1. Zulässige "Grüne" Werbung oder rechtswidriges "Greenwashing"?
Die gesellschaftliche Bedeutung von Umwelt- und Klimaschutz ist in den letzten Jahren rasant gewachsen. Auch bei der Kaufentscheidung von Verbrauchern spielen diese Themen mittlerweile eine erhebliche Rolle. Unternehmen bemühen sich daher, mit Hilfe umweltbezogener Werbung (z.B. durch Angaben wie "klimaneutral", "umweltfreundlich" oder "bio") möglichst grün und nachhaltig zu erscheinen.
Doch häufig halten solche grünen Werbebotschaften nicht das, was sie versprechen. Versuchen sich Unternehmen in Bezug auf die Themen Umwelt- und Klimaschutz in der Werbung besser darzustellen, als dies tatsächlich der Fall ist, spricht man von "Greenwashing". Greenwashing kann sowohl durch ausdrückliche Werbeaussagen als auch durch Suggerieren der Umweltverträglichkeit der beworbenen Produkte erfolgen. Letzteres geschieht häufig durch Verwendung von Symbolen und Siegeln, die für umweltbezogene Eigenschaften stehen oder auch durch eine bestimmte Verpackungsgestaltung.
Ob ein Fall des rechtswidrigen Greenwashings vorliegt, beurteilt sich in Deutschland insbesondere nach den Regeln über irreführende geschäftliche Handlungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Daneben gibt es auch auf EU-Ebene verschiedene Vorgaben für umweltbezogene Werbung, die Unternehmen künftig zu beachten haben. In diesem Zusammenhang dominierte vor allem der Entwurf der Richtlinie über die Begründung ausdrücklicher Umweltaussagen und die diesbezügliche Kommunikation (sog. "Green Claims Richtlinie") in letzter Zeit die Medienberichterstattung (zum Stand des Gesetzgebungsverfahrens). Aktuell rückt zudem die Richtlinie (EU) 2024/825 zur Änderung der Richtlinien 2005/29/EG1 und 2011/83/EU2 hinsichtlich der Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel ("EmpCo-Richtlinie" genannt) in den Vordergrund des Medieninteresses, die EU-Parlament und -Rat Anfang 2024 beschlossen haben.
Die EmpCo-Richtlinie schränkt umweltbezogene Werbung stark ein und lässt diese nur noch unter strengen Voraussetzungen zu. Damit sagt die EU dem Greenwashing den Kampf an. Ein nicht zu vernachlässigender Nebenaspekt der Richtlinie ist zudem die Bekämpfung von "Social Washing". Wir stellen in diesem Beitrag die wesentlichen Vorgaben der EmpCo-Richtlinie dar und skizzieren, was Unternehmen beachten müssen, wenn sie künftig mit "Green Claims" bzw. "Social Claims" werben möchten.
2. Strenge Regulierung von "Green Claims"
Die EmpCo-Richtlinie bestimmt zum einen, dass verschiedene Geschäftspraktiken im Zusammenhang mit umweltbezogener Werbung stets verboten sind. Zum anderen werden Tatbestände geregelt, aus denen sich im Einzelfall die Unlauterkeit einer geschäftlichen Handlung ergeben kann.
