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M&A: Zur Bedeutung der aktualisierten Gesellschafterliste im Handelsregister

OLG Schleswig, Beschluss vom 20.3.2023 – 2 Wx 56/22

Beim Unternehmenskauf kann ein Gesellschafter, der noch nicht in der Gesellschafterliste im Handelsregister eingetragen ist, ausnahmsweise seine Gesellschafterrechte auch dann wirksam ausüben, wenn die aktualisierte Gesellschafterliste unverzüglich nach Vornahme der entsprechenden Handlung in das Handelsregister aufgenommen wird.

Der Gesellschafter einer GmbH kann seine Gesellschaftsrechte gegenüber der Gesellschaft nur dann ausüben, wenn er als Gesellschafter in der Gesellschafterliste beim Handelsregister eingetragen ist. Das schafft Transparenz über die Anteilsstrukturen der Gesellschaften und erschwert Geldwäsche . Und weil der Erwerber von Geschäftsanteilen durch dieses Erfordernis ein Eigeninteresse an einer zeitnahen Eintragung in die Gesellschafterliste hat, wird erreicht, dass der Gesellschafterbestand stets aktuell und lückenlos nachvollziehbar ist.

In der Praxis erweisen sich diese Regelungen allerdings als sperrig. Vor allem beim Kauf von Vorratsgesellschaften und dann, wenn der Erwerber sämtliche Anteile an einer Gesellschaft übernimmt, will der Erwerber in aller Regel unmittelbar nach Beurkundung des Übertragungsvertrages im gleichen Notartermin die Gesellschaft durch Satzungsänderungen umgestalten und die Geschäftsführung auswechseln. Auf diese Weise kann sich der Erwerber einen zweiten Notartermin sparen. Allerdings ist der Erwerber zu diesem Zeitpunkt noch nicht als Gesellschafter in der Gesellschafterliste beim Handelsregister eingetragen. Er kann daher noch nicht als Gesellschafter agieren und daher auch keine wirksamen Gesellschafterbeschlüsse fassen. In der Praxis behilft man sich häufig mit Vollmachten: der Veräußerer bevollmächtigt den Erwerber, eine Gesellschafterversammlung abzuhalten und Beschlüsse über Satzungsänderungen und Geschäftsführerwechsel zu fassen.

Einen Ausweg bietet auch § 16 Abs. 1 Satz 2 GmbHG, wonach eine vom Erwerber in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis vorgenommene Rechtshandlung als von Anfang an wirksam gilt, wenn die Gesellschafterliste unverzüglich nach Vornahme der Rechtshandlung in das Handelsregister aufgenommen wird. Für die Anwendung dieser Ausnahmeregelung ist entscheidend, bei welcher Zeitspanne noch von "unverzüglich" die Rede sein kann und welcher Zeitpunkt für die Berechnung der Zeitspannt maßgeblich ist: die Einreichung der Unterlagen beim Handelsregister oder die tatsächliche Aufnahme der aktuellen Gesellschafterliste im Handelsregister. Mit dieser Thematik hatte sich jüngst das OLG Schleswig zu beschäftigen.

Hintergrund

In dem zugrunde liegenden Fall übertrug der vormalige Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH sämtliche Anteile an seiner Gesellschaft mit notariell beurkundetem Vertrag auf den Erwerber. Ausweislich der notariellen Urkunde hielt der Erwerber im gleichen Notartermin unmittelbar nach Beurkundung der Anteilsübertragung eine Gesellschafterversammlung ab, berief den vormaligen Geschäftsführer ab, bestellte sich selbst zum neuen Geschäftsführer und verlegte den Sitz der Gesellschaft. Der Notar reichte die neue Gesellschafterliste zusammen mit dem entsprechenden Antrag auf Eintragung der beschlossenen Änderungen knapp vier Wochen nach dem Beurkundungstermin beim Registergericht ein. Das Registergericht wies den Eintragungsantrag zurück. Hiergegen wandte sich der Erwerber mit seiner Beschwerde – ohne Erfolg.

Das OLG Schleswig entschied, dass das Registergericht den Eintragungsantrag zu Recht zurückgewiesen hat. Denn die vom Erwerber gefassten Beschlüsse sind unwirksam: nur ein Gesellschafter, der als solcher in der beim Handelsregister eingereichten Gesellschafterliste eingetragen ist, kann seine Gesellschafterrechte gegenüber der Gesellschaft ausüben. Zwar gilt eine vom Erwerber in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis vorgenommene Rechtshandlung als von Anfang an wirksam, wenn die aktuelle Gesellschafterliste unverzüglich nach Vornahme der Rechtshandlung in das Handelsregister aufgenommen wird. Diese Ausnahmeregelung greift vorliegend aber nicht: denn unverzüglich, also ohne schuldhaftes Verzögern, ist eine Einreichung nach Ablauf von knapp vier Wochen nicht, sondern allenfalls dann, wenn sie innerhalb einer Frist von höchstens zwei Wochen nach Vornahme der Rechtshandlung (hier der Beschlussfassung) erfolgt. Dabei wird dem Erwerber die schuldhafte Verzögerung durch den Notar zugerechnet. Maßgeblicher Zeitpunkt ist außerdem die Einreichung der Gesellschafterliste beim Handelsregister und nicht die tatsächliche Aufnahme der neuen Liste im Handelsregister. Eine verzögerte Bearbeitung durch das Handelsregister geht daher nicht zulasten des neuen Gesellschafters. Da die Handelsregisteranmeldung zu spät eingereicht worden ist, waren alle gefassten Gesellschafterbeschlüsse unwirksam – auch die Bestellung des Erwerbers zum Geschäftsführer der Gesellschaft.

Anmerkungen und Praxistipp

Der Beschluss des OLG Schleswig schafft Rechtssicherheit: Mit der Festlegung einer Frist von höchstens zwei Wochen nach Vornahme der Rechtshandlung und der Klarstellung, dass es für die Berechnung der Frist auf die Einreichung der aktualisierten Gesellschafterliste beim Handelsregister ankommt, gibt das OLG Schleswig der Praxis klare Anforderungen für die Ausnahmeregelung an die Hand.

Aus Erwerbersicht problematisch ist indes, dass das OLG Schleswig die Verzögerung des Notars bei Einreichung der aktualisierten Gesellschafterliste dem Erwerber zurechnet. Bleibt die Sache beim Notar liegen, hat der Erwerber das Nachsehen. Denn liegen die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung nicht vor, werden die Rechtshandlungen des Erwerbers endgültig unwirksam. Nimmt ein Erwerber also an einer Beschlussfassung der Gesellschaft teil und wird die aktualisierte Liste nicht unverzüglich in das Handelsregister aufgenommen, ist der Beschluss anfechtbar – im Falle einer Einpersonengesellschaft sogar nichtig. Geschäftsführerabberufung und -neubestellung sind unwirksam. Dass der Notar bei schuldhafter Verzögerung ggf. auf Schadensersatz haftet, dürfte ein schwacher Trost sein.

In der Praxis sind daher andere Gestaltungen zu empfehlen: Der Veräußerer kann den Rechtshandlungen des Erwerbers entweder ausdrücklich zustimmen oder ihm eine gegenständlich oder zeitlich beschränkte Vollmacht zur Ausübung der Gesellschafterrechte einräumen.

Dr. Barbara Mayer
Lisa Werle

Dieser Blogbeitrag erscheint ebenso im Haufe Wirtschaftsrechtsnewsletter.



Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.



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Unternehmenskauf Gesellschafterrechte Gesellschafter-Geschäftsführer

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