In den letzten zwei Jahren wurden die Investitionsprüfungsvorschriften in ganz Europa verschärft oder zum ersten Mal verabschiedet und ein gemeinsamer Rahmen für die Bewertung ausländischer Direktinvestitionen von der Europäischen Union geschaffen. Die gegenwärtige Gesundheitskrise, die zu niedrigeren Aktienwerten börsennotierter Unternehmen und allgemein zu geschwächten Unternehmenswerten führt, schürt die Befürchtung, dass ausländische Unternehmen die Kontrolle über EU-Unternehmen "billig" erkaufen könnten.
Vor diesem Hintergrund hat die deutsche Regierung dem Bundestag Änderungen und Verschärfungen der Kontrolle von Investitionen aus Nicht-EU Ländern zur Annahme vorgelegt und Finanzminister Scholz sagte, auch der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) könne zur Beteiligung an Unternehmen zur Abwehr feindlicher Übernahmen genutzt werden. Frankreich hat bereits einen speziellen Investitionsfonds geschaffen. Die Europäische Kommission veröffentlichte Leitlinien zum Schutz kritischer europäischer Vermögenswerte und Technologien und die EU-Wettbewerbskommissarin deutete in einem Interview an, dass EU-Länder Beteiligungen an wichtigen Unternehmen aufbauen könnten.
In Bezug auf Deutschland folgt die Gesetzesvorlage des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) auf die Überprüfung des nationalen Rahmens für die Investitionsprüfung durch das Ministerium und die Verabschiedung des EU-weiten Rahmens für die Investitionsprüfung. Das BMWi hatte im Frühjahr des vergangenen Jahres sein Konzept für eine "Industriestrategie 2030 - Leitlinien für eine deutsche und europäische Industriepolitik" vorgelegt und Anfang des Jahres erste Änderungsentwürfe veröffentlicht.
In Deutschland bilden das Außenwirtschaftsgesetz (AWG) und die Außenwirtschaftsverordnung (AWV) die rechtliche Grundlage für die Kontrolle von Auslandsinvestitionen. Eine solche Überprüfung kann gegebenenfalls zum Verbot oder zur Genehmigung einer bestimmten Transaktion führen, sofern weitere Voraussetzungen und gesetzliche Verpflichtungen erfüllt sind. Das deutsche Außenwirtschaftsrecht ist in den vergangenen Jahren mehrfach reformiert worden.
Die jüngste Änderung ist die Zwölfte Novelle der Außenwirtschaftsverordnung, die am 19. Dezember 2018 verabschiedet wurde und die Beteiligungsschwelle für Erwerbe aus Nicht-EU/EFTA-Ländern von 25 Prozent auf ein Minimum von 10 Prozent senkte: Investitionen in sicherheits- und verteidigungsrelevanten Bereichen müssen nun geprüft werden, wenn diese 10-Prozent-Prüfeintrittsschwelle überschritten wird. Der Entwurf zur Novellierung des Außenwirtschaftsgesetzes soll nun zu spezifischeren Regelungen und möglicherweise zu einer Stärkung der Investitionskontrolle führen.
Darüber hinaus setzen die Änderungsentwürfe die EU-Verordnung zur Schaffung eines Rahmens für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der Union um. Innerhalb der EU bleibt die Kontrolle ausländischer Investitionen eine nationale Angelegenheit. Bis zum Inkrafttreten der EU-Verordnung wurden ausländische Investitionen nicht in allen EU-Mitgliedstaaten geprüft, die nationalen Bewertungskriterien unterscheiden sich stark und berücksichtigen nicht unbedingt die Interessen der anderen EU-Mitgliedstaaten und der EU.
In den letzten Jahren wurde ein Rahmen für die Bewertung von ausländischen Direktinvestitionen in allen Ländern der EU entwickelt und im März 2019 verabschiedet (Verordnung (EU) 2019/452 vom 19. März 2019 (EU Foreign Investment Screening Regulation). Mit dieser Verordnung sollen die Sicherheit oder die öffentliche Ordnung sowie die strategischen Interessen der gesamten Europäischen Union gewahrt werden, indem die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet werden, den Rahmen für die Bewertung und Kontrolle ausländischer Direktinvestitionen in Schlüsselsektoren und im Zusammenhang mit kritischen Infrastrukturen zu schaffen und bei der Durchführung ihrer Prüfung mit anderen EU-Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission zusammenzuarbeiten. Ende März veröffentlichte die Europäische Kommission Leitlinien zum Schutz kritischer europäischer Vermögenswerte und Technologien in der derzeitigen Krise.
