Üblicherweise finden sich Genossenschaften im Bereich des Finanzwesens, des Wohnungsbaus oder der Landwirtschaft. Seit neuestem interessieren sich aber auch Fußballvereine für Genossenschaften. In diesem Jahr wollen der FC Schalke 04 und der FC St. Pauli mit Genossenschaften aktiv werden. Gleichzeitig ist mit Beginn des Jahres eine Reform des Genossenschaftsgesetzes in Kraft getreten und die Vereinten Nationen haben für 2025 das Jahr der Genossenschaften ausgerufen.
Dies ist der zweite Beitrag einer Reihe von Blogbeiträgen zum Thema Fußball und Recht. Ausgehend von den aktuellen Entwicklungen befasst sich die zweite Folge mit der Frage, warum Fußballvereine Genossenschaften gründen.
Eine Genossenschaft ist eine Gesellschaft, deren Zweck darauf gerichtet ist, die wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Belange ihrer Mitglieder durch einen gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern. Im Gegensatz zu anderen Gesellschaftsformen – wie der GmbH oder der AG –, bei denen die Gewinnerzielung im Vordergrund steht, stehen bei Genossenschaften die Genossenschaftsmitglieder und deren Unterstützung im Fokus. Kennzeichnend für Genossenschaften ist das sog. Identitätsprinzip, welches besagt, dass die Mitglieder gleichzeitig Mitträger der genossenschaftlichen Willensbildung, Geldgeber durch Einzahlung auf die Geschäftsanteile sowie Geschäftspartner der Genossenschaft sind. Eine Genossenschaft darf Gewinne erzielen, muss einen Gewinn aber in Förderleistungen (und nicht nur in Geld) zugunsten ihrer Mitglieder umsetzen. Weiterhin wird die Genossenschaft als besonders demokratisch beschrieben, denn jedes Mitglied hat im Grundsatz eine Stimme, und zwar unabhängig davon, wie viele Genossenschaftsanteile es gezeichnet hat. Eine persönliche Haftung der Genossenschaftsmitglieder besteht nicht.
Während die Rolle von Genossenschaften etwa als Banken (Versorgung ihrer Mitglieder mit Bankleistungen) oder im Wohnungsbau (Versorgung ihrer Mitglieder mit Wohnraum) in Deutschland Tradition hat, ist das Interesse von Fußballvereinen für diese Rechtsform neu. Im Falle des FC Schalke 04 und des FC St. Pauli wollen die Vereine mit der Gründung der Genossenschaft ihre Finanzierung sicherstellen, indem sie Genossenschaftsanteile gegen die Zahlung eines Geldbetrags ausgeben und insgesamt zweistellige Millionenbeträge einnehmen. Die Finanzierung über die Ausgabe von Genossenschaftsanteilen soll das Eigenkapital stärken, ohne dass die Vereine Geld von fremden Investoren aufnehmen müssen. Die Erwerber der Genossenschaftsanteile erhalten mit dem Genossenschaftsanteil Mitspracherechte in der Genossenschaft und eine Gewinnbeteiligung. Tatsächlich sollen beide Vereine nach ihren eigenen Angaben jeweils bereits über 10.000 Genossenschaftsanteile ausgegeben und mehrere Millionen vereinnahmt haben (vgl. Berichte der FAZ und der Sportschau).
Bei beiden Fußballvereinen sollen die neuen Genossenschaften ihre jeweiligen Stadien betreiben. Für die Lizenzspielerabteilungen eignet sich die Rechtsform der Genossenschaft nämlich nicht. Diese unterliegen der sog. 50+1 Regel der DFB-Satzung. Danach muss der Mutterverein mindestens 50% der Stimmrechte zuzüglich eines weiteren Stimmanteils innehaben. Die (umstrittene) Regel verdient einen eigenen Blogbeitrag und soll verhindern, dass Investoren die vollständige Kontrolle über die Vereinsmannschaften erhalten können. Die Einhaltung der 50+1 Regel ist mit der Form einer Genossenschaft nicht möglich, weil bei einer Genossenschaft jedes Mitglied grundsätzlich eine Stimme hat. Mehrstimmrechte sind zwar möglich, unterliegen aber engen Grenzen.
Das Interesse der Fußballvereine an Genossenschaften trifft dabei mit einer Reform des Genossenschaftsgesetzes zusammen, die zum 1. Januar 2025 in Kraft getreten ist. Ziel der Reform war es gerade, die Attraktivität dieser Rechtsform zu steigern. Insbesondere kommt es den Genossenschaftsprojekten auf Schalke und in St. Pauli unmittelbar zugute, dass mit der Reform das Schriftformerfordernis entfällt. Bislang konnte die Mitgliedschaft in einer Genossenschaft nur durch eine schriftliche Beitrittserklärung erworben werden. Eine eigenhändige Unterschrift auf Papier hielt der Gesetzgeber für nicht mehr zeitgemäß. Seit Anfang Januar ist eine Beitrittserklärung in Textform ausreichend, sodass eine Mitgliedschaft seit neuestem auch online erworben werden kann. Es ist daher ein rein digitaler Vertrieb der Genossenschaftsanteile möglich.
Die Gründung von (Förder-) Genossenschaften als Finanzierungsvehikel ist eine Form der Schwarmfinanzierung (Crowdfunding). Diese Idee ist nicht auf den Fußball beschränkt. Voraussetzung ist aber – neben der Einhaltung der genossenschaftlichen Besonderheiten – eine große Reichweite. Letztere bringen mitgliederstarke Fußballvereine bereits mit. Große Vereine gibt es aber auch außerhalb des Sports, für die diese Form der Finanzierung praktikabel sein könnte.
Philipp Sahm
Chiara-Lucia Peterhammer