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    15.02.2023

    Die sog. wirtschaftliche Neugründung einer GmbH – Indizien und Rechtsfolgen


    Die Entscheidung des Kammergerichts Berlin hatte eine bereits im Handelsregister eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung ("GmbH") zum Gegenstand. Anfang 2022 wurde die Verlegung ihres Sitzes nach Berlin sowie die Bestellung eines neuen Geschäftsführers (unter Abberufung der bisherigen Geschäftsführer) in das Handelsregister eingetragen. Eine neue Gesellschafterliste der GmbH wies zudem den neuen Geschäftsführer als neuen Alleingesellschafter aus.

     

    Im Laufe des Jahres 2022 beantragte die GmbH sodann die Eintragung der Änderung ihrer Firma sowie des Unternehmensgegenstands in das Handelsregister. Gegenstand des Unternehmens sollte statt "die Konstruktion, die Produktion und die Montage von Wintergarten und Wintergartenanlagen" nun lediglich "sonstige Verwaltung und Führung von Unternehmen und Betrieben" sein. Das Handelsregister verweigerte die beantragte Eintragung der Änderungen. Es liege eine wirtschaftliche Neugründung der GmbH vor, die nicht offengelegt worden sei. Der Beschwerde half das Amtsgericht nicht ab. Über die hiergegen gerichtete Beschwerde hatte das Kammergericht zu entscheiden.

     

    Das Kammergericht bestätigte, dass die Zurückweisung der Anmeldung der Änderung von Firma und Unternehmensgegenstand nicht zu beanstanden war. Es habe eine wirtschaftliche Neugründung vorgelegen. Der Geschäftsführer der GmbH habe diese nicht in der Anmeldung offengelegt und keine Versicherung entsprechend § 8 Abs. 2 GmbHG vorgelegt.

     

    Die Regeln über die wirtschaftliche Neugründung seien anwendbar, wenn die Gesellschaft eine "leere Hülse" ist, also kein aktives Unternehmen betreibt, an das die Fortführung des Geschäftsbetriebs – sei es auch unter wesentlicher Umgestaltung, Einschränkung oder Erweiterung seines Tätigkeitsgebiets – in irgendeiner wirtschaftlich noch gewichtbaren Weise anknüpfen kann. Auf diese Weise soll vermieden werden, dass die Gründungsvorschriften umgangen werden und somit die Gefahr besteht, dass die gesellschaftsvertragliche Kapitalausstattung nicht gewährleistet ist, wenn die wirtschaftliche Tätigkeit aufgenommen wird.

     

    Indizien einer wirtschaftlichen Neugründung können insbesondere sein, dass die Firma oder der Unternehmensgegenstand geändert, der Sitz verlegt, die Geschäftsführung ausgetauscht oder die Geschäftsanteile veräußert werden.

     

    Das Kammergericht begründete seine Entscheidung damit, dass nicht nur der Sitz der GmbH verlegt, die Geschäftsanteile veräußert und die Geschäftsführer ausgetauscht worden seien. Vor allem lege der ursprüngliche Unternehmensgegenstand nahe, dass es sich um ein vornehmlich handwerkliches und ortsbezogenes Unternehmen gehandelt habe; die Übernahme eines Kundenstamms nach Berlin zum neuen Sitz der Gesellschaft erscheine fernliegend. Der angemeldete neue Unternehmensgegenstand führe zudem zu einer vollständigen Änderung der Unternehmensausrichtung, die eine Übernahme von Personal und Sachausstattung nahezu ausschließe.

     

    Anmerkung und Praxistipps

     

    Der Beschluss des Kammergerichts überzeugt. Es bestätigt damit nicht nur den vom Bundesgerichtshof entwickelten Maßstab zur wirtschaftlichen Neugründung einer GmbH. Es greift anschaulich die dem Fall zugrunde liegenden Umstände als Indizien auf, um das Vorliegen einer wirtschaftlichen Neugründung zu begründen.

     

    Der Beschluss erinnert daran, bei Anmeldungen zum Handelsregister stets auch zu überprüfen, ob mit den angemeldeten Änderungen eine wirtschaftliche Neugründung verbunden sein oder das Handelsregister beim Vorliegen entsprechender Indizien –

    ggf. fälschlicherweise – von einer wirtschaftlichen Neugründung ausgehen könnte. In ersterem Fall ist daran zu denken, dass der Geschäftsführer der GmbH die wirtschaftliche Neugründung in der Anmeldung offenzulegen und eine Versicherung entsprechend § 8 Abs. 2 GmbHG abzugeben hat. In letzterem sind die Umstände der Indizien dem Handelsregister zu erläutern, um eine Zwischenverfügung zu vermeiden.

     

    Christian Burmeister

    Simon Schuler

    Dieser Blogbeitrag erscheint ebenso im Haufe Wirtschaftsrechtsnewsletter.

     

     

    Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.

     

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