2.1 Neue Per-Se-Verbote
Die EmpCo-Richtlinie bestimmt die Ergänzung der sog. "schwarzen Liste" im Anhang der UGP-Richtlinie in Bezug auf umweltbezogene Werbung. Danach gelten verschiedene Geschäftspraktiken per se als unlauter, ohne dass es einer Einzelfallprüfung der nationalen Gerichte bedarf. Mit diesen vollharmonisierten Regelungen soll ein EU-weit einheitliches Schutzniveau erreicht werden. Insbesondere folgende Geschäftspraktiken wurden in die "schwarze Liste" aufgenommen und sind daher künftig stets unlauter:
- Verbot "eigener" Nachhaltigkeitssiegel: Verboten wird das "Anbringen eines Nachhaltigkeitssiegels, das nicht auf einem Zertifizierungssystem beruht oder nicht von staatlichen Stellen festgesetzt wurde" (neue Ziff. 2 lit. a) des Anhangs der UGP-Richtlinie). Danach ist die weit verbreitete Praxis, dass Unternehmen eigene Nachhaltigkeitssiegel zur Bewerbung ihrer Produkte verwenden, nicht mehr zulässig. Vielmehr dürfen künftig nur noch Nachhaltigkeitssiegel verwendet werden, wenn es sich bei dem Siegelgeber um eine staatliche Stelle oder einen Dritten handelt, der ein Zertifizierungssystem für sein Siegel aufgestellt hat. Die Bedingungen eines solchen Zertifizierungssystems müssen öffentlich einsehbar sein. Zudem muss die Überwachung der Anforderungen des Systems einem objektiven Verfahren unterliegen und von unabhängigen Dritten durchgeführt werden (zu den Voraussetzungen des Zertifizierungssystems vgl. neuer Art. 2 lit. r) der UGP-Richtlinie).
Die Verwendung von Nachhaltigkeitssiegeln ist unter diesen Voraussetzungen zwar weiterhin möglich, wird jedoch für die werbenden Unternehmen künftig mit einem erheblich höheren Zeit- und Kostenaufwand verbunden sein. Unternehmen dürften sich daher in Zukunft genau überlegen, ob sich der Aufwand und die Kosten für eine Zertifizierung lohnen. Die Verwendung von Nachhaltigkeitssiegeln wird daher wahrscheinlich künftig stark nachlassen.
- Verbot allgemeiner Umweltaussagen: Verboten werden sog. "allgemeine Umweltaussagen", wenn der Werbende, "die anerkannte hervorragende Umweltleistung, auf die sich die Aussage bezieht, nicht nachweisen kann" (vgl. neue Ziff. 4 lit. a) des Anhangs der UGP-Richtlinie). Unter einer allgemeinen Umweltaussage ist eine Aussage zu verstehen, "die nicht auf einem Nachhaltigkeitssiegel enthalten ist und bei der die Spezifizierung der Aussage nicht auf demselben Medium klar und in hervorgehobener Weise angegeben ist" (vgl. neuer Art. 2 lit. p) der UGP-Richtlinie). Als Beispiele für solche allgemeinen Umweltaussagen nennen die Erwägungsgründe der EmpCo-Richtlinie unter anderem Angaben wie "umweltfreundlich", "umweltschonend", "grün", "ökologisch", "klimafreundlich", "umweltverträglich", "CO2-freundlich" und "energieeffizient". Diese Aussagen sind künftig verboten, wenn das werbende Unternehmen eine solche anerkannte hervorragende Umweltleistung nicht nachweisen kann.
- Umweltaussagen mit falschem Bezugspunkt: Verboten sind zudem Umweltaussagen "zum gesamten Produkt oder der gesamten Geschäftstätigkeit des Gewerbetreibenden, wenn sie sich nur auf einen bestimmten Aspekt des Produkts oder eine bestimmte Aktivität der Geschäftstätigkeit des Gewerbetreibenden bezieh[en]" (vgl. neue Ziff. 4 lit. b) des Anhangs der UGP-Richtlinie). Beispielhaft für dieses Verbot wird in den Erwägungsgründen der Fall genannt, dass ein Produkt als "mit Recyclingmaterial hergestellt" vermarktet wird, um den Eindruck zu erwecken, dass das gesamte Produkt aus Recyclingmaterial besteht, obwohl dies tatsächlich nur auf die Verpackung zutrifft.
