Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats erstreckt sich auch auf die Duldung von Überstunden. Ob Überstunden tatsächlich geduldet werden, ist anhand aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln
Im Betrieb der Arbeitgeberin gilt eine „Betriebsvereinbarung Arbeitszeiten“, in der für einen Betriebsteil eine gleitende Arbeitszeit und für andere Bereiche Schichtarbeit festgelegt wurde. Der Betriebsrat beanstandete zunächst, dass das elektronische Zeiterfassungssystem bei zwei Arbeitnehmern wiederholt Überstunden auswies. Die Arbeitgeberin teilte dem Betriebsrat daraufhin mit, dass die Arbeitnehmer fehlerhaft dem – für sie nicht geltenden – Arbeitszeitmodell der gleitenden Arbeitszeit zugeordnet worden seien, dieser Fehler jedoch behoben sei und die Mitarbeiter auf die für sie geltenden Arbeitszeiten hingewiesen worden seien. Nachdem es bei einem weiteren Mitarbeiter an zwei Tagen zu Überstunden kam, machte der Betriebsrat gegenüber der Arbeitgeberin einen Unterlassungsanspruch geltend, den er auf die Verletzung seines Mitbestimmungsrechts durch eine wiederholte Duldung nicht mitbestimmter Überstunden stützte.
Das Arbeitsgericht München hat den Unterlassungsantrag des Betriebsrats abgewiesen; das Landesarbeitsgericht München gab dem Antrag statt. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin vor dem BAG hatte Erfolg. Der Unterlassungsantrag des Betriebsrats sei unbegründet, da es an einem betriebsverfassungswidrigen Verhalten der Arbeitgeberin fehle. Eine Einzelfallbetrachtung ergebe keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine arbeitgeberseitige Duldung von Überstunden. Die Arbeitgeberin habe die Überschreitung der betriebsüblichen Arbeitszeit nicht über einen längeren Zeitraum hingenommen. Sie habe vielmehr zeitnah nach Kenntnis der Überstunden die Zuordnung des Arbeitszeitmodells korrigiert und die betroffenen Arbeitnehmer auf das für sie geltende Schichtarbeitssystem hingewiesen. Zudem sprächen einzelne Überstunden oder solche aufgrund besonderer einmaliger Umstände für sich genommen nicht für eine Duldung.
Nicht nur die Anordnung, sondern auch die arbeitgeberseitige Duldung von Überstunden kann eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 3 Betriebsverfassungsgesetz darstellen. Wird das Mitbestimmungsrecht dadurch grob verletzt, kann dem Betriebsrat ein Unterlassungsanspruch zustehen.
Das BAG bestätigt mit dieser Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung, wonach die Frage, ob der Arbeitgeber die Leistung von Überstunden duldet, einer Einzelfallbetrachtung unterliegt. Eine Duldung liegt regelmäßig vor, wenn der Arbeitgeber in Kenntnis der Überstunden untätig bleibt und diese über einen längeren Zeitraum hinnimmt. Dabei kann es bereits ausreichen, dass der Arbeitgeber die Überstunden trotz entsprechender Möglichkeit nicht zur Kenntnis nimmt. Bei dem Anfall einzelner Überstunden oder einer Überstundenleistung aufgrund einmaliger besonderer Umstände wird eine Duldung jedoch regelmäßig nicht angenommen.
Arbeitgeber sollten beachten, dass sowohl die Anordnung als auch die bloße Duldung von Überstunden ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auslösen kann. Es sollte insbesondere darauf geachtet werden, in Betriebsvereinbarungen zu Themen der Arbeitszeit eine Regelung zum gelegentlichen Anfall und zum Ausgleich von Überstunden aufzunehmen. Zudem bietet sich der Einsatz eines Arbeitszeiterfassungssystems an, um einen Überblick über die geleisteten Überstunden zu behalten.