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    03.02.2025

    Buchauszug – Erteilt und doch nicht erfüllt?


    Aus aktuellem Anlass: OLG Naumburg, Urt. v. 20.11.2024 – 5 U 66/24

    Nach Beendigung eines Handelsvertretervertrag entbrennt zwischen den Vertragsparteien häufig Streit über nicht gezahlte Provisionen und die Zahlung eines Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB. Sofern der Handelsvertreter sich hierbei anwaltlich vertreten lässt, wird häufig auch die Erteilung eines sog. Buchauszugs gem. § 87c Abs. 2 HGB verlangt, um die Höhe der unberechtigterweise nicht gezahlten Provisionen bestimmen zu können. Gleichzeitig bietet der Buchauszugsanspruch ein beliebtes Druckmittel, um die eigene Verhandlungsposition zu stärken. Denn die Erstellung eines rechtskonformen Buchauszugs ist für den Unternehmer regelmäßig mit hohem internem Aufwand und Kosten verbunden. Der Aufwand und das Druckpotenzial ist dabei umso größer, wenn der Unternehmer hierauf durch seine Datenorganisation/-archivierung nicht vorbereitet ist und daher die relevanten Informationen händisch zusammentragen muss. Gerade in diesen Fällen versuchen Unternehmer mit aller Kraft, der Erstellung eines Buchauszugs zu entgehen. 

    Oft genug erstellt der Unternehmer einen an den Maßstäben der Rechtsprechung gemessenen unzureichenden Buchauszug, sodass der Handelsvertreter bei Scheitern der außergerichtlichen Verhandlungen eine sog. Stufenklage (§ 254 ZPO) erhebt. Auf der sog. ersten Stufe macht der Handelsvertreter dann die Erteilung des Buchauszug gerichtlich geltend.

    So passiert in einem kürzlich abgeschlossenen Verfahren vor dem OLG Naumburg (Urt. v. 20.11.2024 – 5 U 66/24), wo der Handelsvertreter im Wege der Stufenklage auch die Erteilung eines Buchauszuges verlangte. Das Gericht hatte hierbei u.a. zu den folgenden praktisch sehr relevanten Fragen entscheiden:

    (1) Wann ist der Anspruch auf Buchauszug durch die regelmäßigen Provisionsabrechnungen erfüllt?

    (2) Wann verzichtet ein Handelsvertreter auf die Geltendmachung seines Buchauszugsanspruchs? Reicht hierfür das regelmäßige Nachfragen des Handelsvertreters und die teilweise Abstimmung über zu zahlende Provisionen aus?

    Der Fall des OLG Naumburg bietet daher einen guten Anlass, sich mit zentralen Fragen des Buchauszugsanspruchs vertraut zu machen. Gerade Handelsvertreter einsetzende Unternehmer sollten sich des Umfangs ihrer Auskunftspflicht bewusst sein und ihr Unternehmen "buchauszugsfest" organisieren.

    I. Der Fall des OLG Naumburg 

    In dem Verfahren vor dem OLG Naumburg hatte der Unternehmer dem Handelsvertreter monatliche Provisionsabrechnungen erteilt. In den Provisionsabrechnungen wurde dem Handelsvertreter zudem auch mitgeteilt, für welche Geschäfte keine Provision gezahlt wurde. Der beklagte Unternehmer war deshalb der Ansicht, er habe hierin alle erforderlichen Informationen i.S.v. § 87c Abs. 2 HGB bereits im Vorhinein sukzessive mitgeteilt und dadurch den Buchauszugsanspruch im Voraus erfüllt. 

    Daneben hatte der klagende Handelsvertreter in diesem Fall wöchentlich beim Unternehmer Nachfragen zu den Provisionsabrechnungen gestellt und in diesem Zusammenhang wurde sich mit dem Unternehmer über die Abrechnungen ausgetauscht. Einzelne Abrechnungen wurden zudem widerspruchslos vom Handelsvertreter entgegengenommen. Der Unternehmer war deshalb der Ansicht, der Handelsvertreter habe durch diese Abstimmung über die Provisionen auf weitergehende Provisionsansprüche und die Geltendmachung seines Buchauszugsanspruchs verzichtet. 

    Spoiler: Das OLG Naumburg hat die Einwände des Unternehmers zurückgewiesen und diesen zur Erteilung eines Buchauszuges verurteilt.