- WICHTIG! Verbot der Werbung mit Kompensation von Treibhausgasemissionen: Zudem bestimmt die EmpCo-Richtlinie ein per-se-Verbot für Werbeaussagen, "die sich auf der Kompensation von Treibhausgasemissionen begründe[n] und wonach ein Produkt hinsichtlich der Treibhausgasemissionen neutrale, verringerte oder positive Auswirkungen auf die Umwelt hat" (vgl. neue Ziff. 4 lit. c) des Anhangs der UGP-Richtlinie). Danach dürfen Unternehmen künftig nicht mehr mit der Klimaneutralität ihrer Waren und Dienstleistungen werben, wenn diese Eigenschaft lediglich auf Maßnahmen zur Kompensation von Treibhausgasen und nicht auf tatsächlichen CO2-Einsparungen beruht. Aus den Erwägungsgründen der EmpCo-Richtlinie ergibt sich, dass die EU das Verbot der Werbung mit solchen Kompensationsmaßnahmen als "besonders wichtig" erachtet, da tatsächliche CO2-Einsparungen und CO2-Kompensationsmaßnahmen nicht vergleichbar seien.
Damit dürfte die Werbung mit der "Klimaneutralität" künftig nur ausnahmsweise zulässig sein, da diese nur in den seltensten Fällen mit den tatsächlichen Auswirkungen des Produkts begründet werden kann, ohne dass Kompensationsmaßnahmen einbezogen werden. Dieses per-se-Verbot der EmpCo-Richtlinie geht weit über die bisherige Rechtsprechung deutscher Gerichte zur Werbung mit der Angabe "klimaneutral" hinaus. So unterstellten deutsche Gerichte zuletzt, dass dem Durchschnittsverbraucher bekannt sei, dass Klimaneutralität sowohl durch Vermeidung von CO2-Emissionen als auch durch Kompensationsmaßnahmen erreicht werden kann. Sie stuften daher die Werbung mit der Angabe "klimaneutral" als grundsätzlich zulässig ein, wenn das werbende Unternehmen den Verkehr darüber informiert, ob die ausgeglichene CO2 -Bilanz durch Kompensationsmaßnahmen oder durch eigene Bemühungen erreicht wurde. Zudem muss in diesen Fällen offengelegt werden, ob bestimmte klimarelevante Emissionen bei der Bilanzierung ausgenommen wurden und Informationen bereitgestellt werden, anhand derer die Prüfkriterien für die Bilanzierung ersichtlich sind (vgl. u.a. OLG Düsseldorf GRUR 2023, 1207 Rn. 18, 27 ff. – klimaneutrale Marmelade; OLG Frankfurt a.M. GRUR 2023, 177 Rn. 29 ff. – klimaneutral). Diese Rechtsprechung kann nach Umsetzung der EmpCo-Richtlinie nicht mehr aufrechterhalten werden.
2.2 Irreführende Geschäftspraktiken
Zudem kann sich nach den Vorgaben der EmpCo-Richtlinie die Unlauterkeit von Werbebotschaften im Einzelfall auch aus folgenden Umständen ergeben:
- Irreführung über soziale Produktmerkmale: Nach dem neuen Art. 6 Abs. 1 lit. b) der UGP-Richtlinie kann sich die Unlauterkeit einer Werbeaussage - neben falschen Angaben über die ökologischen Produktmerkmale - auch aus unrichtigen Angaben über die sozialen Produktmerkmale ergeben. Das zeigt, dass die EU nicht nur gegen Greenwashing, sondern auch gegen "Social Washing" vorgehen will. Nach den Erwägungsgründen der EmpCo-Richtlinie können sich die sozialen Merkmale eines Produkts auf verschiedene Umstände entlang der Wertschöpfungskette beziehen. Beispielhaft werden unter anderem die Qualität und Gerechtigkeit der Arbeitsbedingungen der beteiligten Arbeitskräfte, die Achtung der Menschenrechte, die Gleichbehandlung und Chancengleichheit für alle sowie Beiträge zu sozialen Initiativen genannt.
