liegt dies jedenfalls vor, da die von den kommentierenden Nutzern hinterlegten Daten und Inhalte für längere Dauer gespeichert werden. Zudem werden sie vom Anbieter im Auftrag des Nutzers veröffentlicht, was den Webshop zu einer Online-Plattform i.S.d. DSA machen würde. Es gibt jedoch gute Gründe, die gegen die Einordnung des Webshops als Online-Plattform mit den damit einhergehenden erhöhten Pflichten sprechen.

Ein Vermittlungsdienst ist von den erhöhten Pflichten einer Online-Plattform ausgenommen, wenn die öffentliche Verbreitung von Informationen lediglich eine unbedeutende und reine Nebenfunktion eines anderen Dienstes oder eine unbedeutende Funktion des Hauptdienstes ist, die aus objektiven und technischen Gründen nicht ohne diesen anderen Dienst genutzt werden kann (Art. 3 lit. i DSA). Als eindeutiges Beispiel für eine Nebenfunktion nennt Erwägungsgrund 13 des DSA den Kommentarbereich einer Online-Zeitung, deren Hauptfunktion die Veröffentlichung von Nachrichten ist. Bei Social-Media-Plattformen ist die Kommentarfunktion hingegen eine der Hauptfunktionen. Die Bewertungs- und Kommentarfunktion im Webshop könnte vergleichbar zur Online-Zeitung als bloße Nebenfunktion des Hauptdienstes gesehen werden. Zwar wird im Erwägungsgrund des DSA auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass durch diese Einschränkung eine extensive Ausweitung der Pflichten verhindert werden soll. Aktuelle Rechtsprechung dazu liegt jedoch noch nicht vor, so dass eine eindeutige Einschätzung erst im Laufe der praktischen Anwendung des neuen Gesetzes gegeben werden kann.

Pflichten eines Webshop-Betreibers nach dem DSA

Für Betreiber eines Webshops gelten unabhängig davon, ob diese als Online-Plattform zu qualifizieren sind oder nicht, in jedem Fall diejenigen Pflichten, die für alle Vermittlungsdienste gelten:

  • Ein Unternehmen, das einen Webshop betreibt, ist verpflichtet, jährliche Transparenzberichte über das Lösch- und Sperrverhalten zu veröffentlichen (Art. 15 DSA). Davon sind Kleinst- und Kleinunternehmer ausgenommen, d.h. Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von unter 10 Mio. Euro. Für Online-Plattformen (Art. 24 DSA) und für sehr große Online-Plattformen (Art. 42 DSA) sind die Berichtspflichten verschärft.
  • Zudem muss der Betreiber eine Kontaktstelle für den Kontakt zu Behörden (Art. 11 DSA) und eine Kontaktstelle für die Kommunikation mit den Nutzern (Art. 12) bereitstellen.
  • Die Ausführung von Anordnungen durch nationale Behörden zum Vorgehen gegen rechtswidrige Inhalte muss diesen unverzüglich mitgeteilt werden (Art. 9 DSA).
  • Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) müssen den Anforderungen des Art. 14 DSA genügen, d.h. insbesondere:
    • Sie müssen in klarer, verständlicher und benutzerfreundlicher Sprache angeben, welche Beschränkungen und Moderationsmaßnahmen für Nutzerinhalte gelten (Art. 14 Abs. 1 S. 1 DSA)
    • Werden Beschränkungen auferlegt, müssen Vermittlungsdienste sorgfältig, objektiv und verhältnismäßig vorgehen und alle Interessen der Nutzer berücksichtigen (insb. Charta-Grundrechte wie die Meinungsfreiheit der Nutzer, Art. 14 Abs. 3 DSA)
    • Sie müssen die Nutzer zudem über wesentliche Änderungen der AGB informieren (Art. 14 Abs. 2 DSA)
    • Wenn sich die Vermittlungsdienste an Minderjährige richten oder diese die Dienste überwiegend nutzen, müssen die AGB so verfasst sein, dass auch Minderjährige sie verstehen können (Art. 14 Abs. 3 DSA).