    Was ist ein Buchauszug i.S.v. § 87c Abs. 2 HGB?

    Vorab ist es wichtig zu verstehen, was das Gesetz und die Rechtsprechung unter einem Buchauszug eigentlich verstehen. Denn ein Buchauszug ist mehr als eine bloße Aufstellung über einzelne Geschäfte des Unternehmers. Er soll nach seinem Sinn und Zweck den Handelsvertreter in die Lage versetzen, die ihm erteilten Provisionsabrechnungen auch unabhängig von seinen eigenen Unterlagen zu überprüfen (vgl. BGH, Urt. v. 19.09.2017 – VII ZB 64/14).

    Ein Buchauszug im Sinne von § 87c Abs. 2 HGB erfordert daher eine vollständige, geordnete und übersichtliche Darstellung aller sich im Zeitpunkt seiner Aufstellung aus den Büchern ergebenden Geschäftsdaten, die für die Provision des betreffenden Handelsvertreters von Bedeutung sind (ständige Rechtsprechung des BGH, z.B. Urt. v. 23.10.1981 -I ZR 171/79; Urt. v. 20.09-2006 – VIII ZR 100/05 und Urt. v. 29.10.2008 – VIII ZR 205/05).

    Die getroffene Provisionsvereinbarung bestimmt daher mit ihren Voraussetzungen maßgeblich den Inhalt des Buchauszugs. Aufzunehmen sind sämtliche Geschäfte sowie die dazugehörigen provisionsrelevanten Geschäftsdaten (etwa Kundenname, Adresse, Auftragsdatum, Kaufpreis, Datum der Lieferung, Datum der Zahlung und deren Höhe, Gründe für etwaige Nichtausführung (§ 87a Abs. 3 HGB), etc.), für die ein Provisionsanspruch nicht von vornherein ausgeschlossen ist (vgl. BGH, Urt. v. 11.05.2016 – VII ZR 64/15). Letzteres kann z.B. bei bereits eingetretener Verjährung der Provisionsansprüche oder vertraglich ausgeschlossene Kundengruppen teilweise der Fall sein. Der Unternehmer muss deshalb auch solche Geschäfte mit in den Buchauszug mitaufnehmen, bei denen aus seiner Sicht kein Provisionsanspruch besteht (vgl. BGH, Urt. v. 11.05.2016 – VII ZR 64/15). 

    Daneben ist ein Buchauszug nur dann erteilt, wenn dieser auch in einer geordneten und übersichtlichen Darstellung erstellt wurde. Der Handelsvertreter ist nämlich nicht verpflichtet, sich aus einem Wust von Daten, die für ihn wichtigen Informationen selbst herauszusuchen. Vielmehr müssen die Informationen aus sich heraus verständlich und übersichtlich sein. 

    In der Praxis erteilt der Unternehmer häufig einen unvollständigen Auszug, indem teilweise Zeiträume oder systematisch provisionsrelevante Informationen fehlen. Nach der Rechtsprechung kann der Handelsvertreter in diesen Fällen vorrangig Ergänzung des bereits erteilten Buchauszuges verlangen. Einen vollständig neuen Buchauszug kann der Handelsvertreter hingegen verlangen, wenn der zur Verfügung gestellte Auszug so schwere Mängel aufweist und so unzulänglich ist, dass er für den Handelsvertreter völlig unbrauchbar ist (vgl. BGH, Urt. v. 20.02.1964 – VII ZR 147/62; OLG Köln, Urt. v. 27.01.2017 - 19 U 89/16).

    Wann ist der Buchauszugsanspruch im Voraus erfüllt? Reichen regelmäßige Provisionsabrechnungen?

    In der Praxis ist der Einwand der Erfüllung des Buchauszugsanspruchs das wichtigste Verteidigungsmittel des Unternehmers. Erfüllung des Anspruchs nach § 362 Abs. 1 BGB kommt dabei nur dann in Betracht, wenn der Unternehmer seiner Verpflichtung aus § 87c Abs. 2 HGB vollumfänglich nachgekommen ist und einen entsprechenden Buchauszug dem Handelsvertreter auf dessen Verlangen hin erteilt hat. Ist der Buchauszug systematisch unvollständig, so ist er, wie bereits erwähnt, je nach Schwere der Mängel entweder nicht oder nur teilweise erfüllt.

