Für anspruchsvolle Architektenleistungen werden regelmäßig Wettbewerbe ausgelobt. Es kommt vor, dass mehrere Entwürfe überzeugen und mehrere (erste) Preisträger bestimmt werden, mit welchen dann in Verhandlungen eingetreten wird und die dann Gelegenheit haben, ihre Entwürfe zu überarbeiten. Die VK Südbayern hat in einer aktuellen Entscheidung (21.01.2019 – Z3-3194-1-39-11/18) die damit verbundenen Problemfelder beleuchtet, insbesondere den Übergang vom Wettbewerb nach RPW 2013 in ein Verhandlungsverfahren nach VgV. Die Entscheidung behandelt daneben erstmals das bei Bestandsbauten wichtige Thema des Umgangs mit Urheberrechtsinhabern, klärt vergaberechtliche Entscheidungszuständigkeiten bei kommunalen Eigengesellschaften und Dokumentationsanforderungen und ist deshalb für die Praxis von hohem Interesse.
Ausgeschrieben ist die „Generalsanierung“ eines städtischen Kulturzentrums. Dafür wurde im Dezember 2017 ein Nichtoffener Realisierungswettbewerb ausgelobt. Das den Vergabeunterlagen beiliegende umfassende Nutzerbedarfsprogramm wurde mit Unterstützung eines Architekturbüros erarbeitet. Auf Rückfragen der Wettbewerbsteilnehmer teilte die Ausloberin und Betreiberin des Kulturzentrums, eine 100-prozentige städtische GmbH, u. a. mit, dass es zum Umgang mit dem Bestand, insbesondere mit der bisherigen Bestandsfassade (Ziegelfassade) keine einschränkenden Vorgaben gebe. Das Preisgericht entschied, drei Wettbewerbsentwürfe gleichrangig auf Rang eins zu setzen. Die Ausloberin forderte diese drei Preisträger zur Teilnahme am Verhandlungsverfahren und zur Überarbeitung ihrer Entwürfe unter Beachtung der seitens der Fachberater und des Preisgerichts geäußerten Kritikpunkte auf. Die fachliche Bewertung der Angebote sollte durch die Ausloberin als Vergabestelle mit Unterstützung eines Bewertungsgremiums erfolgen, dem Fach- und Sachpreisrichter aus dem Preisgericht angehören sollten. Der Vertrag werde geschlossen unter „Vorbehalt der Zustimmung“ ihres Aufsichtsrats und des Stadtrats. Zuschlagskriterien waren zu 40 Prozent das Ergebnis des (abgeschlossenen) Wettbewerbs, zu 40 Prozent das „Ergebnis der Überarbeitung des Wettbewerbs“, das anhand der Unterkriterien „städtebauliche Einbindung, Umgang mit dem Bestand, Gestalt, Qualität der Innen- und Außenräume, innere und äußere Erschließung, Funktionalität sowie Wirtschaftlichkeit und Realisierbarkeit“ bewertet werden sollte, sowie Organisation, Qualifikation und Erfahren des eingesetzten Personals (Gewichtung 15 Prozent) und schließlich das Honorar (Gewichtung 5 Prozent). Nach der Überarbeitung der Entwürfe und Einreichung der Angebote reichte einer der ursprünglichen Architekten des Kulturzentrums eine „Denkschrift“ bei der Ausloberin ein, in der er sich nachdrücklich gegen zwei der drei überarbeiteten Entwürfe wandte, die ihm die Ausloberin schon vor der Bewertung gezeigt hatte, und ankündigte, er werde diesen Entwürfen ganz sicher nicht zustimmen, weil sie u. a. die prägende Ziegel-Bestandsfassade veränderten. Der Stadtrat entschied sich für den einzigen nicht beanstandeten Entwurf, der im Übrigen von demjenigen Architekturbüro stammt, das das Nutzerbedarfsprogramm erstellt hat. Dies rügte u. a. der zweitplatzierte Bieter, dessen Entwurf eine Metallfassade und umfassende Veränderungen des Bestandsbaus vorsieht.
