LAG Hamm, Urteil vom 5.12.2023 – 6 Sa 896/23
Ein Student (männlich) bewarb sich über mehrere Jahre hinweg auf verschiedenste Stellenanzeigen im gesamten Bundesgebiet als "Sekretärin". Dabei verschickte er an die betreffenden Unternehmen standardisierte Anschreiben und erhoffte sich eine Absage, um dann wegen einer angeblichen Geschlechtsdiskriminierung den Anwendungsbereich des AGG zu eröffnen und entsprechende Ansprüche daraus zu stellen. Nachdem der Student mit dieser Taktik vor mehreren Gerichten gescheitert war, änderte er sein Standardanschreiben und bewarb sich erneut auf mehre Stellenanzeigen, unter anderem auf die einer "Sekretärin". Die daraufhin erhobene Klage wurde wegen Rechtsmissbräuchlichkeit abgewiesen.
Das LAG begründete die Entscheidung damit, dass sowohl die Entfernung zur Arbeitsstelle, die Art und Weise der erfolgten Bewerbung ohne Nachweise oder weitergehende Unterlagen und das Vollzeitstudium des Studenten für die objektive Rechtsmissbräuchlichkeit sprechen. Zudem sprechen auch die nach den Niederlagen vor Gericht angepassten Schriftsätze für ein "Geschäftsmodell" hinter den Bewerbungen und gegen die Ernsthaftigkeit dieser. Auch die subjektive Komponente der Rechtsmissbräuchlichkeit ergebe sich aus der objektiven Rechtsmissbräuchlichkeit und daraus, dass der Student nichts Gegenteiliges in der Verhandlung vorgetragen hat. Insofern hat das LAG ein systematisches und zielgerichtetes Vorgehen des Studenten in der nunmehr "zweiten Generation" bejaht.
Das vom BAG geforderte systematische und zielgerichtete Vorgehen beim "AGG-Hopping" wurde durch die Entscheidung des LAG Hamm konkretisiert. Existiert hinter dem Vorgehen des Bewerbers ein "Geschäftsmodell", das insbesondere nach verlorenen Entschädigungsprozessen nach dem AGG entwickelt wurde, so ist dies ein Indiz für die Rechtsmissbräuchlichkeit des Anspruchstellens. Insbesondere dürften es "AGG-Hopper", die bereits gerichtlich unterlagen und sich dann weiterhin mit dem Ziel eines Entschädigungsanspruchs nach dem AGG auf Stellenanzeigen bewerben, in Zukunft schwerer haben.
Eine Entscheidung des BAG zur Rechtsmissbräuchlichkeit liegt bis dato nicht vor, ebenso läuft ein Verfahren gegen einen anderen "AGG-Hopper" wegen Betrugs. Bis rechtskräftige Entscheidungen zu dieser Thematik vorliegen, empfiehlt es sich für Arbeitgeber weiterhin, AGG-konforme und insbesondere geschlechtsneutrale Stellenausschreibungen zu verwenden.