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    09.04.2019

    Smiley mit Fieberthermometer im Mund": die "WhatsApp-AU"


    WhatsApp hat die Kommunikation vereinfacht und verbildlicht. Für (fast) jede Situation gibt es einen Smiley bzw. einen Emoji. Stellen Sie sich bitte die Smileys und Emojis in folgender Reihenfolge vor: "Winkende Hand", "Nerd Gesicht", "Nichts-Böses-Sehen-Affe", "Gesicht mit Fieberthermometer im Mund", "Gesicht mit Schutzmaske", "Gesicht mit Kopfverband", "Krankenhaus", "Zeichen für Daumen runter", "Tablette", "Spritze", "Bett", "Schlafendes Gesicht" und "Haus mit Garten". Und was bedeutet das? "Hallo Chef, mir geht es sehr schlecht, ich bin krank, ich werde das Bett hüten und mich gesund schlafen. Es ist mir unmöglich zur Arbeit zu kommen, ich werde zu Hause bleiben". So oder so ähnlich könnte dem Arbeitgeber die Krankheit angezeigt werden. Aber wäre auch eine "WhatsApp-Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung" zulässig? "Denkendes Gesicht".

     

    "Winkende Hand" Leserin, "winkende Hand" Leser,

     

    in den letzten Wochen ist in der Presse viel über die online- oder WhatsApp-Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung geschrieben worden. Seit Januar 2019 soll für EUR 9,00 unter "AU-Schein.de" eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beantragt werden können, die zunächst per WhatsApp übermittelt wird. Möglich macht das die Aufhebung des Fernbehandlungsverbots und die Zulässigkeit von ärztlichen Behandlungen oder Beratungen über Kommunikationsmedien ohne persönlichen ärztlichen Kontakt und ohne persönliche Untersuchung online. "Erstauntes Gesicht", "Stirnrunzelndes Gesicht mit offenem Mund".

     

    Die Pflichten des kranken Arbeitnehmers bei der Arbeitsunfähigkeit

     

    Eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit liegt juristisch vor, wenn ein regelwidriger körperlicher oder geistiger Zustand besteht und dadurch die ausgeübte Tätigkeit nicht mehr oder nur unter der Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung ausgeführt werden kann. "Nerd Gesicht".

     

    Zu den Pflichten ("Ermahnendes Gesicht") des Arbeitnehmers bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit gehören die Anzeigepflicht, die Nachweispflicht und die Förderung der Genesung. Unter der Anzeigepflicht nach § 5 Abs. 1 S. 1 EFZG ist die unverzügliche formlose Mitteilung des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber über die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtlichen Dauer zu verstehen. Die Anzeige kann formlos, z.B. telefonisch, per E-Mail oder per WhatsApp erfolgen. Unter der Nachweispflicht ist die Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 EFZG zu verstehen.

     

    Anforderungen an eine wirksame Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

     

    Wenn die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage andauert, haben Arbeitnehmer die gesetzliche Pflicht (§ 5 Abs. 1 S. 2 EFZG) dem Arbeitgeber eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung spätestens am darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen. Die Bescheinigung/das ärztliche Attest ist von einem approbierten Arzt auszustellen. Die AU muss den Namen des Arbeitnehmers, den Beginn und die voraussichtliche Dauer der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit benennen. Ebenfalls muss auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung enthalten sein, wann der Arzt die AU festgestellt hat und ob es sich um eine Erst- oder Folgebescheinigung handelt. Wenn nur eine dieser zwingenden Angaben fehlt, liegt keine ordnungsgemäße Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor. Die ärztliche Diagnose der Krankheit ist bereits aus datenschutzrechtlichen Gründen auf der Bescheinigung für den Arbeitgeber nicht zu nennen.

     

    Erschütterung des Beweiswertes einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

     

    Bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähig ist der Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht befreit. Der Arbeitgeber muss hingegen für die Dauer von bis zu sechs Wochen als Ausnahme vom Grundsatz "Kein Lohn ohne Arbeit" bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit Entgeltfortzahlung leisten (§ 3 Abs. 1 EFZG). "Smiley hat Dollarzeichen in den Augen".

