Bundesarbeitsgericht vom 20. November 2019 - 5 AZR 578/18
Wird in einem gerichtlichen Vergleich die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses unter gleichzeitiger Freistellung des Arbeitnehmers vereinbart, muss hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen, dass bestehende Überstunden bzw. Plusstunden in einem Arbeitszeitkonto bei der Freistellung berücksichtigt sind. Ist lediglich von einer unwiderruflichen Freistellung die Rede, sind die Überstunden nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zusätzlich zu vergüten.
Die Arbeitnehmerin war als Sekretärin tätig und erhielt eine außerordentliche fristlose Kündigung. Im Kündigungsschutzprozess schlossen die Parteien einen gerichtlichen Vergleich. Dieser sah vor, dass das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten, über die gesetzliche Kündigungsfrist hinausgehenden Zeitpunkt enden sollte. Dabei sollte die Arbeitnehmerin unwiderruflich von ihrer Pflicht zur Erbringung ihrer Tätigkeit freigestellt werden. Zugleich stellte der Vergleich klar, dass Urlaubsansprüche nicht mehr bestanden. Eine allgemeine Abgeltungs- bzw. Ausgleichsklausel wurde nicht vereinbart, sondern nur festgehalten, dass mit Abschluss des Vergleichs der Rechtsstreit erledigt sei. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses machte die Arbeitnehmerin noch Abgeltung von Überstunden geltend. Die Arbeitgeberin hatte die Vergütung noch ausstehender Plusstunden im Arbeitszeitkonto zuvor verweigert, da sie die Auffassung vertrat, diese seien von der Freistellung bereits erfasst.
Grundsätzlich sind Überstunden bzw. Plusstunden in einem Arbeitszeitkonto vom Arbeitgeber zu vergüten, wenn das Arbeitsverhältnis endet und diese nicht mehr durch Freizeit ausgeglichen werden können. Soll jedoch ein gerichtlicher Vergleich den Abbau von Überstunden im Rahmen einer vereinbarten Freistellung beinhalten, so müsse dies hinreichend deutlich zum Ausdruck kommen, so das BAG. Sei lediglich festgehalten, dass eine unwiderrufliche Freistellung erfolgen solle, sei nicht klar erkennbar, dass zugleich der Abbau von Überstunden umfasst sei.
Die Entscheidung zeigt wieder einmal, dass trotz eines gerichtlichen Vergleichs immer noch streitige Punkte offen sein können, die die Parteien bei Vergleichsschluss nicht bedacht hatten. Die umfassende allgemeine Abgeltungs- bzw. Ausgleichsklausel erfährt so einmal mehr Bedeutung. Sie sieht nicht nur vor, dass der Rechtsstreit erledigt ist, sondern, dass mit Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Vergleich alle Ansprüche aus dem Rechtsstreit und dem beendeten Arbeitsverhältnis erledigt sind. Sinn und Zweck ist es, alle Streitigkeiten möglichst schnell zu beenden und klare Verhältnisse zu schaffen.
Wollen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Rahmen eines gerichtlichen Prozesses über alle Streitpunkte gütlich einigen, so müsste jeder streitige Punkt in einem Vergleich Berücksichtigung finden. Da dies oftmals nicht möglich ist, ist stets zu empfehlen, eine allgemeine Abgeltungs- bzw. Ausgleichsklausel aufzunehmen und nicht nur den Rechtsstreit mit Abschluss des Vergleichs für erledigt zu erklären.
Fragen zu diesem Thema beantwortet Ihnen Ines Neumann gerne.