Die Mitglieder des Europäischen Rates (d. h. Präsidenten und Premierminister) haben sich in Brüssel nach langen Beratungen auf den langfristigen Haushalt der Europäischen Union für die Jahre 2021 – 2027 und einen Konjunkturbelebungsplan für die Wirtschaft in den am meisten von der Pandemie betroffenen Regionen und Wirtschaftsbereichen geeinigt. Der Zusammenhalt und die Zukunft der Europäischen Union standen auf dem Prüfstand und haben es ausgehalten.
Unter der Bezeichnung „Next Generation EU“ wird die EU selbst zum ersten Mal Geld aufnehmen, und zwar EUR 750 Milliarden. Diese werden verschiedenen Programmen zugeteilt. Der größte Teil entfällt auf den Wiederaufbauplan. Die Finanzmittel werden zum Teil aus nicht zurückzuzahlenden Zuschüssen bestehen, ansonsten aus Krediten und Bürgschaften.
Diese erstmalige Geldaufnahme der EU wird zeitlich begrenzt und kommt zum normalen langfristigen Haushalt für die Jahre 2021 – 2027 hinzu. Der langfristige Haushalt wird ein Volumen von EUR 1'074,3 Milliarden in konstanten Preisen von 2018 haben. Die Verteilung der Mittel blieb bis zuletzt sehr umstritten.
Worum geht es konkret? Zum einen um die Größe, den Inhalt und die Finanzierung des der Europäischen Union zugestandenen Haushalts. Zum anderen um die gegenseitige Hilfe für den Wiederaufbau der von der Pandemie am stärksten betroffenen Regionen und Wirtschaftsbereiche. Und zum Dritten geht es um Investitionen in die Zukunft. Alle Fragen sind miteinander verbunden und setzen grundlegende politische Entscheidungen voraus. Bezüglich des Wiederaufbauplans geht es nicht nur um dessen Höhe und geographische Verteilung, sondern um die Fragen, ob und wieviel Geld als Zuschuss gegeben oder nur verliehen oder dafür gebürgt wird, und - ebenso wichtig - welche Bedingungen und Kontrollen vereinbart werden. Bezüglich des mehrjährigen Finanzrahmens geht es um die der EU zugestandenen Finanzmittel und deren Wachstum, trotz Ausscheidens von Großbritannien, und die Verteilung der Mittel auf die der EU gestellten Aufgaben. Schließlich sollen Gesellschaft und Wirtschaft nachhaltiger aufgestellt werden, was bei allen Plänen und Ausgaben zu berücksichtigen ist.
Die Sitzungen wurden vom Präsidenten des Europäischen Rates geleitet und vorbereitet, in diesem Fall zum ersten Mal von dem Belgier Charles Michel, der den Vorsitz für einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren hat. Die Sitzungen waren die bisher längsten Sitzungen des Europäischen Rates, was angesichts der politischen Weichenstellungen und den unterschiedlichen Interessen der Länder sowie deren Politiker nicht erstaunen sollte.
Unter dem Titel „Next Generation EU“ werden mehrere Programme zusammengefasst. Das größte Programm beinhaltet die Unterstützung der Mitgliedstaaten bei Investitionen, Reformen, dem Wiederaufbau und der Krisenbewältigung. Den zweiten Punkt stellen das Ankurbeln der Europäischen Wirtschaft und die Belebung der privaten Investitionsfähigkeit dar, mit einem neuen Solvenzhilfeinstrument. Schließlich sollen strategische Herausforderungen Europas bewältigt werden, mit drei Schwerpunkten: einem neuen Gesundheitsprogramm „EU4Health", Katastrophenschutz der Union „rescEU“ und „Horizont Europa“.[1]
Dazu zählen, mit den jetzt vereinbarten Beträgen,
• Recovery and Resilience Facility (RRF) EUR 672,5 Milliarden
• ReactEU: EUR 47,5 Milliarden
• Horizon Europe: EUR 5 Milliarden
• InvestEU: EUR 5,6 Milliarden
• Ländliche Entwicklung Rural Development: EUR 7,5 Milliarden
• Just Transition Fund (JTF): EUR 10 Milliarden
• RescEU: EUR 1,9 Milliarden.
Von besonderer Bedeutung ist der Wiederaufbaufonds.
