Bundesarbeitsgericht vom 21. August 2019 – 7 AZR 452/17
Wird ein Arbeitnehmer 22 Jahre nach der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses erneut bei demselben Arbeitgeber eingestellt, gelangt das in § 14 Abs. 2 Satz 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) bestimmte Verbot der sachgrundlosen Befristung nach einer Vorbeschäftigung in verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift regelmäßig nicht zur Anwendung.
Eine Arbeitnehmerin war von Oktober 1991 bis November 1992 als Hilfsbearbeiterin für Kindergeld bei der Bundesagentur für Arbeit beschäftigt. Im Oktober 2014 wurde die Arbeitnehmerin befristet bis zum 30. Juni 2015 als Telefonserviceberaterin im Servicecenter eingestellt. Ein Sachgrund lag nicht vor. Der sachgrundlos befristete Arbeitsvertrag wurde bis zum 30. Juni 2016 verlängert. Die Arbeitnehmerin klagt auf Feststellung, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristung am 30. Juni 2016 wirksam beendet wurde. Es habe eine Zuvor-Beschäftigung vorgelegen, weshalb der Arbeitsvertrag nicht sachgrundlos befristet werden dürfe.
Das BAG sah dies anders. Die Befristung des Arbeitsvertrags sei ohne Sachgrund wirksam. Zwar sei die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG unzulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden habe; nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6. Juni 2018 (1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14) sei aber der Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG durch verfassungskonforme Auslegung einzuschränken. Danach sei das Verbot der sachgrundlosen Befristung unzumutbar, wenn eine Gefahr der Kettenbefristung unter Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht bestehe. Das Verbot der Befristung könne unter anderem dann unzumutbar sein, wenn eine Zuvor-Beschäftigung sehr lang zurückliege. Ein solcher Fall sei vorliegend gegeben, weil die Zuvor-Beschäftigung bei der erneuten Einstellung 22 Jahre zurücklag. Besondere Umstände, die eine Anwendung des Verbots der sachgrundlosen Befristung gebieten könnten, lägen nicht vor.
Das BAG hatte schon zu Beginn des Jahres die Gelegenheit, die vom BVerfG aufgestellten zeitlichen Vorgaben zur Zuvor-Beschäftigung zu konkretisieren: In zwei Urteilen vom 23. Januar 2019 (7 AZR 733/16; 7 AZR 161/15, vgl. BEITEN BURKHARDT Newsletter Arbeitsrecht, Ausgabe März 2019, Seite 13) hat das BAG entschieden, dass das Verbot der sachgrundlosen Befristung für den Arbeitgeber dann zumutbar sei, wenn die Zuvor-Beschäftigung nur acht Jahre zurückliege. Bei einem solchen Zeitraum könne nicht von einer sehr lang zurückliegenden Zuvor-Beschäftigung ausgegangen werden. Zudem hat das BAG entschieden, dass ca. 15 Jahre ebenfalls kein sehr langer Zeitraum in diesem Sinne sind (vom 17. April 2019 – 7 AZR 323/17). Die aktuelle Entscheidung bietet insoweit eine weitere Orientierungshilfe bei der Beurteilung, ob eine Zuvor-Beschäftigung sehr lang zurückliegt. Zumindest bei einem Zeitablauf von 22 Jahren kann das Anschlussverbot für den Arbeitgeber wegen des langen Zeitraums unzumutbar sein. Aufgrund des neuerlichen Urteils des BAG kann ein grober Rahmen für das Kriterium, wann eine Zuvor-Beschäftigung sehr lang zurückliegt, abgesteckt werden. Ab wann die Grenze der Zumutbarkeit für den Arbeitgeber zu ziehen ist, kann jedoch auch nach dieser Entscheidung nicht abschließend beantwortet werden. Die Beurteilung unterliegt – wie das BAG schon in den vorherigen Entscheidungen betont hat – einer Würdigung des konkreten Einzelfalls.
Die Unzumutbarkeit des Befristungsverbots nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG unterliegt hohen Anforderungen. Soll ein sachgrundlos befristeter Arbeitsvertrag abgeschlossen werden, sollte sichergestellt sein, dass der Bewerber nicht bereits zuvor im eigenen Unternehmen beschäftigt war – etwa mit Hilfe eines Fragebogens. Anderenfalls droht sich das Arbeitsverhältnis in ein unbefristetes umzuwandeln.
Bei Fragen zu diesem Thema wenden Sie sich gerne an Johannes Schäfer.