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    07.04.2019

    Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung bei Kündigungen – Neues aus Erfurt?


    Bundesarbeitsgericht vom 13. Dezember 2018 – 2 AZR 378/18

     

    Ohne Anhörung der Schwerbehindertenvertretung ist die Kündigung eines Schwerbehinderten unwirksam. Erfolgt die Beteiligung erst nach Abschluss des Zustimmungsverfahrens vor dem Inklusionsamt, so ist die Beteiligung fehlerhaft. Allerdings ist eine Kündigung nicht allein deswegen unwirksam, weil der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung nicht unverzüglich über seine Kündigungsabsicht unterrichtet oder ihr das Festhalten an seinem Kündigungsentschluss nicht mitgeteilt hat.

     

    Sachverhalt

     

    Der Arbeitgeber beabsichtigte die Kündigung einer Arbeitnehmerin, die einem Schwerbehinderten gleichgestellt war. Hierzu beantragte er im Dezember 2016 erst die behördliche Zustimmung zu einer ordentlichen Kündigung beim Inklusionsamt. Dieses erteilte die Zustimmung mit Bescheid vom 20. Februar 2017. Mit Schreiben vom 7. bzw. 15. März 2017 hörte der Arbeitgeber den Betriebsrat sowie die Schwerbehindertenvertretung zur Kündigung an und kündigte am 24. März 2017 das Arbeitsverhältnis. Die Vorinstanzen gaben der Kündigungsschutzklage statt, weil der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung nicht ordnungsgemäß beteiligt habe.

     

    Entscheidung

     

    Will der Arbeitgeber eine Maßnahme treffen, von der schwerbehinderte Menschen berührt werden, muss er die Schwerbehindertenvertretung rechtzeitig und umfassend über seine Absicht informieren. Die Unterrichtung soll der Schwerbehindertenvertretung eine Meinungsbildung und eine Stellungnahme gegenüber dem Arbeitgeber ermöglichen. Daher muss sie – so jedenfalls bis jetzt der Grundsatz – unverzüglich erfolgen, damit die Schwerbehindertenvertretung noch die Arbeitgeber-Entscheidung durch das Äußern von Bedenken oder Einbringen von Anregungen beeinflussen kann. Das BAG hob das Urteil des Landesarbeitsgerichts jedoch auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung zurück. Hierbei stellte das BAG darauf ab, dass die Kündigung nicht deswegen unwirksam sei, weil der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung erst nach Abschluss des Verfahrens vor dem Inklusionsamt und nach Anhörung des Betriebsrats beteiligt habe.

     

    Die Unwirksamkeit einer Kündigung kann aber grundsätzlich aus der Fehlerhaftigkeit der Anhörung der Schwerbehindertenvertretung folgen. Die Anhörung hat u. a. rechtzeitig zu erfolgen. Sie hat ferner in gleichem Umfang und in gleicher Form wie die Betriebsratsanhörung stattzufinden. Eine weitergehende Erörterung zwischen Arbeitgeber und Schwerbehindertenvertretung ist jedoch nicht erforderlich. Zu beachten ist aber, dass der Arbeitgeber die Stellungnahme der Schwerbehindertenvertretung zur Kenntnis zu nehmen hat.

     

    Konsequenzen für die Praxis

     

    Diese Entscheidung überrascht. Das BAG hat eine wichtige Frage beantwortet, die bislang beinahe einheitlich anders gesehen worden war: Hat der Arbeitgeber eine bestimmte und vorgegebene Abfolge bei der Kündigung eines Schwerbehinderten zu beachten? Die Antwort lautete bisher: ja. Zuerst ist die Schwerbehindertenvertretung zu beteiligen und dann das Inklusionsamt sowie der Betriebsrat.

     

    Diese Vorgabe ist aber, so das BAG, nicht zwingend. Denn das Gesetz sieht eine solche Abfolge nicht vor. Ob Arbeitgeber zuerst die Schwerbehindertenvertretung anhören müssen und erst im Anschluss daran die Zustimmung des Inklusionsamtes beantragen können, ist gerade nicht gesetzlich festgelegt. Daher urteilte das BAG, dass deswegen eine Kündigung nicht unwirksam sein kann. Damit werden die Kündigungsvoraussetzungen im Bereich der schwerbehinderten Arbeitnehmer (neu) justiert. Allerdings liegen die Entscheidungsgründe noch nicht vor, so dass im Einzelnen noch nicht nachvollzogen werden kann, welche weiteren Gründe das BAG anführt und welche Voraussetzungen das Gericht in diesem Fall wie gewichtete. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit dieser spannenden Thematik kann daher erst nach Veröffentlichung der Entscheidungsgründe erfolgen. Wir werden Sie auf dem Laufenden halten.

     

    Praxistipp

     

    Arbeitgeber sollten der Schwerbehindertenvertretung aus Dokumentationszwecken den Eingang und die Kenntnis der Stellungnahme per E-Mail bestätigen.

     

    Weitere Fragen zu diesem Thema beantwortet Ihnen Dr. Dominik Sorber gerne.