Wer ist eigentlich Urheber eines Kunstwerkes und unterfällt daher dem ermäßigten Steuersatz, wenn der Künstler nicht selbst, sondern eine GbR ein Kunstwerk nach den Vorgaben des Künstlers erstellen lässt? Mit dieser Frage hat sich der BFH in seinem Urteil vom 18. Oktober 2023 (Az.: XI R 15/20) auseinandergesetzt und damit letztlich verdeutlicht, dass eine steuerliche Ungleichbehandlung von Künstlern und Galerien dringend geändert werden muss, um den Kulturstandort Deutschland wettbewerbsfähig zu halten. Unter folgendem Link finden Sie einen anknüpfenden Beitrag zur Differenzbesteuerung im Kunsthandel.
Geklagt hat eine GbR, gegründet durch einen Künstler und eine Galerie. Zweck dieser Gesellschaft ist es, bis zu drei Skulptureninstallationen herzustellen, zu vermarkten sowie zu veräußern. Gefertigt wurden die Skulpturen nach den künstlerischen Vorgaben des Künstlers selbst im Auftrag der GbR. Die GbR gab die Herstellung der Skulptureninstallationen bei einem Dritten in Auftrag.
In der Folge verkauften die GbR und der Künstler zwei der Skulpturen. Die Klägerin nahm dabei an, dass die Lieferung einer der beiden Skulpturen im Jahr 2015 dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliege. Das Finanzamt war anderer Auffassung. So seien die Voraussetzungen einer Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 13 UStG nicht erfüllt. Diese sind dann gegeben, wenn die Lieferung eines Kunstgegenstands entweder (i) direkt von seinem Urheber oder dessen Rechtsnachfolger erfolgt oder (ii) der Kunstgegenstand zunächst von seinem Urheber oder dessen Rechtsnachfolger an einen Unternehmer geliefert wurde, der den Kunstgegenstand sodann einem Dritten liefert, sofern der liefernde Unternehmer kein Wiederverkäufer i.S.d. § 25a Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG ist. Als Wiederverkäufer gilt danach derjenige, der gewerbsmäßig mit beweglichen körperlichen Gegenständen handelt oder solche Gegenstände im eigenen Namen öffentlich versteigert. Das Finanzamt unterwarf die Lieferung der zweiten Skulptureninstallation daher dem Regelsteuersatz und die GbR klagte daraufhin vor dem Finanzgericht Düsseldorf. Dieses wies die Klage mit der Begründung ab, dass die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 13 UStG nicht erfüllt seien, da die Klägerin weder Urheberin noch Rechtsnachfolgerin des Urhebers sei und die Skulptureninstallation nicht vom Künstler an die GbR geliefert worden war.
In der Revision wandte die GbR als Klägerin ein, dass sie die Kunstwerke nach den Vorstellungen und Plänen des Künstlers als Urheber geschaffen habe. Der Begriff des Urhebers in § 12 Abs. 2 Nr. 13 UrhG sei weit zu verstehen. Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen. Die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 13 UrhG liegen nicht vor. Die Klägerin ist weder Urheberin noch Rechtsnachfolgerin des Urhebers des gelieferten Gegenstandes. Der BFH führt aus, dass sich der Begriff des Urhebers nach den Vorschriften des Urheberrechtsgesetzes richtet und begründet dies unter anderem damit, dass der Begriff nicht anders zu verstehen ist als in § 12 Abs. 2 Nr. 7 c UStG, in dem ausdrücklich auf das Urhebergesetz verwiesen wird.
Nach § 7 UrhG ist Urheber der Schöpfer eines Werkes. Zu den geschützten Werken gehören nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG insbesondere Werke der bildenden Kunst, wobei ein Werk nur eine persönliche geistige Schöpfung sein kann (§ 2 Abs. 2 UrhG). Eine persönliche geistige Schöpfung ist dabei eine Schöpfung individueller Prägung, deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht hat, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauung einigermaßen vertrauten Kreise von einer künstlerischen Leistung gesprochen werden kann. Das Urheberrecht ist zwar vererblich, jedoch nach § 29 Abs. 1 UrhG nicht übertragbar, es sei denn, es wird in Erfüllung einer Verfügung von Todes wegen oder an Miterben im Wege der Erbauseinandersetzung übertragen. Die Auffassung der GbR, sie sei umsatzsteuerrechtlich als Urheberin der streitgegenständlichen Skulptureninstallation anzusehen, obwohl sie nach dem Urheberrechtsgesetz nicht deren Urheberin ist, geht fehl. Auch wenn die Klägerin in Erfüllung des Gesellschaftszwecks die Kunstwerke nach den künstlerischen Vorgaben des Künstlers als Urhebers hat herstellen lassen, vermag dies nichts daran zu ändern, dass die streitgegenständliche Skulptureninstallation keine eigene geistige Schöpfung der Klägerin, sondern eine des Künstlers verkörpert. Die GbR ist daher weder Urheberin noch Miturheberin.
