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    08.02.2022

    Start-Up-Unternehmen bietet „junges Team“: keine Altersdiskriminierung


    Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg vom 1. Juli 2021 – 5 Sa 1573/20

     

    Enthält eine Stellenausschreibung den Hinweis auf ein „junges Team“, kann darin eine Diskriminierung älterer Bewerber liegen. Dies mag – je nach Formulierung der Anzeige – bei einem Start-Up-Unternehmen im Einzelfall anders bewertet werden. Wer Entschädigungsklagen von Anfang an den Nährboden entziehen möchte, sollte unmittelbare oder mittelbare Bezugspunkte zum Alter – egal ob jung oder alt – in Stellenanzeigen in jedem Fall vermeiden.

     

    Sachverhalt

     

    Ein Start-Up-Unternehmen schrieb rund zwei Jahre nach der Gründung die Stelle des „Key-Account-Managers“ aus. In der Stellenausschreibung führte das Unternehmen unter dem Stichpunkt „Wir bieten“ ein „junges Team mit flachen Hierarchien, das dir echten Gestaltungsspieltraum lässt“ an. Ein 1972 geborener Bewerber erhielt vom Unternehmen eine Absage. Dies nahm der erfolglose Bewerber zum Anlass für eine Entschädigungsklage und zog vor das Arbeitsgericht.

     

    Der Bewerber meinte, in der Absage liege eine unzulässige Altersdiskriminierung. Als Indiz dafür berief sich der Bewerber auf die Stellenanzeige. Mit der Formulierung „junges Team“ hätte das Unternehmen gezielt Bewerber mit einem niedrigeren Lebensalter angesprochen. Das Start-Up-Unternehmen hielt dagegen: Der Verweis auf das „junge Team“ habe sich nicht auf das Lebensalter, sondern auf die verhältnismäßig kurze Zeit des Bestehens des Start-Up-Unternehmens bezogen.

     

    Die Entscheidung

     

    Sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem Landesarbeitsgericht blieb der abgelehnte Bewerber mit seiner Entschädigungsklage erfolglos. Die Klagen wurden jeweils abgewiesen. Die Richter konnten im Fall des erfolglosen Bewerbers keine Altersdiskriminierung erkennen. Insbesondere sah das Gericht in der Formulierung „junges Team“, wie sie die Stellenanzeige enthielt, kein Indiz für eine unzulässige Benachteiligung wegen des Lebensalters.

    Zwar könnte der Hinweis auf ein „junges Team“ in einer Stellenausschreibung mit der Erwartung verbunden sein, dass der Bewerber selbst „jung“ sei und deshalb gut ins Team passe. In diesem Fall hätte das Gericht dem Entschädigungsanspruch des Bewerbers vermutlich entsprochen. Im konkreten Fall verstand das Gericht die Aussage „junges Team“ jedoch anders. Da sich das Unternehmen schon einleitend in der Stellenausschreibung als Start-Up-Unternehmen, das erst seit wenigen Jahren besteht, vorgestellt hatte, sei der Hinweis auf das „junge Team“ als Umschreibung einer erst seit kurzem bestehen Belegschaft zu verstehen gewesen.

     

    Konsequenzen für die Praxis

     

    Arbeitsplätze dürfen nicht unter Verstoß gegen eines der in § 7 Abs. 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) genannten Benachteiligungsverbote ausgeschrieben werden. So steht es schwarz auf weiß in § 11 AGG. Stellenausschreibungen, die an das Lebensalter der Bewerber anknüpfen, sind deshalb unbedingt zu vermeiden. Andersfalls riskieren Arbeitgeber Entschädigungsansprüche abgelehnter Bewerber.

     

    Stellenausschreibungen werden als altersdiskriminierend angesehen, wenn Unternehmen konkrete Altersvorgaben (z.B. „mindestens 30 Jahre“ oder „Höchstaltersgrenze für Bewerber*innen: 45 Jahre“) oder Altersspannen (z.B. „18 bis 35 Jahre“) in einer Anzeige als Einstellungsvoraussetzung anführen. Aber auch scheinbar neutrale Kriterien können eine Altersdiskriminierung darstellen. Hierzu zählt z.B. der Hinweis auf ein „junges Team“. Im oben beschriebenen Fall konnte sich das Unternehmen auf die Eigenschaft als Start-Up-Unternehmen berufen. In anderen Fällen wurden hingegen abgelehnten Bewerbern aufgrund des Hinweises auf ein „junges Team“ in Stellenanzeigen schon Entschädigungen zugesprochen.

     

    Praxistipp

     

    Unabhängig davon, ob ihr Unternehmen ein frisch gegründetes Start-Up oder schon lange am Markt tätig ist, sollten Arbeitgeber im Stellenausschreibungsprozess auf das Wörtchen „jung“ am besten verzichten. Start-Up-Unternehmen können selbstverständlich darauf hinweisen, dass sie sich erst vor kurzer Zeit gegründet haben. Dafür können z.B. das Gründungsjahr und die Selbstbeschreibung als Unternehmen der Start-Up-Branche angegeben werden. Beschreibungen mit dem Zusatz „jung“ – wie „junges Team“ oder „junges Unternehmen“ – sollten hingegen vorsichtshalber vermieden werden.

     

    Michael Riedel

     

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