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Leitentscheidungsverfahren beim BGH: Gesetzesentwurf zur Ressortabstimmung vorgelegt

Massenverfahren stellen die Zivilgerichte vor enorme Herausforderungen. Die deutsche Richterschaft verlangt daher schon lange nach einer Entlastung angesichts der immer häufiger werdenden Klagewellen in sogenannten Massenverfahren. Die Musterfeststellungsklage war bereits ein erster Schritt in die richtige Richtung, jedoch hat sie sich nicht als geeignet erwiesen, massenhafte Anspruchsforderungen so effizient wie möglich beizulegen.

Weil die Zivilgerichte durch solche Verfahren überlastet werden, verlängern sich die Verfahrensdauer anderer Verfahren. Dies ist nicht nur für die Anwaltschaft, sondern vor allem für die Zivilprozessparteien, die auf eine Entscheidung ihres Rechtsstreits warten müssen, unbefriedigend. Es ist daher sehr zu begrüßen, dass das Bundesjustizministerium heute einen Gesetzesentwurf zur Einführung eines sogenannten Leitentscheidungsverfahrens beim Bundesgerichtshof (BGH) zur Ressortabstimmung vorgelegt hat.

Ziel des Gesetzesentwurfs soll es sein, früher Entscheidungen des BGH zu immer wiederkehrenden Fragestellungen in den Massenverfahren zu erhalten, um damit früher Leitlinien für die Instanzgerichte zu schaffen und ggf. weitere Klagen zu verhindern. Der Entwurf sieht vor, dass der BGH aus den bei ihm anhängigen Revisionsverfahren ein aus seiner Sicht geeignetes Verfahren auswählen kann, das er zum sog. Leitentscheidungsverfahren bestimmt. Dieses Verfahren kann dem BGH dann nicht mehr entzogen werden. Bisher scheiterten frühzeitige Entscheidungen des BGH häufig daran, dass die Parteien sich vor einer Entscheidung verglichen, und die Revision in letzter Minute doch noch zurückgenommen wurde.

Nach wie vor sollen die Parteien – um der Dispositionsmaxime im Zivilprozess Rechnung zu tragen – das Verfahren einvernehmlich beenden können. Der BGH kann jedoch trotzdem das Verfahren als Leitentscheidungsverfahren fortführen und im Beschlusswege über bestimmte Rechtsfragen entscheiden. Diese Leitentscheidung soll dann zwar keine formale Bindungswirkung und keinen Einfluss auf das zugrundeliegende Revisionsverfahren mehr haben. Die Leitentscheidung soll jedoch Leitlinien für die Instanzgerichte schaffen und damit für mehr Rechtssicherheit in den Massenverfahren sorgen und ggf. neue Klagen vermeiden.

Eine vom eigentlichen Verfahren unabhängige Leitentscheidungskompetenz des BGH ist daher sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung, selbst wenn sie einen gewissen Systembruch bedeutet.

Es bleibt abzuwarten, wie der Gesetzesentwurf in der Zivilprozessordnung umgesetzt werden soll. Wir halten Sie dazu auf dem Laufenden.

Christina Weinzierl
Katharina Pöhls

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Massenverfahren Zivilprozess

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