Ihre
Suche

    11.11.2020

    Fristlose Kündigung wegen privater Internetnutzung


    Die private Nutzung des dienstlichen E-Mail-Accounts sowie die private Nutzung des dienstlichen Internetzugangs trotz arbeitsvertraglich vereinbarten Verbots kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Ein Beweisverwertungsverbot scheidet aus, wenn sich der Arbeitgeber bei der Datenverwertung, z.B. Auswertung der Verlaufsdaten, datenschutzkonform verhalten hat.

     

    Sachverhalt

     

    Ein IT-Dienstleister kündigte das Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer fristlos. Grund war ein Arbeitszeitbetrug. Der Mitarbeiter hatte für die Ausübung seiner Tätigkeit einen Laptop erhalten. Der Arbeitnehmer nutze während der Arbeitszeit den dienstlichen E-Mail-Account sowie die Internetnutzung sehr extensiv für private Zwecke. Die Parteien hatten neben dem Arbeitsvertrag eine gesonderte Vereinbarung abgeschlossen. Danach war es dem Arbeitnehmer untersagt, das Internet sowie den dienstlichen E-Mail-Account für private Zwecke zu nutzen. Weiterhin war vereinbart, dass der Arbeitgeber zur Überprüfung dieses Verbots den Laptop sowie die Daten auswerten durfte. Der Arbeitnehmer schrieb von seinem Dienstlaptop an einem Tag sehr viele private E-Mails und nutzte übermäßig lang das Internet privat. Als der Arbeitgeber hiervon Kenntnis erhielt, kündigte er fristlos und ließ den Laptop auswerten. Hierbei wurden erhebliche Verstöße gegen das Verbot der Privatnutzung festgestellt, sodass an einzelnen Tagen so gut wie keine Arbeit erbracht wurde. Gegen die Kündigung ging der Arbeitnehmer vor.

     

    Die Entscheidung

     

    Das LAG Köln urteilte, dass die Kündigung wirksam sei. Es stellte fest, dass ein Arbeitszeitbetrug vorlag, da der Arbeitnehmer die E-Mails und Internetseiten während der Arbeitszeit allein zu privaten Zwecken versandte bzw. aufrief. Diese Pflichtverletzung war wegen der erheblichen privaten Nutzung und des vertraglichen Verbots der privaten Nutzung noch gravierender. Außerdem machte das LAG wichtige Ausführungen zu einem Beweisverwertungsverbot. Es kann vorliegen, wenn die Erhebung oder die Verwendung von Daten massiv das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers verletzt. Nicht jeder Eingriff in das Persönlichkeitsrecht führt zu einem Beweisverwertungsverbot. Das LAG prüfte, ob ein solches vorlag und wog die gegenseitigen Interessen – u.a. Persönlichkeitsrecht und Beweisführungsrecht ab, wobei das Persönlichkeitsrecht hinter das Interesse des Arbeitgebers, seine Rechtspositionen durchzusetzen, zurücktrat. Weiterhin handelte es sich bei den Daten „nur“ um Logfile-Daten, also wann welche Internetseite wie lange besucht wurde. Als Rechtsgrundlage zog das LAG § 26 Abs. 1 S. 1 Bundesdatenschutzgesetz heran, beurteilte aber die „Einwilligung" als unwirksam, da das „Einverstandensein“ des Arbeitnehmers die strengen Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung nicht erfüllte. Die Datennutzung war erforderlich, da es kein milderes und effektiveres Mittel für den Arbeitgeber gab, die Pflichtverletzungen nachzuweisen.

     

    Konsequenzen für die Praxis

     

    Das LAG Köln hat konsequent die Vorgaben des BAG und des Beschäftigtendatenschutzes umgesetzt. Es hat praxisgerechte Leitplanken für Arbeitgeber aufgestellt, wie sie erhebliche Pflichtverletzungen aufdecken und ahnden können. Arbeitgeber können wirksame (fristlose) Kündigungen aussprechen, auch wenn das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer betroffen ist. Vorab sollte stets eine Interessenabwägung durchgeführt werden, um die Erfolgsaussichten einer etwaigen Klage durch den Arbeitnehmer zu prognostizieren.

     

    Praxistipp

     

    Die Privatnutzung des dienstlichen E-Mail-Accounts ist ein fehleranfälliges Feld. Gestatten Arbeitgeber die Privatnutzung, werden sie rechtlich als "Telekommunikationsanbieter" tätig. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf die datenschutzrechtlichen Vorgaben. Eine schlichte Einwilligung des Arbeitnehmers, dass der Arbeitgeber die Daten auch zu stichprobenartigen Kontrollzwecken nutzen darf, ist dann unbeachtlich, wenn der Arbeitgeber in den E-Mail-Account „hineinschauen" möchte. Dies kann beispielsweise notwendig werden, wenn der Mitarbeiter nicht erreichbar ist oder im Verdacht steht, erhebliche Pflichtverletzungen begangen zu haben. Denn eine Einwilligung kann sich immer nur auf den Teil der E-Mail-Korrespondenz des Arbeitnehmers beziehen. Der private Empfänger der E-Mails des Arbeitnehmers wird gegenüber dem Arbeitgeber nie eine Einwilligung abgegeben haben. Daher ist die Einsicht auch in die geschäftliche E-Mailkorrespondenz für den Arbeitgeber, wenn er die Privatnutzung nicht untersagt, mit erheblichen Risiken verbunden. Denn die Vertraulichkeit der privaten Kommunikation wäre, wenn sie gestattet ist, dann nicht mehr sichergestellt. Aus diesem Grund ist es empfehlenswert, die Privatnutzung des dienstlichen E-Mail-Accounts zu untersagen, um dieser Situation aus dem Weg zu gehen.

     

    Sofern auch die private Nutzung des Internets untersagt werden soll, was ebenfalls zu empfehlen ist, ist die Auswertung von Verlaufsdaten datenschutzrechtlich und nach der Rechtsprechung zulässig, wenn damit die Einhaltung des Verbots kontrolliert wird. Arbeitgeber sollten also vereinbaren, dass die Privatnutzung verboten ist und, zu welchen Zwecken eine Kontrolle und Auswertung erfolgen darf. Sofern Unternehmen auf andere Mittel zurückgreifen können, um den Missbrauch nachzuweisen, scheidet eine Datenverwertung aus. Auf Einwilligungen, dass Daten im Arbeitsverhältnis genutzt werden dürfen, sollten Arbeitgeber aber generell verzichten. Denn die Hürden für eine wirksame Einwilligung sind sehr hoch und das Gesetz gibt ausreichend Gestaltungsspielraum für die Datennutzung auch ohne eine Einwilligung.  

     

    Dr. Dominik Sorber