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    10.01.2022

    Urteil des EuGH zur EU-Blocking-Verordnung


    Der Auftakt

     

    Am 21. Dezember 2021 erließ der EuGH das erste Urteil zur Auslegung der EU-Blocking-Verordnung in der Rechtssache C-124/20 Bank Melli Iran. Zuvor hatte Generalanwalt Hogen die Schlussanträge in dieser Sache gestellt. Er war der Auffassung, dass sich iranische Unternehmen vor den Gerichten der Mitgliedstaaten auf EU-Recht berufen können, das sich gegen US-amerikanische Sekundärsanktionen richtet. Es ging um die Frage, ob EU-Unternehmen Verträge mit Unternehmen, die von den USA mit Sekundärsanktionen belegt sind, ohne Nennung von Gründen ordentlich kündigen dürfen oder ob eine solche Kündigung gegen Art. 5 Absatz 1 der EU-Blocking-Verordnung verstößt und unwirksam ist.

     

    Hintergrund

     

    Bank Melli Iran ist eine iranische Bank mit einer Niederlassung in Hamburg, die mit einer Tochtergesellschaft der Deutschen Telekom Verträge über Telekommunikationsdienstleistungen abgeschlossen hatte. Die Verträge wurden im November 2018 zunächst mit sofortiger Wirkung und danach ordentlich gekündigt. Bank Melli Iran machte vor deutschen Gerichten geltend, dass die Kündigung unwirksam sei.

     

    Nach dem Rückzug der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran (Joint Comprehensive Plan of Action JCPOA) 2018 unter dem damaligen Präsidenten Donald Trump wurde Bank Melli Iran von den USA auf die Specially Designated Nationals and Blocked Persons-Liste (SDN-Liste) gesetzt. Dies hat nach US-amerikanischem Recht zur Folge, dass weltweit sämtliche Geschäftsbeziehungen mit Bank Melli Iran verboten sind, sogenannte Sekundärsanktionen. Die Sanktionen betreffen die Iran-Geschäfte von Unternehmen ohne direkte Verbindung zum Territorium der USA.

     

    Die Sanktionen wurden einige Tage vor der Kündigung der Verträge verhängt. Die Deutsche Telekom erwirtschaftete etwa die Hälfte ihres Umsatzes mit ihrer Tätigkeit in den USA.

     

    Wegen der über das US-Territorium hinausgehenden Wirkung werden die Sekundärsanktionen von der EU als Verstoß gegen das Völkerrecht angesehen. Die erstmals im Jahr 1996 erlassene „Verordnung (EG) Nr. 2271/96 des Rates vom 22. November 1996 zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen“ gibt vor, dass Forderungen und Verboten der im aktualisierten Anhang der EU-Blocking-Verordnung genannten US-Sanktionen in der EU nicht nachgekommen werden darf.

     

    Ihr Artikel 5 lautet in Absatz 1

    Keine Person im Sinne des Artikels 11 darf selbst oder durch einen Vertreter oder einen anderen Vermittler aktiv oder durch bewusste Unterlassung Forderungen oder Verboten, einschließlich Aufforderungen ausländischer Gerichte, nachkommen, die direkt oder indirekt auf den im Anhang aufgeführten Gesetzen oder den darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen beruhen oder sich daraus ergeben.

     

    Der Anhang erfasst die von den USA verhängten Sanktionen. Dem Verbot des Artikels 5 kann nur dadurch entgangen werden, wenn die Kommission dies genehmigt, um schwere Schäden von der EU oder dem Betroffenen abzuwenden.

     

    Die Auslegung der Verordnung durch den EuGH

     

    Der EuGH hält zunächst fest, dass Artikel 5 Absatz  I der Verordnung auch dann Anwendung findet, wenn auf nationaler Ebene keine Regelung zu deren Einhaltung vorliegt.

     

    Nationale Gerichte müssen die Einhaltung der in der Verordnung vorgesehenen Verpflichtungen oder Verbote in zivilrechtlichen Streitigkeiten gewährleisten. Im vorliegenden Fall trägt die Klägerin die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des gesetzlichen Verbotes in § 134 BGB, auch wenn die Kündigung ohne Angabe von Gründen erfolgt.

     

    Die Anwendung der allgemeinen Beweislastregel kann jedoch die Feststellung eines Verstoßes gegen das Verbot „für das vorlegende Gericht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren und somit die praktische Wirksamkeit des Verbots beeinträchtigen“.

     

    Der Gerichtshof hält daher eine Beweislastumkehr für angebracht, wenn "alle Beweismittel, über die ein nationales Gericht verfügt, auf den ersten Blick darauf hindeuten, dass eine von Artikel 11 der Verordnung erfasste Person, die nicht über eine Genehmigung im Sinne von Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung verfügt, den gelisteten Gesetzen nachgekommen ist.“

     

    Der Gerichtshof setzt sich eingehend mit dem Einwand der Deutschen Telekom auseinander, dass die mögliche Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung ihr schweren Schaden zufügen würde. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es ein eigenes Verfahren für die Gewährung von Ausnahmen vom Verbot gibt, die Kommission auf Antrag über Ausnahmen entscheidet und das kündigende Unternehmen keinen Antrag gestellt hat. Das vorlegende Gericht hat dennoch zu prüfen, ob das Verbot in concreto unverhältnismäßige Auswirkungen haben könnte.

     

    Ausblick

     

    Die Kommentare der Unternehmen und der Verbände anlässlich der Konsultierung betreffend die Überprüfung der Blocking-Verordnung sowie die Schlussanträge des Generalanwaltes Hogan im Verfahren haben deutlich gemacht, dass die Blocking-Verordnung ein eher grobes Instrument und schwer durchzusetzen ist. Mit Spannung werden daher die Vorschläge der Kommission erwartet, wie diese unbefriedigende Lage verbessert werden kann.

     

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