     

    Der Arbeitnehmer ist für die Voraussetzungen dieser Entgeltfortzahlungspflicht und damit für die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit darlegungs- und beweisbelastet. Regelmäßig wird dieser Nachweis über die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erbracht. AU's haben in Deutschland einen sehr hohen Beweiswert. Bei ernsthaften Zweifeln kann der Beweiswert erschüttert werden. Der Beweiswert der AU kann beispielsweise erschüttert werden, wenn die AU ohne Untersuchung bzw. nur nach telefonischer Rücksprache erteilt wurde, bei einer rückwirkenden Datierung einer AU, wenn die Erkrankung durch den Arbeitnehmer angekündigt wird, bei häufigen Krankheiten nach Urlaubsende, vor oder nach dem Wochenende oder Feiertagen oder an Brückentagen oder bei mit einer AU unvereinbaren Freizeitaktivität. Eine Erschütterung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung führt dazu, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit – ohne Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung – beweisen muss.

     

    Die WhatsApp-AU "Erstauntes Gesicht", "Stirnrunzelndes Gesicht mit offenem Mund"

     

    Es ist kein Geheimnis, dass bei einigen Ärzten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen - trotz des hohen Beweiswertes - "sehr leicht" erlangt werden können. Jetzt soll die AU noch einfacher - online - vom Sofa aus beschafft werden können? "Gesicht mit explodierendem Kopf", "knallrotes Gesicht mit fluchenden Symbolen über dem Mund".

     

    Die Nachweispflicht soll – jedenfalls bei Erkältungskrankheiten "Niesendes Gesicht" – vereinfacht werden, in dem z.B. über "AU-Schein.de" ein "Tele-Arzt über WhatsApp" Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erteilt. Der Arbeitnehmer hat über das Online-Portal Fragen zu seinem Gesundheits- bzw. Krankheitszustand zu beantworten und kann eine – maximal 3-tägige – Krankschreibung erhalten. Vor Erteilung der AU werden die Fragen und der Gesundheitszustand angeblich von einem Arzt – das ist Voraussetzung der AU – überprüft. Über WhatsApp erhält der Arbeitnehmer die AU für den Arbeitgeber am selben Tag und zwei Tage später per Post. Die Zulässigkeit und der Beweiswert einer Online-AU stehen letztendlich noch nicht abschließend fest. Jedenfalls gibt es noch keine gerichtliche Entscheidung.

     

    Arbeitgeber, die Zweifel an der Krankheit, an der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit und/oder an der online-Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung haben, können wie bei jeder herkömmlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch den Beweiswert einer Online-AU erschüttern. Der Beweiswert der Online-AU könnten Arbeitgeber jedoch zusätzlich dadurch erheblich erschüttern, dass bei diesem Online-Angebot die Rückdatierung von der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit in der AU von bis zu drei Tagen angeboten wird, obwohl die Rückdatierung von AU nach ständiger Rechtsprechung Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit hervorrufen könnte. Der Beweiswert der Online-AU könnte auch dadurch erschüttert werden, da das Online-Angebot mit einer 100 prozentigen Erfolgswahrscheinlichkeit einer Krankschreibung wirbt. In der Praxis wird auch bei persönlichem Kontakt mit Ärzten häufig und lange krankgeschrieben. Eine 100 prozentige Krankschreibungsquote könnte jedoch gegen die ärztlichen Grundsätze verstoßen.

     

    Ob sich die Online-AU per WhatsApp durchsetzt, bleibt genauso abzuwarten, wie deren Rechtswirksamkeit.

     

    Sie haben Fragen zu diesem Thema? Wenden Sie sich gerne an Dr. Erik Schmid.

     

    Hinweis: Dieser Blog-Beitrag ist bereits im arbeitsrechtlichen Blog von Dr. Erik Schmid im HJR-Verlag erschienen.