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    18.01.2022

    Newsletter Russland: Neue Erläuterungen des Obersten Gerichts zu Handelsstreitigkeiten vor staatlichen Gerichten


    Am 23. Dezember 2021 hat das Oberste Gericht der RF eine Reihe

    wichtiger Erläuterungen zur Behandlung von Handelsstreitigkeiten vor staatlichen russischen Arbitragegerichte verabschiedet.

     

    Die wichtigsten Inhalte sind:

    1. Ein Gericht kann auf eigene Initiative das Verhalten einer Partei als Rechtsmissbrauch einstufen, wenn es offensichtlich von Treu und Glauben abweicht.

    Stellt das Gericht einen Rechtsmissbrauch fest, ist es berechtigt, der treuwidrig handelnden Seite die Gerichtskosten aufzuerlegen und einen Antrag abzulehnen, der von dieser Person bewusst zu spät gestellt wurde.

    2. Stellt das Gericht treuwidrige Handlungen eines Klägers fest, die auf eine Manipulation der Gerichtszuständigkeit bei Klageeinreichung abzielen, verweist es die Sache an das Gericht, welches ohne die Manipulation zuständig wäre.

    3. Das Gericht kann auf Antrag eines Verfahrensbeteiligten von Dritten die Herausgabe notwendiger Beweise verlangen. Dabei ist es nicht nötig, im Antrag Details zu diesen Beweismitteln anzugeben oder dem Antrag Beweise beizufügen, dass sich die Beweismittel bei der entsprechenden Person befinden.

    4. Das Gericht kann eine Widerklage zulassen, wenn sie auf eine Aufrechnung der Ausgangsklage zielt. So können gegenseitige Zahlungsansprüche aus verschiedenen Verträgen in einem Verfahren behandelt werden, wenn eine Aufrechnung dieser Ansprüche möglich erscheint.

    5. Wenn die Widerklage infolge eines Missbrauchs prozessualer Rechte nicht rechtzeitig erhoben wurde und ihre Einreichung offensichtlich nur eine Verlängerung des Verfahrens bezweckt, kann das Gericht die Widerklage durch Beschluss zurückweisen.

    6. Der faktische Erfüllungsort einer Verpflichtung oder ein im Vertrag angegebener Ort für die Erfüllung einer Partei (etwa die Adresse des Lagers des Verkäufers) bilden allein keine ausreichende Grundlage für einen Gerichtsstand am Erfüllungsort des Vertrages. Ist im Vertrag der Erfüllungsort nicht direkt angegeben oder fehlt die Adresse der Erfüllung, bestimmt sich die Zuständigkeit in der Sache nach den allgemeinen Regeln.

    7. Für mit dem Immobilienverkehr verbundene gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten (etwa Immobilienübertragungen bei Gründung, Umwandlung oder Liquidation einer juristischen Person oder die Anfechtung eines Vertrags über Immobilien aus gesellschaftsrechtlichen Gründen) gelten nicht die Regeln zur ausschließlichen Zuständigkeit am Belegenheitsort der Immobilien.

    8. Eine Vereinbarung der Parteien zur Änderung der Zuständigkeit (Gerichtsstandsklausel) als Vertragsklausel hängt nicht von anderen Vertragsbedingungen ab, hat also einen autonomen Charakter. Wird der zivilrechtliche Vertrag für unwirksam (nicht abgeschlossen) erklärt, führt dies daher nicht zur Unwirksamkeit dieser Vereinbarung. In bestimmten Fällen können die Gründe für die Unwirksamkeit des zugrundeliegenden Vertrags und der Gerichtsstandsvereinbarung allerdings identisch sein (etwa ein Willensmangel bei Abschluss des die Vereinbarung enthaltenden Vertrags oder eine Fälschung).

     

    Mit freundlichen Grüßen

    Alexander Bezborodov
    Natalia Bogdanova