Kartellrecht gilt auch in Krisensituationen. Aber: Das Kartellrecht gibt Unternehmen die notwendige Flexibilität, um auf die Herausforderungen der Corona-Krise zu reagieren. Eine solche Reaktion sind bilaterale Vereinbarungen mit Lieferanten und Händlern.
Die Corona-Krise lässt den Gesetzgeber und Sicherheitsbehörden in das Marktgeschehen eingreifen. Deren Maßnahmen können wettbewerbliche Handlungsspielräume von Unternehmen beschränken oder ganz ausschließen. Wem als Hersteller per Gesetz oder sicherheitsbehördlicher Anordnung verboten ist, seine Waren außerhalb Deutschlands anzubieten, der verfügt insoweit über keinen wettbewerblichen Handlungsspielraum mehr. Entsprechende vertragliche Beschränkungen, die ein solcher Hersteller seinen Händlern auferlegt, sind deklaratorischer Natur, deshalb nicht geeignet, den Wettbewerb auf der Handelsebene zu beschränken und somit kartellrechtlich unbedenklich.
Krisenbedingte Einschränkungen, die Hersteller ihren Lieferanten oder Händlern auferlegen, können auch ohne gesetzliche oder sicherheitsbehördliche Anordnung kartellrechtlich freigestellt sein. Die Gewährleistung von Versorgungssicherheit kann exklusive Liefer- und Bezugsverpflichtungen rechtfertigen. Temporäre Gebietsexklusivitäten zugunsten eines Abnehmers sind denkbar, soweit sie für die Erschließung oder die Sicherstellung der fortdauernden Belieferung eines Marktes erforderlich sind. Die kartellrechtliche Herausforderung besteht darin, Einschränkungen der wettbewerblichen Handlungsfreiheit von Lieferanten und Händlern auf jenes sachliche und zeitliche Maß zu beschränken, das für die Gewährleistung von Versorgungssicherheit oder die Erschließung eines Marktes erforderlich ist.
Dagegen gilt das Preisbindungsverbot auch in Krisenzeiten unverändert. Wer etwa Preise für krisenbedingt knappe Güter auf nachgelagerten Marktstufen fixiert, indem er seinen Händlern Fix- oder Mindestwiederverkaufspreise vorgibt, verletzt das Preisbindungsverbot. Kartellbehörden haben bereits angekündigt, Preissteigerungen bei krisenbedingt knappen Gütern zu untersuchen. In solchen Fällen drohen hohe Bußgelder. Unverändert zulässig sind dagegen Höchstpreisbindungen, die eine Preissetzung der Händler nach oben begrenzen. Auf diese Weise können also krisenbedingte Verkaufsförderaktionen umgesetzt werden.
Da die Corona-Krise das Kartellrecht nicht außer Kraft setzt, gilt auch für krisenbedingte Maßnahmen gegenüber Lieferanten und Händlern: Prüfen und dokumentieren Sie deren kartellrechtliche Zulässigkeit in einer Selbstveranlagung!