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    23.07.2023

    Zur Anwendbarkeit des UN-Kaufrechts (CISG) auf die Schiedsabrede


    Sowohl die materielle Wirksamkeit einer Schiedsabrede als auch die wirksame Einbeziehung einer in AGB enthaltenen Schiedsklausel können sich nach UN-Kaufrecht richten. Wird für einen Vertrag eine Rechtswahl getroffen, erstreckt diese sich nicht zwangsläufig auch auf die Schiedsklausel.

     

    Hintergrund

     

    Der BGH sorgte mit seiner Entscheidung vom 26.11.2020 für Rechtssicherheit in der umstrittenen Frage, ob und inwieweit das UN-Kaufrecht (CISG) auf Schiedsvereinbarungen Anwendung findet. Er befasste sich mit den formalen Anforderungen an die wirksame Vereinbarung einer Schiedsklausel sowie den Voraussetzungen für die Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) im Anwendungsbericht des CISG. In diesem Zusammenhang bestätigte der BGH die Grundsätze seiner bisherigen ständigen Rechtsprechung, wonach AGB nach UN-Kaufrecht übersandt oder anderweitig zugänglich gemacht werden müssen, damit diese Vertragsbestandteil werden. Anders als nach deutschem Recht reicht die bloße Möglichkeit zur Kenntnisnahme, etwa über einen Verweis auf die auf der Homepage abrufbaren AGB des Verkäufers nicht aus. Dies wird in besonderer Weise relevant, wenn die AGB eine Schiedsklausel enthalten. Offen lässt der BGH die Frage, ob und inwieweit die von den Parteien in einem Vertrag getroffene Rechtswahl auch das Recht vorgibt, das auf die Schiedsabrede anwendbar ist (sog. Schiedsstatut). Diese Frage beantwortet die französische Cour de cassation in ihrer Entscheidung vom 28.09.2022 und beurteilt die Wirksamkeit der Schiedsklausel – entgegen der in derselben Sache ebenfalls befassten englischen Gerichte – auf der Grundlage französischer Sachnormen.

     

    1. Die deutsche Perspektive: Das Urteil des BGH vom 26.11.2020, I ZR 245/19

     

    Kurzwiedergabe des Sachverhaltes

     

    Der BGH hatte über die Einrede der Schiedsvereinbarung nach § 1032 Abs. 1 ZPO zu entscheiden. Danach kann die beklagte Partei bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung vor einem staatlichen Gericht rügen, dass die Klage unzulässig ist, da eine Schiedsvereinbarung den Rechtsstreit einem Schiedsgericht zur Entscheidung zuweist.

     

    Die Parteien, Unternehmen mit Sitz in Deutschland und den Niederlanden, stritten um Schadensersatzansprüche aus einem Kaufvertrag über Waren. Der Vertrag kam auf der Basis von Bestellungen der Käuferin und einem als „Verkaufskontrakt“ überschriebenen Schreiben zustande, mit dem die Verkäuferin, eine Gewürzhändlerin mit Sitz in den Niederlanden, die Bestellungen bestätigte. Das Bestätigungsschreiben enthielt einen Hinweis, dass alle Verkäufe und Verträge den Allgemeinen Verkaufs- und Lieferbedingungen („AGB“) unterliegen. Die AGB waren der Käuferin jedoch nicht übersandt worden. Auch die Verbandsbedingungen der Niederländischen Vereinigung für Gewürzhandel („NVS-Bedingungen“) waren nicht beigefügt. Die NVS-Bedingungen enthielten eine Rechtswahl zu Gunsten des niederländischen Rechts unter Ausschluss des UN-Kaufrechts sowie eine Schiedsklausel zugunsten eines Schiedsgerichts des niederländischen Verbandes in Amsterdam.