    Regelmäßig liegt nur eine teilweise Erfüllung des Buchauszugsanspruchs vor, weil dieser unter systematischen Fehlern leidet. Ein Klassiker ist hierbei die fehlende Nennung der Gründe für vom Unternehmer nicht ausgeführte Geschäfte, denn dies sind Informationen, die der Unternehmer oft nicht unmittelbar im Zugriff hat, weil sie nicht unbedingt systematisch so gespeichert werden, dass sie automatisiert ausgeworfen werden könnten. Nach § 87a Abs. 3 HGB hat der Handelsvertreter auch bei Nichtausführung eines abgeschlossenen Geschäfts zwingend Anspruch auf seine Provision, wenn der Unternehmer für die Nichtausführung verantwortlich war. Ob dies der Fall war, kann der Handelsvertreter jedoch nur dann beurteilen, wenn ihm der Grund vom Unternehmer auch mitgeteilt wird. Enthält der erteilte Buchauszug des Unternehmers diese Angaben generell nicht, so liegt ein systematisch lückenhafter Buchauszug vor und der Anspruch aus § 87c Abs. 2 HGB wurde nicht vollständig erfüllt (BGH, Urt. v. 21.03.2001 – VIII ZR 149/99).

    Ähnlich verhielt es sich im Fall des OLG Naumburg. Dort behauptete der Unternehmer zwar, seiner Buchauszugsverpflichtung bereits durch monatliche Provisionsabrechnungen, die auch diejenigen Geschäfte nannten, für die aus Sicht des Unternehmers kein Provisionsanspruch besteht. Allerdings fehlten diesen monatlichen Provisionsabrechnungen systematisch eine Vielzahl an provisionsrelevante Angaben, wie etwa die Kunden- und Vertragsnummern, das jeweilige Auftragsdatum, das Datum der Lieferung oder die Angabe der Gründe für Stornierungen. Eine Vorauserfüllung des Buchauszugsanspruchs kam daher nicht in Betracht.

    Wann verzichtet der Handelsvertreter auf seinen Buchauszugsanspruch?

    Eine weitere sehr praxisrelevante Frage, mit der sich auch das OLG Naumburg auseinanderzusetzen hatte, ist, wann der Handelsvertreter auf seinen Buchauszugsanspruch ggf. verzichtet. Hierbei gilt Folgendes:

    Die widerspruchslose Entgegennahme von Provisionsabrechnungen durch den Handelsvertreter stellt nach der Rechtsprechung keinen Verzicht auf die Geltendmachung weitergehender Provisionsansprüche oder Auskunftsansprüche dar (BGH, Urt. v. 20.09.2006 – VIII ZR 100/05; OLG Köln, Urt. v. 27.01.2017 - 19 U 89/16). Diesen wesentlichen Grundsatz bestätigte auch das OLG Naumburg in seiner Entscheidung. 

    Zudem gilt, dass an einen Anspruchsverzicht von der Rechtsprechung sehr hohe Anforderungen gestellt werden und dies in der Regel nur in Betracht kommt, wenn der Handelsvertreter dies unmissverständlich erklärt (so auch etwa OLG Köln, Urt. v. 27.01.2017 - 19 U 89/16). 

    Vor diesem Hintergrund entschied das OLG Naumburg in überzeugender Weise, dass der Handelsvertreter auf seinen Buchauszugsanspruch nicht durch sein Verhalten verzichtet habe. Denn dem Umstand, dass der Handelsvertreter wöchentlich Nachfragen zu seinen Provisionsansprüchen stellte und hierzu eine gewisse Abstimmung mit dem Unternehmer erfolgte, könne nicht entnommen werden, dass der Handelsvertreter auf seine weitergehenden Provisions- und Auskunftsansprüche verzichte.

    Fazit

    Das OLG Naumburg hat die bestehende Rechtsprechung zum Buchauszugsanspruch überzeugend auf den zu entscheidenden Fall angewandt. 

    Vor dem Hintergrund dieses Falles ist Unternehmern dringend zu empfehlen, die eigenen Datensysteme so zu organisieren, dass sämtliche für die getroffenen Provisionsvereinbarungen relevanten Daten bei Bedarf leicht verfügbar sind. Denn nur so können die regelmäßig immensen Kosten für die Erstellung eines Buchauszugs auf ein Mindestmaß begrenzt werden und dem Handelsvertreter ein entsprechender Verhandlungshebel aus der Hand genommen werden.

    Christopher D. Harten

     

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