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Die neue Nachhaltigkeitsberichterstattung und erweiterte Geschäftsleiterpflichten

Die EU schreitet mit ihren ESG-Aktivitäten voran und verpflichtet viele Unternehmen zu einer umfassenden Nachhaltigkeitsberichterstattung. Das wirkt sich unmittelbar auf die Pflichten von Vorständen und Geschäftsführern aus. Der Beitrag fasst die wichtigsten Need-to-Knows zusammen.

Bereits seit 2017 sind große kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften, Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen, die im Jahresdurchschnitt mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigen, zur sog. nichtfinanziellen Berichterstattung verpflichtet (§ 289b Abs. 1 HGB). Dies beruht auf der Umsetzung der sog. CSR-Richtlinie (bzw. Non-Financial Reporting Directive, kurz NFRD) in deutsches Recht. In der nichtfinanziellen Erklärung müssen berichtspflichtige Unternehmen neben einer kurzen Beschreibung des Geschäftsmodells auf nichtfinanzielle Aspekte eingehen (insb. Umweltbelange, Arbeitnehmerbelange, Sozialbelange, Achtung der Menschenrechte und Bekämpfung von Korruption und Bestechung). Etwa genauso lange wird darüber diskutiert, inwieweit sich diese Berichterstattungspflichten auf die Sorgfaltspflichten des Vorstands bzw. der Geschäftsführung der berichtspflichtigen Unternehmen auswirken. Naheliegend ist insoweit, dass sich Vorstände und Geschäftsführer mit den nichtfinanziellen Aspekten jedenfalls in einer Weise beschäftigen müssen, dass sie darüber ordnungsgemäß berichten können. Teilweise wird darüber hinaus vertreten, dass das Handlungs- und Pflichtenprogramm der Geschäftsleiter auch über die eigentliche Pflicht zur nichtfinanziellen Berichterstattung hinaus erweitert werde. Von der wohl herrschenden Meinung wird das indes abgelehnt. Ganz unabhängig von etwaigen Berichtserstattungspflichten sollten Geschäftsleiter unternehmerische Entscheidungen auf einer angemessenen Informationsgrundlage treffen; hierzu gehören auch Nachhaltigkeitsaspekte, soweit sie für die jeweilige Entscheidung relevant sind.

Ausweitung und Konkretisierung der Nachhaltigkeitsberichterstattung

Zwischenzeitlich hat die EU die nichtfinanzielle Berichterstattung überarbeitet und zu einer umfassenden Nachhaltigkeitsberichterstattung ausgebaut. Die diesbzgl. Corporate Sustainability Reporting Directive (kurz CSRD) ist auf EU-Ebene unlängst in Kraft getreten und nunmehr von den EU-Mitgliedsstaaten in nationales Recht umzusetzen. Hierdurch wird es EU-weit zu einer ganz erheblichen Ausweitung des Kreises der berichtspflichtigen Unternehmen kommen. Allein in Deutschland werden statt bislang ca. 500 Unternehmen künftig etwa 15.000 Unternehmen zur neuen Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet sein. Insgesamt sind über 50.000 Unternehmen betroffen, während die NFRD bislang EU-weit nur etwa 11.700 Unternehmen erfasst.

Berichtspflichtige Unternehmen und Beginn der Berichtspflichten

Die Pflicht zur neuen Nachhaltigkeitsberichterstattung soll eine Vielzahl von Unternehmen ab den nachfolgenden Zeitpunkten treffen (vgl. Art. 5 CSRD):
1. Gruppe: Für am oder nach dem 1. Januar 2024 beginnende Geschäftsjahre sind solche Unternehmen berichtspflichtig, die schon bislang nach der NFRD zur nichtfinanziellen Berichterstattung verpflichtet sind (s.o.).

2. Gruppe: Für am oder nach dem 1. Januar 2025 beginnende Geschäftsjahre sind alle großen Kapitalgesellschaften und Mutterunternehmen großer Gruppen iSv §§ 267, 293 HGB berichtspflichtig, d.h. Gesellschaften, die an zwei aufeinander folgenden Abschlussstichtagen zwei der folgenden drei Kriterien überschreiten: EUR 20 Mio. Bilanzsumme, EUR 40 Mio. Umsatzerlöse, 250 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt. Im Vergleich zur NFRD entfällt also die bisherige Voraussetzung der Kapitalmarktorientierung und die Arbeitnehmerzahl sinkt von 500 auf 250.

