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    09.12.2024

    Warum man das LkSG weiterhin ernst nehmen muss (auch die Geschäftsleitung) und was das (auch) mit der ausstehenden Umsetzung der CSRD zu tun hat


    Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (kurz: LkSG) war schon von Beginn an Gegenstand äußerst lebendiger politischer Diskussionen, nicht anders als das schlussendlich im Sommer 2024 in Kraft getretene (und erst noch in nationales Recht umzusetzende) europäische Pendant, die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (kurz: CSDDD oder auch CS3D, vgl. dazu zuletzt unseren Blog-Beitrag vom 18. März 2024 EU-Lieferkettengesetz: Einigung und Einigungstext | ADVANT Beiten und zuvor unser Editorial "EU Lieferkettengesetz: Es kommt, es kommt nicht, es kommt, es kommt nicht..." in ZVertriebsR, Heft 2/2024, S. 69 ff.). 

    Mittlerweile gilt das LkSG, das 2021 noch von der damaligen großen Koalition beschlossen worden war und sich mit den Pflichten von Unternehmen zum Schutz der Menschenrechte beschäftigt, bereits seit fast zwei Jahren. Gleichwohl ist es häufig auch wieder Gegenstand der aktuellen politischen Diskussion. Meist speziell im Zusammenhang mit dem Thema Bürokratie und Bürokratieabbau. Fast könnte man den Eindruck gewinnen, mit dem LkSG sei die maßgebliche Ursache für die Probleme der deutschen Wirtschaft ausgemacht worden und mit dessen Beseitigung würde alles wieder gut. So hörte man, das LkSG müsse "weg" (Bundeskanzler Olaf Scholz). Sogar vom "Wegbolzen" mit der Kettensäge war die Rede (Wirtschaftsminister Habeck). Jenseits der plakativen politischen Statements herrschte allerdings etwas Unklarheit, was eigentlich im Einzelnen wie umgesetzt werden soll. Die mittlerweile der Geschichte angehörende "Wachstumsinitiative" der Ampel-Koalition vom Sommer 2024 durfte man wohl jedenfalls so verstehen, dass der Anwendungsbereich des LkSG lediglich eingeschränkt werden solle (vgl. Wachstumsinitiative der BReg vom 5. Juli 2024). Hiernach sollten nurmehr diejenigen Unternehmen unter das LkSG fallen, die nach den Vorgaben der CSDDD ab 2027 zwingend erfasst sein müssen. 2028 und 2029 sollte sich der Anwendungsbereich des LkSG gemäß den Vorgaben der CSDDD dann wieder erweitern.

    Zudem wurde in der Wachstumsinitiative darauf verwiesen, dass mit dem für das zweite Halbjahr 2024 geplanten Gesetz zur Umsetzung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) die spezifische, im LkSG geregelte Berichtspflicht für solche Unternehmen entfallen werde, die einen Nachhaltigkeitsbericht gemäß CSRD erstellen. Der entsprechende Gesetzentwurf der Bundesregierung wurde im September 2024 in den Bundestag eingebracht (vgl. BT-Drs. 20/12787). Obwohl die EU-Kommission bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet hat, weil die CSRD hierzulande nicht rechtzeitig (d.h. bis Juni 2024) in nationales Recht umgesetzt worden ist, ist nach dem Ampel-Aus unklar, ob dieser Gesetzentwurf in der aktuellen Legislaturperiode noch verabschiedet wird. Das hat unschöne Folgen für all diejenigen Unternehmen, die sich darauf eingerichtet haben, für das Geschäftsjahr 2024 erstmals einen Nachhaltigkeitsbericht gemäß CSRD erstellen zu müssen. Da die CSRD-Berichterstattungspflicht in 2025 wohl nicht mehr rückwirkend für das Geschäftsjahr 2024 eingeführt werden könnte (so jedenfalls das IDW in einem Mitgliederrundschreiben vom 14. November 2024), müssen die Unternehmen ggf. kurzfristig umdisponieren und für 2024 nochmals einen so genannten "nichtfinanziellen Bericht" nach bisheriger Rechtslage erstatten. Damit wären die umfangreichen Vorbereitungen der Unternehmen auf die CSRD-Berichterstattung erst einmal hinfällig. Und auch die eigentlich vorgesehene Befreiung von der parallelen Berichterstattung nach LkSG würde nicht kommen mit der Folge, dass diese Unternehmen neben dem nichtfinanziellen Bericht zusätzlich doch auch einen LkSG-Bericht für 2024 erstellen müssen. Es darf bezweifelt werden, dass diese "Hin und Her" in Unternehmenskreisen zu Begeisterung führt. 