Rechtlich unzusammenhängend, aber politisch verbunden sind die Äußerungen von Kommissarin Vestager in einem kürzlich erschienenen Interview mit der Financial Times mit dem Titel "Vestager drängt auf Beteiligungsaufbau, um chinesische Übernahmen zu blockieren". Die Kommissarin betont, dass die EU-Mitgliedstaaten Aktionäre von Unternehmen werden können und dass dies ein Mittel zur Abwehr ausländischer Übernahmen sein kann. Frankreich hat mit der französischen Bank BPIFrance bereits einen Fonds namens Lac d'Argent oder Silver Lake eingerichtet. Deutschland kann nun den Wirtschaftsstabilisierungsfonds nutzen.
In einem breiteren Kontext sind auch die Wiederbelebung der Pläne zur Stärkung der Regeln für die Beschaffung zu sehen sowie die Forderung mehrerer Länder, die Fusionskontrollvorschriften zu lockern und die Schaffung "europäische Champions" zuzulassen.
1.) Entwürfe zur Änderung des deutschen Außenwirtschaftsgesetzes
Die deutschen Änderungsentwürfe zielen darauf ab, dem deutschen Investitionsprüfungsregime ein effizientes Instrument zum Schutz der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit bei kritischen Übernahmen durch Investoren aus Nicht-EU/EFTA-Ländern an die Hand zu geben. Gleichzeitig hält es das BMWi jedoch für wichtig, eine Balance zu finden zwischen dem Schutz der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit einerseits und der Nichtgefährdung der Attraktivität des Investitionsstandortes Deutschland andererseits. Diesem Spagat versucht das BMWi unter Berücksichtigung der folgenden wichtigen Punkte gerecht zu werden.
a) Neue Herangehensweise an die Anforderung "Risikograd"
Nach dem geltenden Rechtsrahmen dürfen Beschränkungen oder Verpflichtungen nur dann auferlegt werden, wenn der Erwerb eine "tatsächliche Gefahr" für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt. Statt einer "tatsächlichen Gefährdung" reicht künftig eine "voraussichtliche Beeinträchtigung" der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit aus. Nach dem Gesetzesentwurf soll diese Anforderung auch nicht auf die Bundesrepublik Deutschland beschränkt sein und Investitionsprüfungen ermöglichen, die die öffentliche Ordnung oder Sicherheit eines anderen EU-Mitgliedstaates oder im Hinblick auf Projekte und Programme von EU-Interesse im Sinne von Artikel 8 der EU-Screening-Verordnung beeinträchtigen.
b) Ausweitung der Sperre des Erwerbsvollzugs vor Genehmigung
Nach der derzeitigen Verwaltungspraxis können Investoren ihren Erwerb abschließen, noch bevor die Untersuchung des Erwerbs abgeschlossen ist. Infolgedessen wird die zuständige Behörde vor Abschluss der Prüfung vor vollendete Tatsachen gestellt, was Sinn und Zweck der Prüfung untergräbt. Der Entwurf versucht, dies zu verhindern, indem er die Aussetzungswirkung bis zum Abschluss der Prüfung - einschließlich einer sektorübergreifenden Prüfung - verlängert.
c) Einrichtung eines nationalen Verbindungsbüros
Neben den Änderungen rein rechtlicher Natur sieht der Entwurf die Einrichtung eines nationalen Verbindungsbüros innerhalb des BMWI als Teil des EU-weiten Kooperationsmechanismus vor. Das Verbindungsbüro soll als deutsches Bindeglied zwischen nationalen und europäischen Stellen dienen, um den EU-weiten Informationsaustausch sicherzustellen.
2.) Weitere geplante Änderungen
In einem zweiten Schritt soll die Außenwirtschaftsverordnung dahingehend geändert werden, welche Technologien "kritisch" sind, so dass bereits eine Beteiligung von nur 10 Prozent eine Meldepflicht und eine mögliche Prüfung auslöst. Zu diesen Technologien werden voraussichtlich künstliche Intelligenz, Robotik, Halbleiter, Biotechnologie und Quantentechnologie gehören.
3.) Fazit
Erklärtes Ziel des Gesetzentwurfs ist es, die deutschen Investitionsprüfungsverfahren effektiver zu gestalten und die Ausübung dieser Kontrolle genauer zu regeln. Ob mit den Änderungen das erste Ziel tatsächlich erreicht wird, ist noch umstritten. Ein Kritikpunkt ist, dass der Wortlaut der Verordnung zu weit gefasst und unklar ist. Andere Beteiligte sind der Ansicht, dass die Vorschriften nicht weit genug gehen. Eine Konsequenz ist sicherlich: Die Zahl der zu prüfenden ausländischen Investitionen wird deutlich zunehmen.
Weitergehende Infos finden Sie auch in unseren englischsprachigen Blogs:
24.02.2020: Strengthening of Investment Controls in Germany
20.12.2019: Germany will increase the screening of foreign investments
21.03.2019: New EU uniform and stricter standards for screening foreign investments
17.10.2018: Germany`s tighter FDI regime and the EU`s path to uniform standards