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    25.01.2023

    Das Notvertretungsrecht für Ehegatten


    Der Gesetzgeber hat zum 01.01.2023 Regelungen zur gegenseitigen Vertretung von Ehegatten in Angelegenheiten der Gesundheitssorge in § 1358 BGB eingeführt. Dieses sog. „Notvertretungsrecht“ ermöglicht die zeitlich begrenzte Vertretung des jeweils anderen Ehegatten in bestimmten Notsituationen. Sofern keine Vorsorgevollmacht existierte, war in diesen Fällen die gerichtliche Anordnung einer vorläufigen Betreuung notwendig.

     

    Hintergrund

     

    Ist eine Person, etwa aufgrund eines komatösen Zustands nach einem schweren Unfall, nicht in der Lage ihren Willen zu äußern, kann sie auch nicht mehr in oftmals überlebensnotwendige Operationen einwilligen. Waren ärztliche Maßnahmen geboten und hatte die handlungsunfähige Person für solche Fälle niemanden bevollmächtigt, kam man bislang nicht umhin, die Bestellung eines Betreuers zu beantragen. Die rechtliche Betreuung ist jedoch mit viel bürokratischem Aufwand verbunden und deren Anordnung nimmt – trotz der Möglichkeit einer vorläufigen Betreuerbestellung – Zeit in Anspruch, die man in solchen Situationen typischerweise nicht hat. Dieser Problematik hat sich der Gesetzgeber nunmehr mit dem in § 1358 BGB gesetzlich verankerten Notvertretungsrecht für Ehegatten angenommen.

     

    Voraussetzungen

     

    Seit dem 01.01.2023 ist ein Ehegatte nunmehr kraft Gesetzes befugt, den anderen Ehegatten in einer gesundheitlichen Notsituation in Angelegenheiten der Gesundheitssorge zu vertreten. Zentrale Voraussetzung dafür ist, dass ein Ehegatte aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit seine Angelegenheiten der Gesundheitssorge nicht rechtlich besorgen kann, er also insbesondere nicht in der Lage ist, seinen Willen zu äußern.

     

    Die Vertretung ist jedoch ausgeschlossen, wenn die Ehegatten getrennt leben oder dem Ehegatten oder dem behandelnden Arzt bekannt ist, dass der zu vertretende Ehegatte die Vertretung durch den anderen Ehegatten ablehnt. Gleiches gilt, wenn bereits eine Vorsorgevollmacht existiert oder wenn für den zu vertretenden Ehegatten bereits ein Betreuer mit dem entsprechenden Aufgabenkreis bestellt wurde.

     

    Der Arzt, gegenüber dem das Notvertretungsrecht erstmals ausgeübt wird, hat zu prüfen, ob eine gesundheitliche Notsituation vorliegt. Ist dies der Fall, muss er dem vertretenden Ehegatten ein Dokument aushändigen, in dem dies unter Angabe des Zeitpunkts, zu dem die gesundheitliche Notsituation eingetreten ist, bestätigt wird. Der vertretende Ehegatte hat in dem Dokument schriftlich zu versichern, dass das Notvertretungsrecht in der aktuellen Notsituation bisher nicht ausgeübt wurde, und dass keiner der vorstehen genannten Ausschlussgründe vorliegt. Das Dokument dient dem vertretenden Ehegatten sodann zum Nachweis seiner Vertretungsbefugnis.

     

    Befugnisse des vertretenden Ehegatten

     

    Aufgrund des Notvertretungsrechts darf der Ehegatte für den handlungsunfähigen Ehegatten in Untersuchungen des Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligen oder diese untersagen und – befristet auf sechs Wochen – auch über freiheitsentziehende Maßnahmen entscheiden. Darüber hinaus ist er befugt zugehörige Verträge, insbesondere Behandlungs- und Krankenhausverträge, abzuschließen sowie Versicherungs- oder Beihilfeansprüche für den vertretenen Ehegatten geltend zu machen. Der Umfang des Notvertretungsrechts erstreckt sich damit auf alle wesentlichen Maßnahmen, die in einer gesundheitlichen Notsituation erforderlich werden können.

     

    Bei der Entscheidung über die Frage, welche Maßnahmen ergriffen werden sollen, ist der vertretende Ehegatte jedoch nicht völlig frei. Vielmehr hat er grundsätzlich den ggf. zuvor geäußerten Wünschen des vertretenen Ehegatten nachzukommen oder – falls solche nie geäußert wurden – nach dessen mutmaßlichem Willen zu handeln. Sofern eine wirksame Patientenverfügung vorliegt, hat der vertretende Ehegatte diese zu berücksichtigen.

     

    Damit der Ehegatte auch auf hinreichender Tatsachengrundlage entscheiden kann, sind die behandelnden Ärzte in diesem Zusammenhang von ihrer Schweigepflicht entbunden und der Ehegatte darf die entsprechenden Krankenunterlagen einsehen. Die Befugnis zur Notvertretung endet, wenn die gesundheitliche Notsituation nicht mehr besteht oder wenn zwischenzeitlich ein Betreuter bestellt wurde, andernfalls nach dem Ablauf von sechs Monaten.

     

    Fazit

     

    Es ist zu begrüßen, dass der Gesetzgeber nunmehr das Notvertretungsrecht für Ehegatten eingeführt hat, nachdem ein entsprechender Versuch bereits im Jahr 2017 gescheitert war. Hierdurch kann in einer gesundheitlichen Notsituation die Anordnung einer vorläufigen Betreuung vermieden werden und der vertretende Ehegatte kann, unabhängig vom Bestehen einer Vorsorgevollmacht, sofort für den anderen handeln. Dies kann in Situationen, in denen schnelles Handeln oftmals dringend geboten ist, entscheidend sein.

     

    Gleichwohl ist die Erteilung einer Vorsorge- und Betreuungsvollmacht weiterhin dringend zu empfehlen. Der Gesetzgeber wollte diese durch die ausdrücklich in § 1358 BGB angeordnete Subsidiarität und die zeitliche Befristung des Notvertretungsrechts nämlich gerade nicht ersetzen. Zudem können in einer gesundheitlichen Notsituation auch andere wichtige Entscheidungen zu treffen sein, die sich nicht auf die Gesundheitssorge beziehen und daher von vorneherein nicht vom Notvertretungsrecht der Ehegatten umfasst sind. Daher sollte man sich nach wie vor möglichst frühzeitig dazu entscheiden, eine Vorsorge- und Betreuungsvoll-macht zu erteilen.

     

    Stephan Strubinger

     

    Dieser Blogbeitrag erscheint ebenso im Haufe Wirtschaftsrechtsnewsletter.

     

     

    Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.

     

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