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Am Sonntag: mit dem Rennrad durch den Wald oder mit dem Auto ins Tagungshotel

Was machen mobile Arbeitnehmer sonntags? Einerseits die Freizeit genießen und sich erholen von einer anstrengenden vergangenen Arbeitswoche mit wichtigen und aufregenden Terminen, Zeitdruck am Dienstag, schwierigen Aufgaben am Mittwoch und vielen Überstunden am Donnerstag. Warum nicht an einem sonnigen Herbstsonntag mit dem Rennrad Richtung Süden, an duftenden Wäldern und saftigen Wiesen vorbei bis zur Einkehr im Biergarten? Arbeitsrechtlich ist das – natürlich – erlaubt. Andererseits am Sonntag schon an die Termine in der kommenden Woche denken, wie die dreitägige Schulung ab Montagmorgen um 9.00 Uhr im 500 Kilometer entfernten Schulungsort. Warum nicht schon am Sonntag mit dem Auto die Strecke mit weniger Verkehr vorbei an Raststätten bis zum Tagungshotel fahren und so ein frühes Aufstehen und Stau am Montag vermeiden? Ist das arbeitsrechtlich – eigentlich – erlaubt?

Liebe Leserin, lieber Leser,

für den frühen, weit entfernten Termin am Montag fahren viele Arbeitnehmer bereits am Sonntag und verzichten auf die private Radtour. Ist die Anreise für einen geschäftlichen Termin am Sonntag überhaupt erlaubt und ist die Arbeitszeit zu vergüten?

Reisezeit gleich/ungleich Arbeitszeit

Bei der Reisezeit ist zwischen der Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz und der zu vergütenden Arbeitszeit zu unterschieden. Diese beiden "Arbeitszeitbegriffe" sind für viele Tätigkeiten deckungsgleich, insbesondere bei Reisezeiten können sie jedoch voneinander abweichen.

Vergütungspflichtige Arbeitszeit

Arbeitszeit ist immer dann vom Arbeitgeber zu vergüten, wenn der Arbeitnehmer aktiv oder passiv für den Arbeitgeber Zeit aufwendet. Es spielt dabei keine Rolle, ob der Arbeitnehmer seiner Arbeitspflicht nachkommt oder beispielsweise auf einer Zugfahrt schläft. Hiervon ausgenommen sind lediglich Fahrten zwischen der Wohnung zur Arbeitsstätte. Bei der Reise in meinem Beispiel, vom Wohnort zum Tagungshotel für eine dienstliche Schulung wendet der Arbeitnehmer Zeit für den Arbeitgeber auf und der Arbeitgeber hat die Reisezeit – soweit nichts anderes vereinbart ist – zu vergüten. Die Vergütungspflicht besteht unabhängig davon, welches Verkehrsmittel der Arbeitnehmer nutzt.

Arbeitszeit nach dem ArbZG

Das Arbeitszeitgesetz hingegen ist ein Schutzgesetz. Der Arbeitnehmer soll vor zu viel Belastung, z.B. durch vorgeschriebene Pausen, vor zu langen Arbeitstagen, z.B. durch die werktägliche Höchstarbeitszeitgrenze und vor zu wenig Erholung, z.B. durch Ruhezeiten geschützt werden. Dieser Schutz ist aber nicht für jeden Zeitaufwand gerechtfertigt, den der Arbeitnehmer für den Arbeitgeber aufwendet. Wer sich bei der Reise nicht übermäßig anstrengt, z.B. im Zug fährt und dabei nicht arbeitet oder als Beifahrer im Auto mitfährt, erhält für diese Zeit Vergütung, die Zeit zählt aber nicht zum Arbeitszeitgesetz.

Verbot der Sonntagsarbeit

Problematisch ist die "Reisetätigkeit" am Sonntag. Das Arbeitszeitgesetz verbietet grundsätzlich die Sonn- und Feiertagsarbeit (§ 9 ArbZG). Die Sonn- und Feiertagsarbeit ist gemäß § 10 ArbZG ausnahmsweise erlaubt beispielsweise in Not- und Rettungsdiensten und der Feuerwehr, in Krankenhäusern, in Gaststätten, bei kulturellen Veranstaltungen, bei Sportveranstaltungen, bei Verkehrsbetrieben und in der Landwirtschaft oder zur Verhütung des Verderbens von Naturerzeugnissen oder Rohstoffen. Die Anreise an einem Sonntag in ein Tagungshotel, um am anderen Morgen eine dienstlich veranlasset Schulung wahrzunehmen, ist als Sonntagsarbeit nicht erlaubt, wenn es sich um Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz handelt.

Nach ständiger Rechtsprechung sind beispielsweise Wegezeiten einer Dienstreise, bei denen der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer lediglich die Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels vorgibt und es dem Arbeitnehmer überlässt, wie er die Zeiten nutzt, keine Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes. Das bedeutet, dass solche Reisezeiten auch an einem Sonntag rechtlich zulässig sind. Wenn der Arbeitgeber die Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels vorgibt und der Mitarbeiter aufgrund einer eigenen Entscheidung den Pkw nutzt und selbst einen Pkw steuert, liegt ebenfalls keine Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz vor. Der Mitarbeiter bekommt die Reisezeit vergütet, es zählt aber nicht als Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz und deshalb wäre auch eine Anreise am Sonntag zulässig. Der Grund für die Fahrt mit dem Pkw liegt in diesem Fall im privaten Bereich des Mitarbeiters.

Wenn es hingegen keine Anweisung des Arbeitgebers gibt, dass die Mitarbeiter ein öffentliches Verkehrsmittel benutzen sollen und es ihnen freigestellt ist, den Pkw zu nehmen, oder wenn Arbeitnehmer ausdrücklich oder zumindest mittelbar durch die konkrete Tätigkeit, die einen Dienstwagen vor Ort erforderlich macht, angewiesen werden, mit dem PKW selbst zu fahren, liegt grundsätzlich Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz vor und es müssen die Grundsätze des Arbeitsgesetzes beachtet werden. Das bedeutet, dass die Fahrt einerseits als Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz gewertet wird und andererseits an einem Sonntag nicht möglich wäre.

Es gibt damit rechtlich zulässige Möglichkeiten, dass Arbeitnehmer schon am Sonntag zum Montagstermin anreisen.
Ich hoffe Sie waren letzten Sonntag nicht mit Auto auf dem Weg zum Tagungshotel sondern mit dem Rennrad unterwegs und haben Kraft für die anstehenden Aufgaben, Überstunden, Schulungen schöpfen können.

Herzliche (arbeitsrechtliche) Grüße aus München
Ihr Dr. Erik Schmid

Dieser Blog ist bereits im arbeitsrechtlichen Blog von Erik Schmid im Rehm-Verlag (www.rehm-verlag.de) erschienen.

Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.

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Arbeitszeit Ruhezeiten Arbeitszeitgesetz (ArbZG)

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