LAG München, Beschluss vom 07.12.2023 - 2 TaBV 31/33
2022 beschloss der Betriebsrat eines bundesweit tätigen Textilunternehmens im Rahmen seiner Geschäftsordnung die Möglichkeit der virtuellen Betriebsratssitzung, sofern die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 BetrVG gegeben sind. Im Zuge dessen forderte er die Arbeitgeberin auf, den ordentlichen Betriebsratsmitgliedern mobile technische Ausstattung zur Verfügung zu stellen, damit die Mitglieder, falls erforderlich, an virtuellen Betriebsratssitzungen teilnehmen können. Hierbei stützte sich der Betriebsrat auf § 40 Abs. 2 BetrVG. Die Arbeitgeberin verweigerte das Zurverfügungstellen entsprechender Sachmittel. Sie verwies den Betriebsrat auf die Möglichkeit eines Telefonkonferenzsystems, das aber nicht zur Durchführung von Videokonferenzen geeignet war. Für Videokonferenzen sollten die Betriebsratsmitglieder ihre privaten Endgeräte nutzen.
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Betriebsrat für die Durchführung von Videokonferenzen unentgeltlich funktionsfähige, technische Geräte mit Internetzugang und Kamera- und Laut-sprecher- bzw. Mikrofunktion zur Verfügung zu stellen.
§ 30 Abs. 2 BetrVG macht die Möglichkeit einer Teilnahme an einer Betriebsratssitzung mittels Video- und Telefonkonferenz lediglich von den dort genannten weiteren Voraussetzungen abhängig und gerade nicht davon, ob eine entsprechende technische Ausstattung bereits vorhanden ist. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Betriebsratsmitgliedern die technische Ausstattung für die Durchführung jener Video- oder Telefonkonferenzen zur Verfügung zu stellen. Hierbei muss sich der Betriebsrat nicht auf Telefonkonferenzen verweisen lassen, da § 30 Abs. 2 BetrVG Videokonferenzen gerade ausdrücklich zulässt. Es hält sich im Rahmen des dem Betriebsrat zustehenden Beurteilungsspielraums, wann er aufgrund der bei Videokonferenzen gegeben Visualisierung gegenüber den rein akustischen Telefonkonferenzen, Erstere bevorzugt. Betriebsratsmitglieder müssen sich zur Ausübung ihrer Betriebsratstätigkeit nicht darauf verweisen lassen, ihr eigenes Smartphone zu benutzen.
Der Arbeitgeber konnte sich gegenüber dem LAG München nicht mit Erfolg auf den Rechtsgedanken des BAG berufen, wonach Betriebsratsmitglieder während ihrer arbeitsvertraglichen Arbeitszeit im Betrieb am Sitz des Betriebsrats anwesend sein müssen. Nach dem LAG München ist dieser Grundsatz im Falle von Video- oder Telefonkonferenzen nach § 30 Abs. 2 BetrVG einzuschränken.
Da die Entscheidung zur Art und Weise der Durchführung der Betriebsratssitzung nun – abgesehen von den gesetzlichen Vorgaben – allein von den Vorlieben des Betriebsrats abzuhängen scheint, bleibt dem Arbeitgeber an dieser Stelle nur das Zurverfügungstellen weiterer Sachmittel. Das Kriterium der Erforderlichkeit nach § 40 BetrVG wurde durch das LAG München ebenso zur Disposition des Betriebsrats gestellt, wie die präferierte Durchführungsmethode.
Unter Berücksichtigung dessen, dass das LAG München mit seiner Entscheidung ausdrücklich von dem Grundsatz des BAG abweicht, dass die Betriebsratsmitglieder während ihrer arbeitsvertraglichen Arbeitszeit im Betrieb am Sitz des Betriebsrates anwesend sein müssen, bleibt abzuwarten, wie zukunftstauglich diese Entscheidung ist.
Mit Blick darauf, dass viele Unternehmen ihren Beschäftigten bereits während der Pandemie mit technischen Endgeräten mit Videofunktionen ausgestattet haben, bleibt zu hoffen, dass diese Entscheidung nicht zu einer Forderungswelle der Betriebsräte führt und, dass die Arbeitsgerichte die Wünsche der Betriebsräte kritischer beleuchten.