3. Gruppe: Für am oder nach dem 1. Januar 2026 beginnende Geschäftsjahre sind kapitalmarktorientierte kleine und mittlere Kapitalgesellschaften (mit Ausnahme von Kleinstunternehmen) unabhängig von der Zahl der Arbeitnehmer berichtspflichtig. Für solche KMU besteht jedoch die Möglichkeit eines (zu begründenden) opt-out in den ersten beiden Jahren, so dass die Berichtspflicht hier spätestens für am oder nach dem 1. Januar 2028 beginnende Geschäftsjahre greift. Ferner fallen kleine und nicht komplexe Kreditinstitute und firmeneigene Versicherungsunternehmen in diese 3. Gruppe.

4. Gruppe: Für am oder nach dem 1. Januar 2028 beginnende Geschäftsjahre sind schließlich auch Nicht-EU-Unternehmen mit einem Netto-Jahresumsatz in der EU von über EUR 150 Mio. in den beiden letzten Geschäftsjahren und einem Tochterunternehmen in der EU, das zur 2. oder 3. Gruppe gehört, bzw. einer Niederlassung in der EU mit einem Netto-Jahresumsatz von über EUR 40 Mio. berichtspflichtig.

Inhalt der Nachhaltigkeitsberichterstattung

Die vorbezeichneten Unternehmen müssen in ihren Lagebericht Angaben aufnehmen, die für das Verständnis der Auswirkungen der Tätigkeiten des Unternehmens auf Nachhaltigkeitsaspekte sowie das Verständnis der Auswirkungen von Nachhaltigkeitsaspekten auf Geschäftsverlauf, Geschäftsergebnis und Lage des Unternehmens erforderlich sind („double materiality“). Im Einzelnen müssen diese Informationen gemäß Art. 19a Bilanz-RL Folgendes umfassen:

a) eine kurze Beschreibung von Geschäftsmodell und Strategie des Unternehmens, einschließlich Angaben insb. zu der Widerstandsfähigkeit von Geschäftsmodell und Strategie des Unternehmens gegenüber Risiken sowie den Chancen des Unternehmens im Zusammenhang mit i) Nachhaltigkeitsaspekten, ii) zu der Art und Weise, wie das Unternehmen beabsichtigt sicherzustellen, dass sein Geschäftsmodell und seine Strategie mit dem Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft und der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 °C im Einklang mit dem Übereinkommen von Paris und dem im Europäischen Klimagesetz verankerten Ziel der Verwirklichung der Klimaneutralität bis 2050 vereinbar sind (ggf. auch der Exposition des Unternehmens gegenüber Aktivitäten mit Bezug zu Kohle, Öl und Gas), sowie iii) zu der Art und Weise, wie das Unternehmen den Belangen seiner Interessenträger und den Auswirkungen seiner Tätigkeiten auf Nachhaltigkeitsaspekte in seinem Geschäftsmodell und seiner Strategie Rechnung trägt;
b) eine Beschreibung der zeitgebundenen Nachhaltigkeitsziele, die sich das Unternehmen gesetzt hat, ggf. einschließlich der absoluten Ziele für die Verringerung der Treibhausgasemissionen mindestens für 2030 und 2050, eine Beschreibung der Fortschritte, die das Unternehmen im Hinblick auf die Erreichung dieser Ziele erzielt hat;
c) eine Beschreibung der Rolle der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsaspekten sowie ihrer Expertise zur Wahrnehmung dieser Rolle;
d) eine Beschreibung der Unternehmenspolitik hinsichtlich Nachhaltigkeit;
e) Angaben über das Vorhandensein von mit Nachhaltigkeitsaspekten verknüpften Anreizsystemen, die Mitgliedern der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane angeboten werden;
f) eine Beschreibung i) des vom Unternehmen mit Blick auf Nachhaltigkeitsaspekte und ggf. im Einklang mit den Anforderungen der EU für Unternehmen zur Durchführung eines Due-Diligence-Prozesses (vgl. CSDDD-E) durchgeführten Due-Diligence-Prozesses; ii) der wichtigsten tatsächlichen oder potenziellen negativen Auswirkungen, die mit der eigenen Geschäftstätigkeit des Unternehmens und mit seiner Wertschöpfungskette verknüpft sind; iii) jeglicher Maßnahmen des Unternehmens zur Verhinderung, Minderung, Behebung oder Beendigung tatsächlicher oder potenzieller negativer Auswirkungen und des Erfolgs dieser Maßnahmen;
g) eine Beschreibung der wichtigsten Risiken, denen das Unternehmen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsaspekten ausgesetzt ist, einschließlich einer Beschreibung der wichtigsten Abhängigkeiten in diesem Bereich, und der Handhabung dieser Risiken durch das Unternehmen;
h) Indikatoren, die für die unter den Buchstaben a bis g genannten Offenlegungen relevant sind.

