Für Verbraucher kann die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen sowie die Reparatur gekaufter Waren zu einem Hindernislauf mit möglicherweise hohen Kosten werden. Defekte Elektronikgeräte verschwinden daher allzu häufig in der Schublade oder enden in der Entsorgung. Hersteller und Händler beklagen dagegen überzogene Gewährleistungsansprüche und Produkthaftungsklagen.
In diesem Umfeld stellt nun ein in der Europäischen Union beschlossenes1 , begrenztes Recht auf Reparatur von bestimmten Konsumgütern ein Novum dar, das noch vom nationalen Gesetzgeber umgesetzt werden muss.
Was dies für die Hersteller der erfassten Produkte bedeutet, beleuchtet der nachfolgende Beitrag.
Im Rahmen ihrer "green deal"-Strategie verfolgt die Europäische Union das Ziel, nachhaltigen Konsum zu fördern und die Wirtschaft kreislauforientiert auszurichten. Hierzu soll die "Reparatur-Richtlinie", auf die sich Europäisches Parlament und Rat am 30. Mai 2024 in erster Lesung geeinigt haben, einen wesentlichen Beitrag leisten. Das Kernstück der Richtlinie bildet das in Art. 5 vorgesehene "Recht auf Reparatur". Hiernach sollen die Hersteller bestimmter Haushalts- und Alltagsprodukte verpflichtet werden, gekaufte Ware auf Verlangen eines Verbrauchers unentgeltlich oder zu einem erschwinglichen Preis zu reparieren. Auf diese Weise soll nicht nur der Ressourcenverbrauch reduziert, sondern auch der Reparaturmarkt angekurbelt werden, wodurch sich die Kommission bis zu 4,8 Mrd. EUR an zusätzlichen Investitionen erhofft. Dabei steht das Reparaturrecht nach der Konzeption des EU-Gesetzgebers in einem komplementären Verhältnis zum bestehenden Kaufgewährleistungsrecht. Die Reparaturverpflichtung soll also nur eingreifen, wenn Gewährleistungsansprüche gegen den Verkäufer nicht (mehr) in Betracht kommen.
Pflichtenadressat ist der Hersteller der Ware, und zwar unabhängig davon, ob er oder ein Dritter das Produkt an den Verbraucher verkauft hat, der die Reparatur verlangt. Die Reparaturpflicht greift damit auch bei Einschaltung eines Zwischenhändlers ein.
Wer als Hersteller anzusehen ist, beantwortet die Richtlinie unter Bezugnahme auf die künftige Ökodesign-Verordnung, mit der der Gesetzgeber Anforderungen an die Verwendung nachhaltiger Stoffe sowie an die Reparierbarkeit von Produkten aufstellt2 . Maßgeblich ist hiernach, wer das Produkt entwickelt oder hat herstellen lassen und es unter eigenem Namen oder eigener Marke vermarktet. Vor diesem Hintergrund zeichnen sich erste Zweifelsfragen ab, die in Zukunft auch die Gerichte beschäftigen dürften. So schweigt der Rechtsakt etwa dazu, wer bei einem aus mehreren Produktkomponenten zusammengesetzten Endprodukt als Hersteller anzusehen ist.
In sachlicher Hinsicht beschränkt sich die Reparaturpflicht auf folgende Produktgruppen, für die in gesonderten Rechtsakten Anforderungen an die Reparierbarkeit aufgestellt werden:
Besteht eine Reparaturverpflichtung, ist diese innerhalb eines "angemessenen Zeitraums" durchzuführen. Dabei bleibt es dem Hersteller überlassen, ob er die Reparatur selbst vornimmt oder einen Reparaturbetrieb beauftragt. In beiden Fällen können die Reparaturkosten dem Käufer in "angemessenem" Umfang in Rechnung gestellt werden. Aus den Erwägungsgründen der Richtlinie ergibt sich insoweit, dass zu Abschreckungszwecken erhöhte Preise als unangemessen anzusehen sein sollen.
