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Obacht bei der Bemessung von Vertragsstrafen

Bundesarbeitsgericht vom 20. Oktober 2022 - 8 AZR 332/21

„Aus § 307 Abs. 1 S. 1 BGB folgt keine Höchstgrenze für formularvertraglich vereinbarte Vertragsstrafen in Höhe eines Bruttomonatsentgelts. Es bedarf stets einer Einzelfallbetrachtung.“

Sachverhalt

Eine seit dem 01.02.2016 angestellte Ärztin, die im Rahmen ihrer Weiterbildung zur Fachärztin beschäftigt ist, und ihre Arbeitgeberin haben arbeitsvertraglich vereinbart, dass „die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses [nach Ablauf der Probezeit] auf einen Zeitpunkt vor Ablauf des 31.07.2019 (42 Monate ab Beginn des Arbeitsverhältnisses) ausgeschlossen“ ist und das Arbeitsverhältnis „danach (…) unter Beachtung der gesetzlichen Kündigungsfristen gekündigt werden“ kann. Die 42 Monate sind an der Weiterbildungsbefugnis ausgerichtet. Bei vertragswidriger Lösung des Arbeitsverhältnisses durch die Ärztin nach Ablauf der Probezeit hat sie eine Vertragsstrafe in Höhe von drei Bruttomonatsvergütungen zu zahlen, höchstens jedoch „in der Höhe, die den Bruttovergütungen entspricht, die durch die vertragswidrige Loslösung vom Vertrag bis zum Ablauf des 42-Monats-Zeitraums entfallen“.

Nachdem die Ärztin das Arbeitsverhältnis aus familiären Gründen zum 28.02.2018 gekündigt hatte, berief sich die Arbeitgeberin im Rahmen eines auf Entgelt gerichteten Verfahrens der Ärztin darauf, dass diese die Vertragsstrafe verwirkt habe.

Die Entscheidung

Ohne Erfolg. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts hat die Arbeitgeberin keinen Anspruch auf die vereinbarte Vertragsstrafe. Der Achte Senat bekräftigt, dass die Vereinbarung von Vertragsstrafen im Arbeitsleben auch in Formularverträgen regelmäßig nicht überraschend sei, weil sie als Gestaltungsinstrument verbreitet sei. Das Vertragsstrafenverbot gemäß § 309 Nr. 6 BGB finde wegen der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten keine Anwendung. Auch sei die vereinbarte Regelung hinreichend transparent. Jedoch benachteilige die Höhe der Vertragsstrafe die Ärztin unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.

Eine generelle Höchstgrenze von einem Bruttomonatsentgelt für eine Vertragsstrafe gebe es zwar nicht. Es müsse vielmehr im konkreten Einzelfall geprüft werden, ob die vereinbarte Höhe eine unangemessene Benachteiligung darstelle. Dies sei vorliegend der Fall. Die Vertragsstrafenregelung sei nicht interessengerecht, sondern führe zu einer Übersicherung der Arbeitgeberin.

Daher konnte es das Gericht offenlassen, ob der vereinbarte Kündigungssauschluss wirksam und die Vertragsstrafe überhaupt verwirkt ist.

Konsequenzen für die Praxis

Ist ein bestimmtes Verhalten wirksam unter eine Vertragsstrafe gestellt, deren Höhe jedoch im konkreten Fall nach Abwägung der wechselseitigen Interessen der Arbeitsvertragsparteien zu einer unangemessenen Benachteiligung der Arbeitnehmerseite führt, ist die Sanktion unwirksam, fällt ersatzlos weg und wird nicht auf ein gerade noch zulässiges Maß, also eine an sich angemessene Vertragsstrafenhöhe, reduziert.

Praxistipp

Bei der Gestaltung von Vertragsstrafenregelungen gilt nicht nur dem Verhalten, durch das eine Vertragsstrafe verwirkt wird, besonderes Augenmerk, sondern auch der Höhe. Sie muss sowohl für sämtliche Konstellationen, in der eine Vertragsstrafe verwirkt werden kann, angemessen sein als auch bei mehreren Verstößen und der Summierung von Einzelstrafen; für letzteren Fall bietet sich eine Höchstgrenze an.

Dr. Sebastian Kroll

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Vertagsstrafregelungen Bruttomonatsvergütung

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