Die VK Südbayern gab dem Nachprüfungsantrag statt mit der tragenden Begründung, dass das Unterkriterium „Umgang mit dem Bestand“ nicht eindeutig bestimmt war und zudem die Bewertung des Entwurfs fehlerhaft war. Insoweit bewegt sich die Entscheidung im geklärten vergaberechtlichen Rahmen. Von hohem Interesse ist sie, weil sie grundsätzliche Themen der Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen näher beleuchtet und Schwerpunktsetzungen vornimmt:
Die Intervention des Urheberrechtsinhabers mittels einer „Denkschrift“ warf zunächst die Frage auf, ob die in § 121 Abs. 1, 3 GWB und § 31 Abs. 1 VgV für ein Vergabeverfahren vorausgesetzte Vergabereife nachträglich entfallen war. Da die Generalsanierung unter einem hohem Zeitdruck steht, kam für den Zuschlag faktisch nur noch der vom Urheberrechtsinhaber favorisierte Entwurf in Betracht. Die Vergabekammer lässt das nicht genügen, weil es hier um die reine Umbauplanung geht und in der Beauftragung dieser Planung noch kein Eingriff in das Urheberrecht liege. Da der Planervertrag eine stufenweise Beauftragung vorsah und zunächst auf der ersten Stufe nur die Leistungsphasen 1 und 2 der HOAI beauftragt werden sollten, lag mangels faktischer Auswirkung auf das bestehende Gebäude nach Auffassung der Vergabekammer noch kein Eingriff in das Urheberrecht vor. Die Ausloberin habe eine nähere Abstimmung mit dem Urheberrechtsheber weder treffen können, noch müssen. Einen – letztlich nicht entscheidungserheblichen – Verstoß gegen § 5 VgV (Pflicht zur Wahrung der Vertraulichkeit) sieht die Vergabekammer aber darin, dass dem Urheberrechtsinhaber die überarbeiteten Entwürfe gezeigt worden waren. Ausreichend war für die Vergabekammer sodann im Ergebnis, dass der Auftraggeber nach Eingang der „Denkschrift“ ein Rechtsgutachten zu den urheberrechtlichen Fragen beauftragt hatte und seine Prognose, dass sich diese Fragen im weiteren Projektverlauf beherrschen ließen, zwar in der Begründung nicht fehlerfrei war, aber noch vertretbar erschien.
Bei der Angebotswertung billigte die Vergabekammer, dass der Stadtrat – anders als in den Vergabeunterlagen den Bietern angekündigt – die Entscheidung an sich gezogen hatte. Aufgrund der großen politischen Bedeutung des Vorhabens mussten die Bieter nach Ansicht der Vergabekammer damit rechnen. Zudem habe sich die Situation nicht gegenüber dem kommunizierten doppelten Gremienvorbehalt verschlechtert.
