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    02.04.2019

    BAG gibt 3-Jahres-Rechtsprechung zur Vorbeschäftigung bei sachgrundloser Befristung auf und lehnt Vertrauensschutz ab


    Bundesarbeitsgericht vom 23. Januar 2019 – 7 AZR 733/16

     

    Durch Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juni 2018 wurde die vom BAG bislang vorgenommene Auslegung des § 14 Absatz 2 Satz 2 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG; "3-Jahres-Rechtsprechung") für verfassungswidrig erklärt (vgl. BEITEN BURKHARDT Newsletter Arbeitsrecht, Ausgabe September 2018, Seite 1). Das BVerfG entschied in diesem Zusammenhang ebenfalls, dass die Arbeitsgerichte durch verfassungskonforme Auslegung den Anwendungsbereich dieser Vorschrift einschränken können und müssen, wenn das Verbot der sachgrundlosen Befristung unzumutbar wäre. Nun hat das BAG erstmalig neu in diesem Sinne entschieden und lehnt zudem einen Vertrauensschutz bezüglich der bisherigen ständigen Rechtsprechung ab.

     

    Sachverhalt

     

    Der Arbeitnehmer war in den Jahren 2004 und 2005 für eineinhalb Jahre befristet bei einer Automobilherstellerin tätig gewesen. Mit Wirkung zum 19. August 2013 stellte das Unternehmen den Arbeitnehmer auf Grund des Arbeitsvertrags vom 18. Juli 2013  erneut als Facharbeiter im Bereich "Produktion und Logistik" ein. Mit Zusatzvereinbarungen verlängerten die Parteien dreimalig die Befristung, zuletzt bis 18. August 2015. Die Arbeitgeberin teilte dem Arbeitnehmer schließlich mit, dass sie das Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus nicht weiter fortsetzen wolle. Der Arbeitnehmer klagte auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristung zum 18. August 2015 beendet wurde und auf Weiterbeschäftigung zu unveränderten Bedingungen. Nach der früheren Rechtsprechung des BAG wäre eine sachgrundlose Befristung im Hinblick auf die Zuvorbeschäftigung in den Jahren 2004 und 2005 problemlos möglich gewesen.

     

    Die Entscheidung

     

    Der Kläger hatte auch vor dem BAG Erfolg. Dieses stellt zunächst fest, dass die sachgrundlose Befristung des Arbeitsvertrags nach § 14 Absatz 2 Satz 2 TzBfG nicht zulässig sei, wenn zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeberin bereits acht Jahre zuvor ein Arbeitsverhältnis von anderthalbjähriger Dauer bestanden hat, das eine vergleichbare Arbeitsaufgabe zum Gegenstand hatte. Das BAG praktiziert somit die verfassungskonforme Auslegung dieser Vorschrift nach den Maßgaben der BVerfG-Entscheidung neu. Für den zu entscheidenden Fall gehen die Erfurter Richter davon aus, dass ein Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht unzumutbar sei. Eine Unzumutbarkeit ließe sich laut BVerfG nur in Fällen annehmen, in denen eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliege, ganz anders geartet wäre oder von sehr kurzer Dauer gewesen sei. Acht Jahre seien also nicht "sehr lang zurückliegend".

     

    Weiter entschied das BAG, dass sich die Beklagte nicht darauf berufen könne, die Befristung  im Vertrauen auf die seit 2011 gängige Rechtsprechung vereinbart zu haben. Bei Abschluss der Verträge hätte ein Arbeitgeber jedenfalls die Möglichkeit in Betracht ziehen müssen, dass die vorgenommene Auslegung des BAG vor dem BVerfG scheitern könnte.

     

    Konsequenzen für die Praxis

     

    Gewissheit besteht nun, dass eine sachgrundlose Befristung nicht möglich ist, wenn zwischen Arbeitnehmer und der Arbeitgeber acht Jahre zuvor ein Arbeitsverhältnis von etwa anderthalb Jahren Dauer bestand, das eine vergleichbare Arbeitsaufgabe zum Gegenstand hatte. Weitergehende Rechtsklarheit für die Praxis bringt diese Entscheidung leider nicht. Denn wann eine Vorbeschäftigung "sehr lang" zurückliegt, bleibt weiterhin relativ unklar. Ebenfalls ungeklärt ist, welche Voraussetzungen an die inhaltlichen Überschneidungen zu setzen sind und wann eine "sehr kurze" Dauer der Vorbeschäftigung tatsächlich zu bejahen ist. Es liegt nun am Gesetzgeber, eine interessengerechte Lösung zu finden.

     

    Praxistipp

     

    Bis dahin sollte in der Praxis mit sachgrundlosen Befristungen von Arbeitnehmern, die bereits zuvor beim Arbeitgeber beschäftigt waren, eher restriktiv umgegangen werden. Insbesondere sollten aber bei jedem Bewerber, soweit möglich, die Vorbeschäftigungen überprüft werden; dabei sind auch Vorbeschäftigungen bei anderen Unternehmen im Konzern zu berücksichtigen. Maßgeblich ist der "Vertragsarbeitgeber", d.h., die natürliche oder juristische Person, zu der das Arbeitsverhältnis bestanden hatte.

     

    Weitere Fragen zu diesem Thema beantworten Ihnen Dr. Sarah Reinhardt-Kasperek und Jasmin Onderscheka gerne.