    Derweil beschäftigt sich der Bundestag nunmehr erneut mit der Frage einer vollständigen Abschaffung des LkSG, nachdem erst vor zwei Monaten (im Oktober 2024) ein Entwurf der CDU/CSU-Fraktion für ein "Lieferkettensorgfaltspflichtenaufhebungsgesetz" (BT-Drs. 20/11752) an den Gegenstimmen der damaligen Ampelkoalition gescheitert war, und es zuvor Anfang 2024 schon die AfD-Fraktion erfolglos versucht hatte. Nach dem Ampel-Aus hat die CDU/CSU-Fraktion hat nun erneut einen Entwurf für ein "Lieferkettensorgfaltspflichtenaufhebungsgesetz" eingebracht (BT-Drs. 20/14015). Und auch die FDP-Fraktion hat jetzt, nach ihrem Ausscheiden aus der Bundesregierung, einen Gesetzgebungsvorschlag zur Abschaffung des LkSG eingebracht mit dem bezeichnenden Namen "Lieferkettenbürokratiefreiheitsgesetz" (BT-Drs. 20/14021). Die Entwürfe wurden im Bundestag am 5. Dezember 2024 in erster Lesung erörtert und an die zuständigen Ausschüsse verwiesen (vgl. näher Deutscher Bundestag - Entwürfe zur Aufhebung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes erörtert). Man wird gespannt abwarten dürfen, was aus diesen beiden aktuellen Entwürfen in der nur noch kurzen Legislaturperiode wird, ebenso wie mit dem im Gesetzgebungsverfahren prinzipiell schon etwas weiter fortgeschrittenen Entwurf für das CSRD-Umsetzungsgesetz (und den vielen anderen laufenden Gesetzgebungsverfahren). 

    Auch wenn sich nach unserer Erfahrung die meisten betroffenen Unternehmen mit dem LkSG grundsätzlich arrangiert, personell aufgerüstet und die erforderlichen Sorgfaltspflichten implementiert haben, tut sich sich im Unternehmensalltag derweil eine durchaus gefährliche potentielle Erdbebenspalte auf. Angetrieben durch die aktuellen politischen Statements verstärkt sich auf der Ebene der Unternehmensleitung bisweilen offenbar die Ansicht, man müsse es mit dem das LkSG nicht (mehr) so genau nehmen. Schließlich wurde ja schon von höchster Stelle verlautbart, dass das LkSG "weg" komme, zumal diesbezüglich schon nahezu eine seltene parteiübergreifende Einigkeit zu bestehen scheine. Nun ist die Situation beim LkSG aber etwas anders als beim CSRD-Umsetzungsgesetz. Denn die Nachhaltigkeitsberichterstattung nach CSRD muss erst noch in nationales Recht umgesetzt werden; vorher gibt es eben keine Nachhaltigkeitsberichtserstattungspflicht. Das LkSG ist demgegenüber schon länger geltendes nationales Recht mit der Folge, dass die Regelungsadressaten den darin geregelten menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten nachkommen müssen. Und dabei bleibt es unabhängig von der aktuellen politischen Diskussion auch, bis der Bundestag ein Gesetz zur Aufhebung des LkSG beschlossen hat und es in Kraft getreten ist. Aus den dargestellten Gründen ist jedoch ungewiss, ob es dazu kurzfristig kommen wird.

