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    25.03.2020

    Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz für Arbeitgeber?


    Die Corona-Pandemie bringt bereits jetzt zahlreiche große und kleine Unternehmen an den Rand der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und in ihrer Not greifen die Unternehmen nach dem kleinsten Strohhalm. Umso verständlicher ist dies, wenn teilweise der Eindruck erweckt wird, dass eine gesetzliche Bestimmung wie z. B. das Infektionsschutzgesetz (IfSG) in der aktuellen Situation enorme Entschädigungszahlungen verspricht.

     

    Das bisher eher unbekannte IfSG scheidet nach seiner Systematik als Rechtsgrundlage für Entschädigungsansprüche für juristische Personen jedoch aus. Auch wenn die wenigsten von uns mit dem Gesetz bisher regelmäßig in Berührung gekommen sein dürften, so ist der Sinn und Zweck der darin enthaltenen Entschädigungsregelungen schnell klar: Sie regeln Entschädigungen für behördliches Handeln gegenüber natürlichen Personen. Aktuell betrifft dies vor allem die Quarantäneanordnung oder die Verhängung eines Tätigkeitsverbots gegenüber einer konkret bezeichneten Person (insbesondere Arbeitnehmer). In diesen Fällen gibt es Entschädigungszahlungen an die betroffene Person. Die Abwicklung verläuft zweistufig: Zunächst geht der Arbeitgeber in Vorleistung und zahlt den Lohn für die Dauer von bis zu sechs Wochen fort. § 56 Abs. 5 IfSG regelt dann einen Erstattungsanspruch des Arbeitgebers gegen die Behörde in Höhe der Gehaltsfortzahlung an den Arbeitnehmer (der Streit um die Anwendung des § 616 Bürgerliches Gesetzbuch in diesen Fällen soll hier nicht weiter vertieft werden).

     

    Davon zu unterscheiden ist der Fall, in dem ein ganzer Betrieb wegen des behördlich angeordneten Shut-Downs schließen muss. Die dafür jeweils maßgebliche behördliche Allgemeinverfügung richtet sich – anders als eine individualisierte Quarantäneanordnung – schließlich gegen alle Betriebe bestimmter Wirtschaftszweige und betrifft die in diesen Bereichen tätigen Arbeitnehmer nur mittelbar. Der betroffene Arbeitgeber sieht sich in diesem Fall in der schwierigen Situation, dass er seinen Betrieb zwar nicht öffnen darf, die Vergütungen der Mitarbeiter aber wegen der Betriebsrisikolehre des Bundesarbeitsgerichts fast ausnahmslos weiterzuzahlen sind.

     

    Genau dafür sieht das das Infektionsschutzgesetz aber keine Entschädigungen vor. Die Entschädigungen richten sich an natürliche Personen, die von dem behördlichen Handeln unmittelbar betroffen sind und nicht an juristische Personen, bei denen sich das Betriebsrisiko des Arbeitgebers verwirklicht. Dieses Ergebnis ist auch systematisch zu begründen: Wieso sollte ein Arbeitgeber seine Mitarbeiter zur Abwendung des angesprochenen Betriebsrisikos in die Kurzarbeit schicken, in der sie – ohne Aufstockungsleistungen – nur 60 bzw. 67 Prozent der Nettoentgeltdifferenz erhalten, wenn er stattdessen die ungekürzte Vergütung fortzahlen und von der Behörde einen hundertprozentigen Ausgleich erhalten könnte. Dann wäre die Kurzarbeit sinnlos.

     

    In der aktuellen Krise gibt es für Unternehmen zur Abwendung bzw. Abmilderung der finanziellen Belastung bereits jetzt verschiedene Instrumente: Die Einführung von Kurzarbeit, Kredite der KfW, Steuerstundungen und die angekündigten Soforthilfen des Bundes oder der Länder. Der Gesetzgeber arbeitet an weiteren Instrumenten und wird zusätzliche finanzielle Mittel zur Verfügung stellen. Mit Entschädigungen für Umsatzeinbußen oder laufende Kosten auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes können juristische Personen aber nicht rechnen.

     

    Bei Fragen zu diesem Thema hilft Ihnen Martin Biebl gerne.

     

    Hinweis: Der Beitrag ist in ähnlicher Form am 24. März 2020 in der juristischen Datenbank Beck online erschienen.

     

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