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Ein guter Vorsatz im neuen Jahr: mehr Radfahren, aber wer bezahlt das Dienstrad?

Mehr Bewegung bzw. mehr Sport ist ein guter Vorsatz im Neuen Jahr. Häufig werden die guten Vorsätze, z.B. mehr Fahrrad fahren, früher oder später wieder aufgegeben. In meinem Blog geht es aber nicht um die Vorsätze oder die Bewegung und ob oder wann die Vorsätze wieder aufgegeben werden. In meinem Blog geht es um das Fahrradfahren, genauer um die Frage, wer das Fahrrad bezahlt.

Liebe Leserin, lieber Leser,

zur Ausübung der Arbeitsleistung von Arbeitnehmern sind Arbeitsmittel erforderlich. Der Metzger braucht Messer, der Koch benötigt Kochtöpfe, der Taxifahrer kann nicht ohne Taxi, beim Maler erfolgt die Arbeitsleistung mit Pinsel, der Anwalt braucht ein Gesetzbuch und Fahrradkuriere ein Rad. Wer stellt und bezahlt die im Arbeitsverhältnis erforderlichen Arbeitsmittel? Für ein Fahrrad und ein Mobiltelefon eines Fahrradlieferanten hat das BAG im Urteil vom 10.11.2021 (5 AZR 334/21) entschieden.

Arbeitsmittel

Arbeitsmittel sind Gegenstände, die zur Erfüllung der Arbeitsleistung erforderlich sind. Das können Maschinen, Werkzeuge, Geschäftsunterlagen und Arbeits- oder Schutzkleidung sein, aber auch dienstlich genutzte PKWs, Laptops, Mobiltelefone oder Fahrräder.
Bei ausschließlich dienstlicher Nutzung der vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel ist dies lohnsteuerlich unbeachtlich. Wenn der Arbeitnehmer sie dem Arbeitnehmer jedoch unentgeltlich auch zur privaten Nutzung überlässt, wie z.B. beim Dienstwagen mit privater Nutzung, ist der geldwerte Vorteil vom Arbeitnehmer zu versteuern.

Fahrradlieferant und das Arbeitsmittel Fahrrad und Mobiltelefon

Ein Fahrradlieferant liefert Speisen und Getränke an Kunden aus, die über das Internet bei verschiedenen Restaurants bestellen. Er benutzt für seine Arbeitstätigkeit sein eigenes Fahrrad und sein eigenes Mobiltelefon. Hierzu ist der Fahrradlieferant arbeitsvertraglich (AGB) verpflichtet. Der Arbeitgeber gewährte den Fahrradlieferanten eine Reparaturgutschrift von 0,25 Euro pro gearbeiteter Stunde, also 2 Euro am Tag bei einem 8h-Tag, die ausschließlich bei einem von ihr bestimmten Unternehmen eingelöst werden kann. Ein Fahrradlieferant verlangte, dass der Arbeitgeber ihm ein verkehrstüchtiges Fahrrad und ein geeignetes Mobiltelefon für seine vertraglich vereinbarte Tätigkeit zur Verfügung stellt.

Der Arbeitnehmer meinte, dass der Arbeitgeber verpflichtet sei, die notwendigen Arbeitsmittel bereitzustellen. Der Arbeitgeber meinte, dass die vertragliche Regelung wirksam sei, dass die bei ihm als Fahrradlieferanten beschäftigten Arbeitnehmer ohnehin über ein Fahrrad und ein internetfähiges Mobiltelefon verfügten und damit nicht bzw. kaum belastet seien und etwaige Nachteile seien durch die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit, Aufwendungsersatz geltend machen zu können und durch das gewährte Reparaturbudget ausgeglichen.

BAG vom 10.11.2021 (5 AZR 334/219)

Der Klage des Arbeitnehmers wurde stattgegeben. Die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte Nutzung des eigenen Fahrrads und Mobiltelefons benachteilige den Arbeitnehmer unangemessen und ist daher unwirksam. Der Arbeitnehmer werde durch diese Regelung von entsprechenden Anschaffungs- und Betriebskosten entlastet und trage nicht das Risiko, für Verschleiß, Wertverfall, Verlust oder Beschädigung der Arbeitsmittel einstehen zu müssen. Das Risiko liege beim Arbeitnehmer und das widerspreche dem gesetzlichen Grundgedanken des Arbeitsverhältnisses, wonach der Arbeitgeber die für die Ausübung der vereinbarten Tätigkeit wesentlichen Arbeitsmittel zu stellen und für deren Funktionsfähigkeit zu sorgen habe.

Es sei auch keine ausreichende Kompensation dieses Nachteils erfolgt. Die von Gesetzes wegen bestehende Möglichkeit, Aufwendungsersatz verlangen zu können, stelle keine angemessene Kompensation dar. Es fehle an einer gesonderten vertraglichen Vereinbarung. Die Höhe des zur Verfügung gestellten Reparaturbudgets orientiere sich nicht an der Fahrleistung, sondern an der damit nur mittelbar zusammenhängenden Arbeitszeit. Der Arbeitnehmer kann über das Budget auch nicht frei verfügen, sondern es nur bei einem vom Arbeitgeber bestimmten Unternehmen einlösen. In der Wahl der Werkstatt sei er nicht frei. Für die Nutzung des Mobiltelefons sei überhaupt kein finanzieller Ausgleich vorgesehen.

Der Arbeitnehmer kann deshalb vom Arbeitgeber verlangen, dass dieser ihm die für die vereinbarte Tätigkeit als „Rider“ notwendigen essentiellen Arbeitsmittel – ein geeignetes verkehrstüchtiges Fahrrad und ein geeignetes Mobiltelefon, auf das die Lieferaufträge und -adressen mit der hierfür verwendeten App übermittelt werden – bereitstellt.

Fazit

Arbeitnehmer haben Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber ihnen die für die Ausübung ihrer Tätigkeit essentiellen Arbeitsmittel zur Verfügung stellt. Von diesem Grundsatz können vertraglich Abweichungen vereinbart werden. Geschieht dies in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Arbeitgebers, sind diese allerdings nur dann wirksam, wenn dem Arbeitnehmer für die Nutzung der eigenen Gegenstände eine angemessene finanzielle Kompensationsleistung zugesagt wird.

Mit dem Dienstwagen und nicht mit dem privaten Fahrrad bin ich heute im Büro. Aber das Radfahren war auch kein Vorsatz von mir für 2022.

Herzliche (arbeitsrechtliche) Grüße & gutes Gelingen bei Ihren Vorsätzen für 2022

Ihr Dr. Erik Schmid

Dieser Blog ist bereits im arbeitsrechtlichen Blog von Erik Schmid im Rehm-Verlag (www.rehm-verlag.de) erschienen.

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Arbeitsrecht Dienstrad Arbeitsmittel

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