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Bundesgerichtshof klärt Frage, ob verauslagte Gerichtskosten vor Antrag auf Kostenerstattung zu verzinsen sind

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 26. April 2023 – VIII ZR 125/21 die umstrittene Frage entschieden, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Kläger die Verzinsung eines materiell-rechtlichen Erstattungsanspruchs für die von ihm verauslagten Gerichtskosten verlangen kann. Zudem konkretisierte der Bundesgerichtshof das Verhältnis zwischen materiell-rechtlich und prozessualem Kostenerstattungsanspruch.

Sachverhalt

Der Kläger macht als Mieter verschiedene Zahlungs- und Feststellungsansprüche gegen seinen Vermieter geltend. Dabei begehrt er auch festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet sei, auf die vom Kläger verauslagten Gerichtskosten Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab der jeweiligen Einzahlung durch den Kläger "nach Maßgabe der Kostenquote des Tenors des Urteils" zu zahlen. Das Amtsgericht hat den auf die Verzinsungspflicht der Gerichtskostenvorschüsse gerichteten Feststellungsantrag mit seinem Urteil abgewiesen. Im Berufungsverfahren änderte der Kläger seinen Feststellungsantrag hinsichtlich der Verzinsung der Gerichtskostenvorschüsse in einen Zahlungsanspruch gemäß §§ 286, 288 Abs. 1. BGB "nach Maßgabe der Kostenquote des Tenors des Urteils".

Die Entscheidung

Sowohl Berufung als auch Revision blieben ohne Erfolg. Der Hauptantrag sei schon wegen Unbestimmtheit unzulässig und der als Hilfsantrag aufrecht erhaltene Feststellungsantrag sei in der Sache erfolglos. Es komme eine Verzinsung des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs für verauslagte Gerichtskostenvorschüsse gemäß §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB nicht in Betracht, soweit dieser wegen des Vorrangs des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs nicht durchgesetzt werden könne. Es fehle damit am Verzug als Voraussetzung für eine Verzinsung.

Unbestimmtheit des Antrages

Der Hauptantrag sei im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht hinreichend bestimmt und daher unzulässig. Der Kläger wälze mit der unbestimmten Formulierung "nach Maßgabe der Kostenquote des Tenors des Urteils" in unzulässiger Weise sein Risiko des Unterliegens in diesem Antrag auf den Beklagten ab. Bei Zinsansprüchen seien grundsätzlich "der Kapitalbetrag, der Zinssatz (wobei der Verweis auf den Basiszinssatz als variable Größe ausreicht), der Beginn und gegebenenfalls das Ende des Zinszeitraums anzugeben". Nur in Fällen der Bestimmung des geschuldeten Betrages nach gerichtlicher Schätzung oder billigem Ermessen des Gerichts sei ein unbestimmter Antrag grundsätzlich möglich. Ein Antrag auf Erstattung von Zinsen " nach Maßgabe der Kostenquote des Tenors des Urteils" sei dementsprechend unzulässig. Die Höhe der geltend gemachten Zinsforderung sei dabei unbestimmt. Der Kläger begehre im Ansatz eine Verzinsung in voller Höhe mit der Bereitschaft eine Reduzierung hinzunehmen, sollte die Anspruch auf Kostenerstattung nur teilweise bestehen. Das Risiko dieses Teilverlustes könne der Kläger nicht durch eine unbestimmte Antragsstellung umgehen. Dieses Risiko wohne jedem Prozess in kostenrechtlicher Natur inne und müsse vom Kläger getragen werden.

Verhältnis zwischen materiell-rechtlichem und prozessualem Kostenerstattungsanspruch

Eine Verzinsung des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs aus §§ 91 ff. ZPO ist erst ab Eingang des Kostenfestsetzungsantrags gemäß § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO bzw. im Falle des § 105 Abs. 3 ZPO ab Verkündung des Urteils möglich. Der Kläger begehrte in diesem Verfahren die Verzinsung eines Kostenerstattungsanspruchs für die Zeit zwischen Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses und dem in § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO genannten Zeitpunkt.

Der Bundesgerichtshof löst mit dieser Entscheidung die bisher umstrittene Situation, ob eine Partei von ihr verauslagte Gerichtskostenvorschüsse ohne Darlegung eines konkreten (Verzugs-) Schadens bereits vor dem von § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO erfassten Zeitraum im Rahmen eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs Zinsen verlangen könne.

Materiell-rechtliche und prozessuale Kostenerstattungsansprüche könnten grundsätzlich selbstständig nebeneinanderstehen oder unter besonderen Umständen sogar gegeneinander gerichtet sein. Im Rahmen der Geltendmachung eines materiell-rechtlichen Anspruchs in Bezug auf reine Prozesskosten könne dieser wegen des Vorrangs des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs nicht durchgesetzt werden.

Einer Klage auf Erstattung der reinen Prozesskosten im Wege des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs fehle das Rechtsschutzinteresse. Die Geltendmachung des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs im Kostenfestsetzungsverfahren sei weniger aufwendig und damit vorrangig. Dies folge aus dem Zweck des prozessualen Kostenrechts. Dieses soll einen vereinfachten Ausgleich der Prozesskosten ermöglichen. Der prozessuale Kostenerstattungsanspruchs sei an das Ergebnis der Hauptsacheentscheidung anknüpft und die Bestimmung des Umfangs erfordere keine umfangreiche Ermittlung. Einem Rechtsstreit über prozessualen Kostenersatz seien zudem enge Grenzen des § 99 ZPO gesetzt, die nicht durch den materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs umgangen werden sollten.

Diese Beschränkung der Durchsetzbarkeit des materiellen Kostenerstattungsanspruch führe dazu, dass kein Verzug i.S.v. § 286 Abs. 1 BGB vorliege. Daher sei der materielle Kostenerstattungsanspruch insoweit nicht zu verzinsen.

Fazit

Der Bundesgerichtshof löst mit dieser Entscheidung die bisher von den Oberlandesgerichten unterschiedlich bewertete Frage der Verzinsung von Kostenerstattungsansprüchen. Die Klarstellung des Bundesgerichtshofs führt zu einer begrüßenswerten Rechtssicherheit.

Dr. Ralf Hafner
Tobias Pörnbacher

Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.

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Kostenerstattungsanspruch Prozesskosten

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