Currywurst, Schnitzel mit Pommes, Linsen mit Spätzle, Spaghetti Bolognese, Bami Goreng, Hähnchenfilet mit Gemüse, Curry mit Reis, Frikadellen, Burger, Würstchen mit Kartoffelbrei und freitags Fisch sind mit die beliebtesten Kantinenessen. Von einer Mittagspause in der Kantine kann man derzeit nur träumen. Der Magen knurrt und das Wasser läuft Arbeitnehmern umsonst im Mund zusammen. Aufgrund der Corona-Pandemie sind viele Kantinen geschlossen oder nur sehr eingeschränkt geöffnet. Beim Mittagsessen und sprichwörtlich beim Geld hört jedoch die Freundschaft auf. Das gilt auch dann, wenn Arbeitgeber und Kantinenbetreiber keine andere Wahl haben als zu schließen oder das Angebot pandemiebedingt zu reduzieren. Sind bzw. wie sind Arbeitnehmervertretungen zu beteiligen?
Liebe Leserin, lieber Leser,
viele – wie auch ich als begeisterter Kantinengänger – sind betroffen. Am Beispiel der Kantine lässt sich aufzeigen, ob und ggf. wie Einschränkungen durch die Corona-Pandemie bei Sozialeinrichtungen zu Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats führen und wie eben nicht.
Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG, das umfasst „Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist“. Zu den Sozialeinrichtungen gehören Kantinen, betriebliche Sportanlagen, betriebliche Kindergärten, betriebliche Werksbusse oder Pensions- und Unterstützungskassen. Das Mitbestimmungsrecht erstreckt sich auf die Form, der Ausgestaltung und die Verwaltung. Im ersten Schritt ist nicht mitbestimmt, ob eine solche Sozialeinrichtung überhaupt gebildet oder errichtet wird. Hierüber kann der Arbeitgeber frei entscheiden. Ebenfalls kann der Arbeitgeber frei entscheiden, dass er die Sozialeinrichtung vollständig beendet.
Ein Universitätsklinikum hat an seinen Standorten durch eine eigene Dienstleistungsgesellschaft Betriebskantinen betrieben. Aufgrund der Corona-Pandemie wurde im März 2020 u.a. darüber informiert, dass eine neue Verfahrensweise bei der Essensausgabe gelten soll. Der reguläre Betrieb der Betriebskantine wurde eingeschränkt und auf „Take-Away-Angebote“ umgestellt. Der Sitzbereich in der Kantine wurde geschlossen und das Speiseangebot reduziert. Zudem galten pandemiebedingt besondere Hygieneregeln.
Aufgrund der pandemiebedingten Reduzierung des Speisenangebots ohne Beteiligung der Arbeitnehmervertretung beantragte der Personalrat die Feststellung, dass die (teilweise) Schließung und Wiedereröffnung von Betriebskantinen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie das Mitbestimmungsrecht verletze.
Das Verwaltungsgericht Sigmaringen stellte im Beschluss vom 15.02.2021 fest, dass der Antrag des Personalrats erfolgreich ist. Das Verwaltungsgericht führt aus, dass eine Kantine eine Sozialeinrichtung in mitbestimmungsrechtlicher Sicht ist. Zudem führt das Verwaltungsgericht aus, dass Einschränkungen des Leistungsumfangs einer Kantine bzw. Modalitäten der Essensausgabe Maßnahmen der Verwaltung einer Sozialeinrichtung seien.
Das Verwaltungsgericht Sigmaringen stellt auch fest, dass das Mitbestimmungsrecht nicht vor den Gesetzes- und Tarifvorrang ausgeschlossen sei. Gesetzes- und Tarifvorrang bedeutet, dass kein Mitbestimmungsrecht des Personalrats oder des Betriebsrats (§ 87 Abs. 1 BetrVG Einleitungssatz) besteht, wenn zu einer Thematik bereits gesetzliche oder tarifrechtliche Regelungen bestehen und kein Spielraum mehr bei der Umsetzung verbleibt, über den zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmervertretung verhandelt werden kann. Wenn jedoch aufgrund einer gesetzlichen oder tariflichen Regelung die Ausgestaltung der Einzelmaßnahmen dem Dienststellenleiter überlassen ist, unterliegt dessen Entscheidung der Mitbestimmung der Arbeitnehmervertretung. Zum damaligen Zeitpunkt war der Betrieb von Gaststätten und ähnlichen Einrichtungen in der Verordnung der Landesregierung zunächst bis April 2020 untersagt. Hiervon ausgenommen waren jedoch Kantinen für Betriebsangehörige oder Angehörige öffentlicher Einrichtungen. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts verbliebt damit ein Mitbestimmungsrecht in dem relevanten Regelungsspielraum.
Der Gesetzes- und Tarifvorrang darf in der Praxis nicht unterschätzt werden. Im Rahmen der Maßnahmen der Corona-Pandemie, aber auch außerhalb dieser Sondersituation, besteht kein Mitbestimmungsrecht eines Betriebs- oder Personalrats, wenn schlicht die (zwingende) Vorgaben aus Gesetz und Tarifvertrag umgesetzt werden. Arbeitgeber können versuchen, sich daran zu orientieren um beispielsweise bei Sozialeinrichtungen frei und ohne Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats entscheiden zu können.
Jetzt knurrt mir der Magen, guten Appetit und mit herzlichen (arbeitsrechtlichen) Grüßen
Ihr Dr. Erik Schmid
Hinweis: Dieser Blogbeitrag ist bereits im arbeitsrechtlichen Blog von Dr. Erik Schmid beim Rehm Verlag erschienen.