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Der Betriebsteilübergang - wie wird der Betrieb geteilt?

Babys und Kinder sind von Natur aus zunächst egoistisch geprägt, um zu überleben. Sie müssen sich bei Nahrung und Zuneigung gegenüber ihren Geschwistern durchsetzen. Teilen ist an sich nicht vorgesehen. Teilen lernen ist deshalb schwer. Unter Geschwistern wird die Schokolade wohl nur dann bis auf das letzte Gramm gleich aufgeteilt, wenn einer teilt und der andere seinen Teil als erster aussuchen darf. Wenn beim Teilen unter Geschwistern Tränen fließen, helfen die Eltern. Und wenn es beim Teilen des Betriebs für einen Teilbetriebsübergang Streit gibt, hilft das BAG.

Liebe Leserin, lieber Leser,

wenn ein Betrieb zum Teil restrukturiert, umgewandelt oder verkauft wird, muss er geteilt werden. Die Teilung ist häufig eindeutig, z.B. wenn der Betrieb z.B. aus Verwaltung und Kantine besteht und die Kantine verkauft wird. Kochtöpfe, Kochlöffel, Teller, Nahrungsmittel aus der Vorratskammer, Köche und sonstiges Küchenpersonal geht über. Wenn Arbeitnehmer jedoch für beide Betriebsteile tätig waren, kann die Zuordnung nicht eindeutig sein.

Betriebsübergang

Bei einem Betriebsübergang im Sinne des § 613a BGB geht der Betrieb durch Rechtsgeschäft vom Eigentümer auf den Erwerber über. Ein Betriebsübergang liegt vor, wenn

  • insbesondere in produzierenden Betrieben die für den Betrieb bedeutenden Betriebsmittel übernommen werden (z.B. Gebäude, Mobiliar, Vorräte, Maschinen, Fahrzeuge Arbeitsmittel, EDV etc.),
  • die verrichteten Tätigkeiten vor und nach dem Übergang (z.B. Arbeitsorganisation bzw. -abläufe, Betriebsmethoden, etc.) ähnlich sind,
  • wesentliches Fach- bzw. Branchenwissen (Know-How, nützliche Erfahrungswerte, etc.) oder Rechte (Urheber- oder Markenrechte, Patente etc.) übernommen wird, Kundenbeziehungen weitergeführt werden,
  • insbesondere in Dienstleistungsbetrieben die Hauptbelegschaft oder zumindest das Personal mit den Kernkompetenzen übernommen werden und
  • wenn die Geschäfte ohne längere Unterbrechung fortgeführt werden.

Teilbetriebsübergang

Bei einem Teilbetriebsübergang gemäß § 613a Abs 1 BGB geht nicht der ganze Betrieb, sondern nur ein eigenständiger Teil des Betriebs über. Die Abgrenzung, welche Betriebsmittel und welche Arbeitnehmer vom Teilbetriebsübergang erfasst werden, ist in vielen Fällen umstritten. Grundsätzlich gehen die mit dem Rechtsträger des übergehenden Betriebsteils geschlossenen Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer, die dem übergehenden Betrieb(steil) zuzuordnen sind, auf den Betriebserwerber über. Das gilt entsprechend für die Betriebsmittel.

Bei der Zuordnung kommt es auf den Zeitpunkt des Betriebsübergangs an. Die Zuordnung richtet sich nach dem Willen der Arbeitsvertragsparteien, nicht nach dem Willen oder der Vereinbarung zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber. Soweit nichts ausdrücklich oder konkludent vereinbart ist zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, ist der Arbeitgeber berechtigt, die Zuordnung aufgrund seines Direktionsrechts durchzuführen. Im Übrigen erfolgt die Zuordnung nach Kriterien, wie der tatsächlichen Eingliederung. Die Ausübung einzelner Tätigkeiten in dem betroffenen Betriebsteil reicht nicht aus, es kommt auf den Schwerpunkt der Tätigkeit des Arbeitnehmers an.

BAG vom 11.05.2023 - 6 AZR 267/22

Arbeitgeber (Air Berlin) und Arbeitnehmerin (Flugbegleiterin) streiten u.a. um eine Kündigung im Rahmen einer Kündigungsschutzklage. Air Berlin führte mit geleasten Flugzeugen neben dem eigenwirtschaftlichen Flugbetrieb Flüge im sog. Wet Lease für Unternehmen der Lufthansa-Gruppe durch. Die Arbeitnehmerin argumentierte, dass die Kündigung wegen eines Teilbetriebsübergangs auf eine andere Luftfahrtgesellschaft L erklärt worden und deshalb unwirksam. Die L habe anstelle der Air Berlin das Wet Lease fortgeführt. Nach Auffassung der Arbeitnehmerin hätte der Arbeitgeber zumindest im Rahmen einer sozialen Auswahl entscheiden müssen, welche Arbeitnehmer dem Wet Lease zuzuordnen gewesen wären.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht wiesen die Klage ab, ebenso das BAG die Revision. Nach Ansicht des BAG scheitere die Kündigung nicht an einer fehlerhaften Sozialauswahl nach § 1 III 1 KSchG. Die bei einem Betriebsteilübergang auf den Erwerber übergehenden Arbeitnehmer könnten nicht nach den Grundsätzen der Sozialauswahl ermittelt werden, die unter allen Arbeitnehmern des bisherigen Betriebs durchzuführen wäre. Vielmehr gingen (nur) die dem Betriebsteil tatsächlich zugeordneten Arbeitsverhältnisse auf den Erwerber über. Das BAG hielt die Kündigung auch im Übrigen für wirksam.

Mit herzlichen vollen und nicht nur geteilten (arbeitsrechtlichen) Grüßen

Ihr Dr. Erik Schmid

Dieser Blog ist bereits im arbeitsrechtlichen Blog von Erik Schmid im Rehm-Verlag (www.rehm-verlag.de) erschienen.



Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.



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Teilbetriebsübergang Arbeitsverhältnis

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