Zum Verhängnis wurde dem Auftraggeber sodann, dass er das Unterkriterium „Umgang mit dem Bestand“ unklar gefasst und durch Antworten auf Bieterfragen weiter verunklart hatte. Gerade wenn Lösungsvorschläge zu erarbeiten sind, müsse den Bietern in einer Gesamtschau der Vergabeunterlagen klar gemacht werden, was der Auftraggeber eigentlich erwartet. Der Grundsatz der Gleichbehandlung verlange nämlich, dass die Bieter bei der Abfassung der Angebote die gleichen Chancen haben müssen, was „bestimmbare Wertungskriterien und einen transparenten Bewertungsmaßstab voraussetzt, der einen konsistenten Bezug zu den Leistungsanforderungen des Auftraggebers herstellt“, so die Vergabekammer. Beim Kriterium „Umgang mit dem Bestand“ sei schon nach den Vergabeunterlagen „völlig offen [gewesen], welche Anforderungen, Eigenschaften oder Funktionalitäten im Einzelnen in diesem Unterkriterium gewertet werden, was hier im Einzelnen in welcher Form positiv oder negativ bewertet wird und auf welche Weise eine vergleichende Beurteilung der Bieter im Wettbewerb erfolgt“. Durch Beantwortung der Bieterfragen wurde das Unterkriterium weiter ausgehöhlt, weil die prägenden Merkmale des Bestandsbaus – darunter die Ziegelfassade – als
nicht bindend herausgestellt wurden. Das wirkte sich hier auch im Ergebnis aus, weil aus der Dokumentation der Bewertung die maßgeblichen inhaltlichen Unterschiede zwischen den Angeboten nicht transparent wurden. Es wurde nicht einmal klar, dass die einzelnen Unterkriterien separat bewertet und wie sie tatsächlich bewertet worden waren. Die Bewertung war überdies im Quervergleich inkonsistent, weil gleiche Umstände unterschiedlich bewertet worden waren. Darüber hinaus hatte die Ausloberin enge Sitzplätze in einem Saal bemängelt, obwohl die in den Antworten auf die Bieterfragen vorgegebenen Maße genau eingehalten waren. Die Ausloberin hatte hier ihren Beurteilungsspielraum insgesamt überschritten, da die Wertungen nicht nachvollziehbar, nicht konsistent und teilweise auch schlicht falsch waren. Angesichts der nicht nachvollziehbaren Wertungsentscheidung und einer Vielzahl an konkreten Beurteilungsfehlern konnte die Vergabekammer letztlich nicht ausschließen, dass die „Denkschrift“ der Urheberrechtsinhaber nicht doch „unterschwellig“ berücksichtigt worden war.
Im Ergebnis hielt es die Vergabekammer aufgrund der mangelhaften intransparenten Wertungskriterien für nicht ausreichend, die Ausloberin zur Wiederholung der Bewertung zu verpflichten, vielmehr war die Zurückversetzung in die Phase vor Erstellung der Vergabeunterlagen für das Verhandlungsverfahren nach VgV die einzige Möglichkeit, das Verfahren bei fortbestehender Beschaffungsabsicht vergaberechtskonform zu Ende zu bringen.
Auch aus der Ausschreibung von Architektenleistungen muss klar hervorgehen, worauf es dem Auftraggeber ankommt. Der Bieter muss wissen, was der Auftraggeber wünscht, und hinreichende Anhaltspunkte dafür haben, wofür er mit einer positiven oder negativen Bewertung rechnen kann. Die Zuschlagskriterien und Unterkriterien müssen trennscharf und prüffähig gefasst sein und einen erkennbaren Bezug zu den inhaltlichen Anforderungen aufweisen. Das zentrale Vergabedokument ist daher auch bei derartigen Ausschreibungen die Leistungsbeschreibung, zu der alle anderen Vorgaben konsistent sein müssen. Die Einbindung von Urheberrechtsinhabern muss damit koordiniert werden, um die Ausschreibungsreife und einen reibungslosen Projektverlauf sicherzustellen.
Ganz wesentlich für die Rechtssicherheit der Vergabe ist sodann die Dokumentation der Vergabeentscheidung. Insbesondere muss darauf geachtet werden, dass die Bewertung nachvollziehbar und auch im Quervergleich konsistent ist.
In personeller Hinsicht können Bieter jedenfalls bei bedeutsamen Vergaben nicht darauf vertrauen, dass über Architektenvergaben am Ende fachlich kompetente Fachplaner und erfahrene Architekten befinden. Sie müssen insbesondere bei kommunalen Eigengesellschaften damit rechnen, dass die politische Ebene des Stadt- oder Gemeinderats eine Entscheidung an sich zieht. Ob eine solche Entscheidung mit Erfolg angreifbar ist, entscheidet sich fast immer anhand der Qualität der Vergabeunterlagen und der Dokumentation. Beides hat der Auftraggeber in der Hand. Er trägt damit aber auch das Risiko von Fehlern.
Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben, wenden Sie sich gerne an Katrin Lüdtke und Dr. Stephen Lampert.