Zudem ergibt sich aus Erwägungsgründen der EmpCo-Richtlinie, dass allgemeine Werbeaussagen wie "bewusst", "nachhaltig" oder "verantwortungsbewusst" nicht ausschließlich auf Umweltaspekten beruhen dürfen, da sich diese Angaben auch auf andere Merkmale, wie z.B. soziale Merkmale beziehen. Auch aus diesem Grund wird die Nachhaltigkeitswerbung künftig weiter eingeschränkt werden.
- Verbotene Aussagen über künftige Umweltleistungen: Angaben über künftige Umweltleistungen sind nur noch zulässig, wenn sie sich auf "klare, objektive und überprüfbare Verpflichtungen und Ziele" beziehen, die in einem "detaillierten und realistischen Umsetzungsplan" festgelegt sind, der regelmäßig "von einem unabhängigen externen Sachverständigen überprüft wird" (vgl. neuer Art. 6 Abs. 2 lit. d) der UGP-Richtlinie). Wollen Unternehmen solche Angaben in der Werbung verwenden, wird dies künftig mit einem erheblichen Zeit- und Kostenaufwand verbunden sein.
3. Umsetzung der EmpCo-Richtlinie
Die Mitgliedsstaaten haben bis zum 27. März 2026 Zeit, die Vorgaben der EmpCo-Richtlinie umzusetzen. Hierfür werden in Deutschland die Regelungen des UWG geändert werden. Die geänderten Vorschriften und die daran anknüpfende Beschränkung von umweltbezogener Werbung müssen anschließend bis zum 27. September 2026 in Kraft treten.
Da die Regelungen der EmpCo-Richtlinie vollharmonisiert sind, kann der deutsche Gesetzgeber nicht von diesen Vorgaben abweichen. Es ist daher bereits jetzt klar, welchen Einschränkungen umweltbezogene Werbung künftig unterliegen wird. Angesichts der einschneidenden Verbote und Vorgaben der EmpCo-Richtlinie werden zahlreiche Unternehmen ihre Werbestrategie umstellen müssen. Das gilt insbesondere für die Vorgaben für die Verwendung von Nachhaltigkeitssiegeln sowie die Nachweispflichten bei der Werbung mit allgemeinen Umweltaussagen. Generell sollten Unternehmen in der Lage sein, ihre umweltbezogenen Werbeaussagen durch solide, nachvollziehbare und wissenschaftlich fundierte Beweise zu stützen. Dies erfordert eine sorgfältige Dokumentation der zugrundeliegenden Daten und Fakten. Zudem wird die Werbung mit der Klimaneutralität von Produkten, künftig allenfalls in Ausnahmefällen zulässig sein, wenn diese ohne Kompensationsmaßnahmen erreicht werden kann.
Unternehmen sollten daher möglichst zeitnah ihre Werbestrategie an die neuen Vorgaben anpassen, um bei Inkrafttreten der neuen UWG-Bestimmungen vorbereitet zu sein. Unternehmen, denen eine solche Anpassung rechtzeitig gelingt, können weiter mit umweltbezogenen Aussagen werben, worin auch eine wirtschaftliche Chance liegen kann. Sofern Unternehmen ihre Werbung nicht rechtzeitig anpassen, laufen sie hingegen Gefahr von Mitbewerbern sowie von Verbraucherschutz- und Interessenverbänden auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden (vgl. §§ 8, 9 UWG sowie § 242 BGB). Zudem können gemäß § 9 Abs. 2 UWG mittlerweile auch Verbraucher Schadensersatzansprüche gegen ein irreführend werbendes Unternehmen geltend machen.
Dr. David Moll
1 Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken ("UGP-Richtlinie" genannt)
2 Verbraucherrechte Richtlinie.
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Ebenso finden Sie hier die Beiträge Europäisches Lieferkettengesetz auf der Zielgeraden und Europaparlament unterstützt Pläne für europäisches Lieferkettengesetz .
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Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.