Ist der Webshop ein Hosting-Dienst, d.h. speichert er Nutzerdaten und -inhalte, muss der Betreiber weiteren Pflichten nachkommen. Diese umfassen insbesondere:

  • Die Pflicht zur Meldung beim Verdacht der Begehung einer Straftat durch die veröffentlichten Inhalte der Nutzer und die Bereitstellung erforderlicher Informationen (Art. 18 DSA).
  • Die Pflicht zur Einrichtung eines Notice-and-action-Systems, durch das Nutzer sowie Dritte rechtswidrige Inhalte melden können (Art. 16 DSA).
  • Beschränkungen für Nutzer, die rechtswidrige oder den Nutzungsbedingungen widersprechende Inhalte veröffentlicht haben, müssen klar und spezifisch begründet werden (Art. 17 DSA).

Sollte der Webshop als Online-Plattform zu qualifizieren sein, treten die deutlich erhöhten Pflichten für Online-Plattformen hinzu. Zudem gibt es einige Sondervorschriften (Art. 29-32 DSA) für Online-Plattformen, die Verbrauchern den Abschluss von Fernabsatzverträgen mit dritten Unternehmern ermöglichen (Online-Marktplätze). Ausgenommen von diesen Sondervorschriften sind wiederum Kleinst- oder Kleinunternehmen.

Praxishinweis

Die Einordnung eines Online-Shops kann von Details abhängen und die damit einhergehenden Pflichten nach dem Digital Services Act sind vielfältig. Eine konkrete Prüfung des Einzelfalls ist daher empfehlenswert.

Dies zeigt auch das aktuell beim Europäischen Gericht erster Instanz (EuG) anhängige Verfahren betreffend den Online-Versandhändler Zalando, in dem es um die Qualifizierung als sehr große Online-Plattform geht. Am 25. April 2023 veröffentlichte die Europäische Kommission eine Liste mit 17 sehr großen Online-Plattformen, auf der sich auch Zalando wiederfand. Gegen die Qualifizierung als sehr große Online-Plattform reichte Zalando am 27. Juni 2023 eine Klage beim EuG ein. Das Unternehmen argumentiert unter anderem, dass die Europäische Kommission den mehrheitlichen Einzelhandelscharakter seines Geschäftsmodells nicht berücksichtigt habe und bemängelt die Art und Weise, wie „aktive Nutzer“ gezählt werden. Im Gegensatz zu einem klassischen Webshop, bei dem der Betreiber lediglich eigene Produkte anbietet und selbst Geschäfte mit den Nutzern abschließt, hat Zalando auch eine Marketplace-Funktion im Rahmen des Zalando-Partnerprogramms. Dabei vermittelt Zalando Geschäftsabschlüsse mit dritten Händlern. Je nach Produkt kommt entweder ein Vertrag allein mit dem Zalando-Partner zustande oder sowohl mit der Zalando SE als auch mit dem jeweiligen Zalando-Partner. Daher ist der Dienst von Zalando im Gegensatz zu Webshops ohne Marketplace-Funktion als Online-Plattform zu qualifizieren.

Für Webshop-Betreiber besteht in jedem Fall Handlungsbedarf. Unternehmen, die Webshops betreiben, sollten sich daher bis zum 17. Februar 2024 gut vorbereiten und die für sie geltenden Pflichten umsetzen. Wichtig ist insbesondere die rechtzeitige Einrichtung aller erforderlichen Kontaktstellen, die Veröffentlichung der erforderlichen Transparenzberichte, die Anpassung der AGB sowie der Einrichtung eines den Anforderungen entsprechenden Notice-and-action-Systems. Um diese Prozesse unternehmensintern und mit externen Beratern vorzubereiten und umzusetzen, sollte man einigen zeitlichen Vorlauf einplanen.

Dr. Birgit Münchbach

Dieser Blogbeitrag erscheint ebenso im Haufe Wirtschaftsrechtsnewsletter.

Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.

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