    Für die Geschäftsleitung bleibt das LkSG damit bis auf Weiteres ein Bestandteil ihrer allgemeinen Compliance-Pflicht. Will sagen: Die Geschäftsleitung trägt die Verantwortung dafür, dass die für das Unternehmen geltenden Gesetze (darunter weiterhin auch das LkSG) von dem Unternehmen auch tatsächlich beachtet werden. Wenn die Geschäftsleitung angesichts der aktuellen politischen Diskussion und einer auf dieser Basis erwarteten oder erhofften künftigen Aufhebung des LkSG nun aber die Zügel locker lässt und unternehmensinterne Maßnahmen zur Umsetzung des LkSG nicht mehr mit dem gebotenen Nachdruck fortgeführt werden, droht sie mit ihrer Compliance-Pflicht zur Beachtung des jedenfalls aktuell nach wie vor geltenden LkSG in Konflikt zu geraten. Die (fragliche) Prognose, dass das LkSG demnächst abgeschafft werde, ändert daran nichts. Denn das LkSG beinhaltet Dauerpflichten, d.h. zum Beispiel, dass vom Unternehmen eine anlassbezogene Risikoanalyse jederzeit durchzuführen ist, wenn sich ein entsprechender Anlass ergibt. Auch Präventionsmaßnahmen sind fortlaufend umzusetzen. 

    Eine unzureichende Umsetzung des LkSG kann bekanntlich eine Ordnungswidrigkeit darstellen und dementsprechend mit einem empfindlichen Bußgeld von bis zu 2% des weltweiten Jahresumsatzes belegt werden. Käme es zu einem derartigen Bußgeldbescheid, würde sich postwendend die (rechtlich bis dato nicht geklärte) Frage stellen, ob das Unternehmen die Mitglieder der Geschäftsleitung wegen einer für das Bußgeld ggf. kausalen unzureichenden Umsetzung des LkSG persönlich in Regress nehmen kann (und ggf. muss). Selbst bei bestehendem D&O-Versicherungsschutz ist die Verteidigung gegen eine derartige Haftungsklage des Unternehmens für den beklagten Geschäftsleiter nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig. Von anderen Folgen jenseits einer etwaigen persönlichen Haftung ganz abgesehen. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter (so das gesetzliche Leitbild in § 93 AktG) sollte also Umsetzung des LkSG so lange sicherstellen, wie die aktuelle politische Diskussion eine Diskussion und das LkSG geltendes Recht bleiben.

    Auch die möglicherweise bestehende Hoffnung, dass die für die Überwachung der Umsetzung des LkSG zuständige Aufsichtsbehörde (BAFA) angesichts der aktuellen politischen Diskussion nicht mehr so intensiv mit dem LkSG beschäftige und daher etwaige Insuffizienzen schon nicht zu einem Bußgeldbescheid führen werden, erscheint uns in dieser Allgemeinheit trügerisch. Zwar haben das Arbeitsministerium und das Wirtschaftsministerium im September 2024 die Umsetzung eines "Sofortprogramms für untergesetzliche Maßnahmen zur praxisnahen Anwendung des LkSG" angekündigt (vgl. Sofortprogramm untergesetzliche Maßnahmen zur praxisnahen Anwendung des LkSG - CSR ). Das ändert aber nichts an der im LkSG gesetzlich angeordneten Überwachung der Einhaltung des LkSG durch das BAFA. Und auch nicht an dem Umstand, dass das BAFA, so wird es jedenfalls kolportiert, mittlerweile rund 40 (!) Ordnungswidrigkeitenverfahren im Zusammenhang mit dem LkSG eingeleitet haben soll.

    Dr. Daniel Walden
    Dr. André Depping

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