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Rechtliche Einordnung der geplanten Krankenhausreform des Bundesgesundheitsministeriums aus verfassungsrechtlicher Perspektive

In unserem ersten Blogbeitrag zu der geplanten Krankenhausreform haben wir uns mit der dritten Stellungnahme und Empfehlung der Regierungskommission zu einer grundlegenden Reform der Krankenhausvergütung vom 6. Dezember 2022 und deren Auswirkungen auf die deutsche Krankenhauslandschaft befasst. Die dort besprochenen Krankenhausversorgungsstufen und die gesetzgeberischen Bestrebungen des Bundesgesundheitsministeriums werden allerdings insbesondere von Seiten der Bundesländer stark kritisiert, da diese einen Eingriff in die eigenen Gesetzgebungskompetenzen sehen. Die inhaltliche Ausgestaltung der Krankenhauspläne oblag bisher den Ländern. Nicht nur deshalb haben die Bundesländer Bayern, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein ein entsprechendes Rechtsgutachten bei der Universität Augsburg in Auftrag gegeben.

Der nachfolgende Beitrag soll eine thematische Einordnung der verfassungsrechtlichen Fragen bieten, ohne dabei den Anspruch zu erheben, die verfassungsrechtlichen Fragen abschließend zu beantworten.

Gesetzgebungskompetenz des Bundes und der Länder allgemein

Eines der Merkmale unseres Föderalismus besteht darin, dass sowohl der Bund als auch die Länder eigene Staatsgewalt haben und Gesetze erlassen können, wobei die Ausübung staatlicher Befugnisse und die Erfüllung staatlicher Aufgaben grundsätzlich gemäß Art. 30 Grundgesetz (GG) Sache der Länder ist. Dies erstreckt sich gemäß Art. 70 GG auch auf das Recht der Gesetzgebung, das grundsätzlich auch bei den Bundesländern liegt. Der Bund übernimmt nur dann staatliche Befugnisse, wenn dies das Grundgesetz ausdrücklich vorschreibt. In diesem Zusammenhang unterscheidet man die ausschließliche und die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit. Ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit meint, dass der Bund das alleinige Recht hat, Gesetze zu erlassen. Die Länder haben in diesem Fall die Befugnis zur Gesetzgebung nur, wenn sie hierzu durch ein Bundesgesetz ausdrücklich ermächtigt sind (Artikel 71 GG). Konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes (Artikel 72 GG) bedeutet, dass die Länder nur dann gesetzgeberisch tätig werden dürfen, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit keinen Gebrauch gemacht hat.

Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Krankenhauswesens

Die Krankenhausfinanzierung, die einen Teil des Krankenhauswesens darstellt, gehört nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG („die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser“) zum Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung.

Zusätzlich unterliegt der Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG der Erforderlichkeitsklausel des Art. 72 Abs. 2 GG, wonach der Bund von seiner konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnis nur dann Gebrauch machen darf, wenn dies erforderlich im Sinne des Art. 72 Abs. 2 GG ist, also „wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht“. Das Gesetzgebungsrecht des Bundes besteht nicht, wenn die genannten Zielvorgaben durch die Länder selbst erreicht werden könnten. Die Erforderlichkeitsklausel unterstreicht also den grundsätzlichen Vorrang der Gesetzgebungsbefugnis der Länder.

Auf Grundlage des Kompetenztitels zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser hat der Bund das Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) erlassen und damit von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht. Nach § 6 Abs. 1 Hs. 1 KHG stellen die Länder Krankenhauspläne und Investitionsprogramme zur Verwirklichung der in § 1 KHG genannten Ziele auf. Sie sind somit aufgrund eines gesetzlichen Auftrags zur Aufstellung eines Krankenhausplans verpflichtet.

Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG erfasst jedoch nur den Teilbereich der wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser. Die Krankenhausplanung selbst ist von diesem Kompetenztitel nicht erfasst. Die inhaltliche Planung ist aufgrund der grundsätzlichen Landeskompetenz Sache der Länder. Für Angelegenheiten, die die Krankenhausplanung betreffen, kann somit nur in Ausnahmefällen eine Bundeskompetenz angenommen werden. Zum einen kann sich diese nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG richten, was jedoch nur dann bejaht werden kann, wenn der Bezug zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser offensichtlich ist und den Ländern eigenständige und erhebliche Gestaltungsspielräume bleiben.

Zum anderen können aufgrund der Bundeskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG („die Sozialversicherung“) Regelungen im Bereich der Qualitätssicherung in die Krankenhausplanung hineinwirken. Der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) beispielsweise beschließt nach § 136c Abs. 1 SGB V Qualitätsindikatoren, die nach § 6 Abs. 1a S. 1 KHG grundsätzlich in die Krankenhauspläne aufzunehmen sind; nach S. 2 haben die Länder jedoch eine Abweichungskompetenz. § 6 Abs. 4 KHG, der die Ausgestaltung der Krankenhauspläne den Ländern überlässt, stellt darüber hinaus klar, dass der Bund keine abschließende Regelung auf Bundesebene treffen wollte. Die Inhalte der Krankenhausplanung obliegen somit nach dem aktuellen KHG vollständig der Entscheidung der Länder.

Übertragung auf die geplante Reform

Gesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach betont, dass das Planungsrecht trotz der geplanten Reform den Ländern verbleiben soll. Zusätzlich wolle man auf die bereits bestehenden Reformen in den Bundesländern aufbauen. Gemeint sind hier wohl die Reformen, die in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen beschlossen wurden und teilweise bereits in der Umsetzung sind.

Nordrhein-Westfalen hat seinen neuen Krankenhausplan bereits am 27. April 2022 vorgestellt und mit der schrittweisen Umsetzung am 1. September 2022 begonnen. Der entwickelte Krankenhausplan enthält sogenannte Leistungsbereiche und Leistungsgruppen, die medizinische Fachgebiete und Unterdisziplinen abbilden. Im Unterschied zum bisherigen Krankenhausplan, der sich primär nach der Anzahl der vorhandenen Betten richtete, soll fortan eine Orientierung am tatsächlichen Versorgungsgeschehen stattfinden. Dies soll die flächendeckende Grundversorgung stärken und gleichzeitig die Qualität der medizinischen Versorgung sicherstellen.

Auch Niedersachsen will die bestehende Struktur der Krankenhäuser reformieren und beschloss deshalb am 28. Juni 2022 ein neues, eigenes Krankenhausgesetz. Niedersachsen soll danach in acht Versorgungsregionen unterteilt werden; zusätzlich sollen die Krankenhäuser in drei Stufen als Grund-, Schwerpunkt- und Maximalversorger eingestuft werden. Unabhängig von diesen drei Stufen sind Fachkrankenhäuser sowie regionale Gesundheitszentren vorgesehen, insbesondere für Regionen, in denen es kein Krankenhaus gibt. Die Versorgungsaufträge sollen sich nach dem regionalen Bedarf richten und explizite Qualitätsvorgaben aufgestellt werden.

Fazit

Der Erlass von Bundesgesetzen, die den Bereich der Krankenhausplanung betreffen, ist aufgrund der grundsätzlichen Landeskompetenz nicht ohne weiteres möglich. Den Ländern muss in jedem Fall ein ausreichender Gestaltungsspielraum verbleiben. Für eine Krankenhausreform bedarf es somit der engen Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern, um die verfassungsrechtlichen Vorgaben zum Erlass entsprechender Gesetze einzuhalten.

Benjamin Knorr
Dr. Silke Dulle

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Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.

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