Standards für die Nachhaltigkeitsberichtserstattung

Während für die nichtfinanzielle Berichterstattung nach NFRD bislang kein Berichtsstandard vorgegeben war und daher unterschiedlichste Standards zur Anwendung kamen, werden die Unternehmen zukünftig von der EU festgelegte technische Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (European Sustainability Reporting Standards, kurz ESRS) einhalten müssen. Die mit der Erstellung beauftragte European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) hat im November 2022 den ersten Satz von zwölf sektorübergreifenden ESRS an die EU-Kommission übergeben; mit einer Umsetzung ist bis zum 30. Juni 2023 zu rechnen.

Dieser erste Satz sektorübergreifender ESRS-Entwürfe deckt die folgenden Berichtsbereiche ab:

  1. Querschnittstandards: ESRS 1 – General requirements und ESRS 2 – General disclosures.
  2. Thematische Standards zu ESG: Umwelt (ESRS 1 Climate change, ESRS 2 Pollution, ESRS 3 Water and marine resources, ESRS 4 Biodiversity and ecosystems, ESRS E5 Resource use and circular economy), Soziales (ESRS S1 Own workforce, ESRS S2 Workers in the value chain, ESRS S3 Affected communities, ESRS S4 Consumers and end-users) sowie Governance (ESRS G1 Business conduct).

Die CSRD sieht darüber hinaus die Erstellung sektorspezifische, drittstaatenspezifische und KMU-spezifische Standards bis zum 30. Juni 2024 vor.

Taxonomie-VO

Unternehmen, die gemäß NFRD zur nichtfinanziellen Berichterstattung verpflichtet sind, müssen gemäß Art. 8 der Taxonomie-VO unabhängig von der CSRD schon jetzt Angaben darüber machen, wie und in welchem Umfang die Tätigkeiten des Unternehmens mit Wirtschaftstätigkeiten verbunden sind, die als ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten gemäß Artikel 3 und 9 der Taxonomie-VO einzustufen sind. Die nach der CSRD berichtspflichtigen Unternehmen werden künftig grundsätzlich entsprechende Angaben gemäß Taxonomie-VO offenzulegen haben.

Geschäftsleiterpflichten im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeitsberichterstattung

Vorstand bzw. Geschäftsführung der berichtspflichtigen Unternehmen müssen im Rahmen ihrer Legalitätspflicht dafür Sorge tragen, dass sämtliche für das Unternehmen relevanten Rechtsvorschriften eingehalten werden. Mit Blick auf die nichtfinanzielle Berichterstattung bzw. die zukünftige Nachhaltigkeitsberichterstattung müssen Geschäftsleiter daher jedenfalls entsprechende Maßnahmen ergreifen, damit das Unternehmen seinen Berichtspflichten nachkommen kann. Dies bezieht sich insbesondere auf die mitunter herausfordernde Aufgabe der Zusammenstellung der hierfür erforderlichen Informationen und Daten.

Aus der Beschreibung der Gegenstände der künftigen Nachhaltigkeitsberichterstattung wird darüber hinaus teilweise abgeleitet, dass die CSRD voraussetze, dass die Unternehmen – und damit auch deren Geschäftsleiter – in Bezug auf bestimmte Nachhaltigkeitsthemen Maßnahmen und Ziele festlegen und Fortschritte bei der Erreichung dieser Ziele machen. Dies gelte insbesondere für die „Beschreibung der zeitgebundenen Nachhaltigkeitsziele“ (ggf. einschließlich Verringerung der Treibhausgasemissionen) und „der Fortschritte, die das Unternehmen im Hinblick auf die Erreichung dieser Ziele erzielt hat“ sowie die „Art und Weise, wie das Unternehmen beabsichtigt sicherzustellen, dass sein Geschäftsmodell und seine Strategie mit dem Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft und der Begrenzung der Erderwärmung“ vereinbar sind.

Die Diskussion über Bestand und Inhalt etwaiger derartiger, aus der CSRD abzuleitender Handlungspflichten in Bezug auf die Aufstellung und Erreichung von Nachhaltigkeitszielen hat jedoch gerade erst begonnen. Unabhängig von der weiteren Entwicklung gibt es für Geschäftsleiter genug Anlass, sich mit den für das jeweilige Unternehmen relevanten Nachhaltigkeitsthemen intensiv zu beschäftigen und diese bei der Entscheidungsfindung mit zu berücksichtigen.

Dr. Daniel Walden
Dr. André Depping

Dieser Blogbeitrag erscheint ebenso im Haufe Wirtschaftsrechtsnewsletter.

Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.

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