Auch ein Blick in die Kunstgeschichte zeigt, dass die hier dargestellte Situation tatsächlich in der Praxis durchaus von Relevanz und nicht immer eindeutig ist. Alte Meister wie Tizian haben nicht selten ihre Werke ausschließlich eigenhändig geschaffen, sondern Schüler mit der Ausführung beauftragt. Die Werke sind jedoch heutzutage in der Kunstgeschichte ausschließlich unter dem Namen des Meisters bekannt. Auch in der zeitgenössischen Kunst gibt es ähnliche Szenarien, so fertigt beispielsweise Jeff Koons nicht jedes seiner Werke alleine und eigenhändig an, sondern bedient sich einer Vielzahl von Mitarbeiter. Dennoch handelt es sich in der Kunstwelt um Werke von Jeff Koons.
Der BFH hat weiter geurteilt, dass die GbR auch keine Rechtsnachfolgerin sei. Rechtsnachfolgerin im Sinne der Vorschrift ist der Gesamtrechtsnachfolger. Auch dies ergibt sich daraus, dass das Urheberrecht nach § 28 Abs. 1 UrhG vererblich, nicht aber übertragbar ist.
Auch eine entsprechende Anwendung des § 12 Abs. 2 Nr. 13 b UStG kommt nicht in Betracht, da bereits eine Regelungslücke nicht ersichtlich ist. So heißt es in der Gesetzesbegründung, dass der ermäßigte Steuersatz im gewerblichen Kunsthandel (z.B. Galeristen und Kunsthändler) nicht mehr regelmäßig Anwendung finden soll.
Im Ergebnis verdeutlicht diese Gerichtsentscheidung somit, dass der Begriff des Urhebers nicht anders auszulegen ist als im Urhebergesetz und erteilt damit einer autonomen steuerrechtlichen Auslegung eine Absage. Der ermäßigte Steuersatz von 7 % gilt nur, wenn die Lieferung vom geistigen Schöpfer oder dessen Rechtsnachfolger selbst stammt. Damit beseitigt die Entscheidung eine rechtliche Unsicherheit für die Fälle, in denen Künstler ihr Werk nicht selbst schaffen, sondern den Schaffensprozess auf einen Zusammenschluss von Künstlern und Galerie auslagern.
Rechtliche Unsicherheiten bestehen zwar in den Fällen nicht, in denen Künstler ihre eigenen Werke selbst verkaufen, da sie auch unter Zugrundelegung des „engen“ Urheberbegriffs aus dem UrhG in den Anwendungsbereich des ermäßigten Steuersatzes fallen. Ebenso unproblematisch sind die Fälle, in denen nicht der Künstler, sondern sein Käufer sein Werk weiterverkauft, denn entweder ist auch hier der ermäßigte Umsatzsteuersatz anwendbar oder es finden, sofern der weiterveräußerende Käufer als Wiederverkäufer einzustufen ist, die Regeln zur Differenzbesteuerung nach § 25a UStG Anwendung.
Die Entscheidung des BFH betraf das Streitjahr 2015, in dem aufgrund der alten unionsrechtlichen Grundlage, nämlich Art. 103 Abs. 2 Mehrwertsteuersystem-Richtlinie alte Fassung, nach der seit dem 1.1.2014 geltenden Neufassung des § 12 Abs. 2 Nr. 13 UStG nur noch die Lieferungen von Kunstwerken des „Urhebers“ und dessen „Rechtsnachfolgers“ dem ermäßigten Steuersatz unterlagen.
Dies führte in der Kunstwelt zu erheblicher Kritik, da auf diese Weise Galerien eine massive Ungleichbehandlung erfahren, auch gegenüber dem Ausland. So liegt in Frankreich die Mehrwertsteuer bei 5,5 Prozent, in der Schweiz bei 8,1 Prozent und in England ebenfalls bei 5,5 Prozent.
Aber es besteht Grund zur Hoffnung: Ab dem 1.1.2025 erlaubt die Neufassung von Art. 98 Abs. 1 UAbs. 2 i.V.m. Nr. 26 Anhang III MwStSystRL den Mitgliedsstaaten die generelle Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes auf Lieferungen von Kunstwerken, ohne dabei explizit darauf abzustellen, dass diese vom „Urheber“ oder von dessen „Rechtsnachfolger“ geliefert werden sollen. Insofern besteht nun die vom Kunsthandel mit Vehemenz eingeforderte Möglichkeit, dass der nationale Gesetzgeber zur Rechtslage vor 2014 zurückkehrt und dadurch wieder sämtliche Lieferungen von Kunstwerken, unabhängig von der Person des Verkäufers, unter dem ermäßigten Steuersatz fallen können.
Bislang hat der nationale Gesetzgeber im Zuge des derweil kursierenden Jahressteuergesetzes 2024 von dieser Steilvorlage zur Änderung von § 12 Abs. 2 Nr. 13 UStG aber keinen Gebrauch gemacht. Damit wird das Urteil des BFH zum Begriff des “Urhebers” für die Frage der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes beim Verkauf von Kunstwerken weiterhin Relevanz haben.