Der Präsident des Europäischen Rates, der Belgier Charles Michel, schlug am 10. Juli 2020 folgende Eckpunkte vor:
Die Kommission hatte ihrerseits bereits Vorschläge gemacht, und das Europäische Parlament[2] hatte verlangt, dass die Mitgliedstaaten der EU mehr Mittel zur Verfügung stellen, um den gegenwärtigen Herausforderungen gerecht zu werden und die EU für die Zukunft auszurichten.
Die Staats- und Regierungschefs einigten sich auf ein Volumen von EUR 672,5 Milliarden, wovon EUR 360 Milliarden als Darlehen und EUR 312,5 als nichtrückzahlbare Zuschüsse gegeben werden. Die Verteilung der Mittel folgt weitgehend dem Vorschlag der Kommission.
Der langfristige EU-Haushalt, Mehrjähriger Finanzrahmen (MFR oder MFF für Multiannual Financial Framework), legt fest, wie viel Geld die EU über einen bestimmten Zeitraum in verschiedenen Politikbereichen investieren kann. Die Europäische Kommission legte ihren Vorschlag für den EU-Haushalt der Jahre 2021 – 2027 im Mai 2018 und im Mai 2020 in überarbeiteter Fassung vor. Der zukünftige EU-Haushalt 2021 – 2027 der EU-Kommission sieht unter anderem vor, den Finanzrahmen zu modernisieren und ihn stärker an die Prioritäten der EU sowie an neue gemeinsame Herausforderungen anzupassen. Alle Kernthemen - wie Migration, Klimaschutz, digitale Innovation und Forschung - sind politisch brisante Themen.[3]
Das ursprüngliche Ziel, bis Ende 2019 eine Einigung über den EU-Haushalt 2021 – 2027 zu erzielen, wurde nicht erreicht. Dazu trugen Meinungsverschiedenheiten über den Gesamtumfang des Budgets und der Brexit bei. Die Haushaltsberatungen sind traditionell sehr konfliktreich, mit unterschiedlichen Koalitionen, größtenteils abhängig von dem jeweiligen Thema.
Ein besonders strittiger Punkt ist die vorübergehende Anhebung der Eigenmittelobergrenze von 1,4 Prozent auf 2 Prozent des Bruttonationaleinkommens der EU. Die Mitgliedstaaten tragen je nach ihrem Bruttonationaleinkommen unterschiedlich viel zum Haushalt der Union bei. Dieser Beitrag, zuzüglich der Mehrwertsteuer, macht etwa drei Viertel der EU Einnahmen aus. Andere Einnahmequellen sind Geldbußen, die sich aus Wettbewerbsrechtsverstößen von Unternehmen ergeben, sowie Zölle auf Einfuhren von außerhalb der EU.
Präsident Charles Michel hatte zwei Vorschläge vorgelegt. Zuletzt schlug er vor:
Die Staats- und Regierungschefs einigten sich auf einen ähnlichen wie den vorgeschlagenen Betrag. Jedoch kommt es zu Umschichtungen zwischen den für die Politikbereiche vorgesehenen Beträgen.
Die Ausgaben sollen mit dem EU-Ziel der Klimaneutralität bis 2050, den Klimazielen der EU für 2030 und dem Übereinkommen von Paris im Einklang stehen.
Schließlich sollen die Ausgaben davon abhängen, dass rechtsstaatliche und europäische Werte respektiert werden.
Für die EU-Haushaltspläne sind die Einstimmigkeit im Rat und die Zustimmung des Parlaments erforderlich. Die Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament sollten sich so schnell wie möglich auf den Wiederaufbauplan einigen, damit dieser umgesetzt werden kann. Dasselbe gilt für den MFR, der zumindest vor Ende des Jahres verabschiedet werden sollte. Ist der Haushaltsplan zu Beginn des neuen Jahres noch nicht erlassen, darf monatlich nur ein Zwölftel der im Haushaltsplan des Vorjahres ausgewiesenen Mittel ausgegeben werden (Zwölftel Regel).
[1] edic-md.eu/next-generation-eu/.
[2] Siehe etwa die Rede des Präsidenten Sassoli sowie die Presseinformationen des Parlamentes, Debatte über EU-Haushalt und Aufbauplan: „Einigung im Rat nicht das letzte Wort".
[3] www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/europa/wisofin/finanzrahmen/mehrjaehriger-finanzrahmen/210030 .