Um sicherzustellen, dass Verbraucher nicht von der Wahrnehmung ihrer Reparaturrechte abgehalten werden, untersagt Art. 5 Abs. 6 der Richtlinie zudem die Verwendung limitierender Vertragsklauseln sowie den Einsatz von Hardware- oder Softwaretechniken, durch welche die Reparierbarkeit eingeschränkt würde. Hersteller dürfen insbesondere die Verwendung von Ersatzteilen durch unabhängige Reparaturbetriebe nicht behindern. Eine Ausnahme von dieser Maßgabe soll im Hinblick auf legitime Herstellerinteressen gelten, wobei etwa der Schutz des geistigen Eigentums Einschränkungen rechtfertigen können soll.
Einen Ausschluss der Reparaturpflicht sieht die Richtlinie nur dann vor, wenn die Reparatur technisch unmöglich ist. Allein aus wirtschaftlichen Gründen, z.B. wegen der hohen Kosten von Ersatzteilen, sollen Hersteller die Reparatur nach Erwägungsgrund (24) nicht ablehnen dürfen. Kommt eine Reparatur nicht in Betracht, soll der Hersteller berechtigt sein, dem Verbraucher ein repariertes Ersatzprodukt anzubieten.
Die Reparaturverpflichtung der Hersteller wird von Informationspflichten flankiert. So werden Hersteller künftig für die gesamte Dauer ihrer Reparaturverpflichtung kostenlose Informationen über ihre Reparaturdienstleistungen bereitzustellen haben. Den jeweiligen Reparaturbetrieben soll es zudem freigestellt werden, das "Europäische Formular für Reparaturinformationen" zu nutzen, das die für die Reparaturentscheidung relevanten Informationen in standardisierter Form zusammenfassen soll. Darüber hinaus soll die Europäische-Kommission eine "Europäische Online-Plattform für Reparaturen" entwickeln, über die Verbraucher passende Reparaturbetriebe und Gebrauchtwarenverkäufer unkompliziert ausfindig machen können sollen.
Auch in Gewährleistungsfällen, die in den Verantwortungsbereich der Verkäufer fallen, soll die Reparatur mangelhafter Ware nach dem Willen des EU-Gesetzgebers attraktiver werden. Zu diesem Zweck soll sich der kaufrechtliche Gewährleistungszeitraum künftig einmalig um zwölf Monate verlängern, wenn ein Kaufgegenstand durch Nachbesserung in den vertragsgemäßen Zustand versetzt worden ist. Auf diese Weise werde, so die Begründung des Richtliniengebers, für Verbraucher ein Anreiz geschaffen, das eingeräumte Wahlrecht zwischen Ersatzlieferung und Nachbesserung zugunsten der Nachbesserung auszuüben.
Den EU-Mitgliedstaaten bleibt bis Mitte 2026 Zeit, um die Richtlinienvorgaben in nationales Recht umzusetzen. Diesen Zeitraum sollten Hersteller nutzen, um zu prüfen, ob ihre Produkte von der Reparaturverpflichtung umfasst sind. Dabei wird man vielfach nicht um eine detaillierte Auseinandersetzung mit den EU-Verordnungen umhinkommen, auf die die Richtlinie zur näheren Umschreibung der erfassten Produktgruppen verweist. Herstellern, die ihren Reparaturverpflichtungen nicht nachkommen, drohen empfindliche Sanktionen. Die aus der Richtlinie erwachsenden Verpflichtungen sollen zudem klageweise durch Verbraucherverbände durchgesetzt werden können. Mit Blick auf die zukünftige Entwicklung gilt es zu beachten, dass die Europäische Kommission zur Erweiterung des Produktkatalogs ermächtigt wird. Künftige Aktivitäten der Kommission sind vor diesem Hintergrund genaustens zu beobachten. Zudem gilt es zu beachten, dass die Reparatur-Richtlinie nicht die einzige Quelle für künftige Herstellerpflichten bleiben wird. Insbesondere die erweiterten Anforderungen an nachhaltiges Produktdesign, die mit der Ökodesign-Verordnung eingeführt werden, werden für die Beteiligten der Lieferkette mit zusätzlichen Belastungen einhergehen. Diesem Themenkomplex werden wir uns in Kürze in einem eigenen Blog-Beitrag widmen.
Prof. Dr. Rainer Bierwagen
Angelika Kapfer
Simone Schmatz