     

    Das Landgericht hatte ein Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren erlassen, gegen das die Beklagte Einspruch einlegte. In der Einspruchsschrift erhob die Beklagte die Schiedseinrede. Das Landgericht wies daraufhin die Klage mit der Begründung als unzulässig ab, die in den NVS-Bedingungen enthaltene Schiedsklausel sei wirksam in den Vertrag einbezogen worden. Dagegen legte die Klägerin Berufung ein. Das Berufungsgericht kam zum Ergebnis, dass die Einrede der Schiedsvereinbarung unbegründet, die Klage vor dem Landgericht somit zulässig sei und verwies den Rechtsstreit zurück an das Landgericht. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision zum BGH begehrte die Beklagte die Aufrechterhaltung des klageabweisenden Urteils des Landgerichts.

    Der BGH bestätigte die Entscheidung des Berufungsgerichts. Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.

     

    Das Urteil des BGH vom 26.11.2020, I ZR 245/19

     

    Der BGH entschied, dass die Klage vor dem Landgericht zulässig sei. Die Beklagte könne sich nicht auf die Einrede der Schiedsvereinbarung nach § 1032 Abs. 1 ZPO berufen, da die Schiedsvereinbarung nicht wirksam zustande gekommen sei. Nach § 1025 Abs. 2 ZPO ist § 1032 ZPO auch im vorliegenden Fall anwendbar, in dem der Schiedsort im Ausland liegt, hier in den Niederlanden.

     

    Erhebung der Schiedseinrede bis vor Beginn der mündlichen Verhandlung

     

    Die Schiedseinrede sei auch rechtzeitig, noch vor Beginn der mündlichen Verhandlung erhoben worden. Durch den Einspruch gegen das Versäumnisurteil sei das Verfahren in den Stand vor der Säumnis der Beklagten versetzt worden. Die in der Einspruchsschrift erstmals erhobene Einrede des Schiedsvertrags sei damit nicht nach § 1032 Abs. 1 ZPO verspätet und nicht präkludiert. Die Einrede müsse nicht bereits während der Frist zur Klageerwiderung erhoben werden.

     

    Anforderungen an die Form einer Schiedsvereinbarung

     

    Nach Art. II Abs. 1 des New Yorker Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (UNÜ) bedarf es für eine Schiedsabrede einer schriftlichen Vereinbarung. Darunter fällt nach Art. II Abs. 2 UNÜ eine Schiedsklausel in einem Vertrag, der von beiden Parteien unterzeichnet ist, oder in einem Schreiben, das die Parteien gewechselt haben. Eine einseitige Erklärung, wie vorliegend das nur von einer Partei unterzeichnete Bestätigungsschreiben, reicht nicht aus.

     

    Nach dem sog. Meistbegünstigungsgrundsatz (vgl. Art. VII Abs. 1 UNÜ) kann eine Schiedsvereinbarung dennoch wirksam sein, wenn das anwendbare nationale Recht oder das durch das nationale Kollisionsrecht berufene Sachrecht geringere Anforderungen stellt und somit günstiger ist. Dies war vorliegend jedoch nicht der Fall.

     

    Die Anforderungen an die Form einer Schiedsvereinbarung nach § 1031 ZPO sind jedoch ebenfalls nicht erfüllt. § 1031 Abs. 2 und 3 ZPO, wonach die Bezugnahme auf ein Dokument ausreicht, das eine Schiedsklausel enthält (hier: die NVS-Bedingungen), scheidet auch aus, da die Schiedsklausel nicht wirksam in den Vertrag einbezogen wurde.

     

    Voraussetzungen für die wirksame Einbeziehung einer in AGB enthaltenen Schiedsklausel

     

    Der BGH kam zum Ergebnis, dass die Frage der wirksamen Einbeziehung der Schiedsklausel nach UN-Kaufrecht zu beurteilen sei. Da sowohl Deutschland als auch die Niederlande Vertragsstaaten des CISG sind und die Parteien des Vertrags über die Lieferung von Waren somit ihren Sitz in einem Vertragsstaat hatten, ist nach Art. 1 Abs. 1 lit. a) CISG das UN-Kaufrecht anwendbar. Danach gilt für die wirksame Einbeziehung von AGB in einem Vertrag – hier der Schiedsklausel – dass diese der anderen Partei übersandt oder anderweitig zugänglich gemacht werden müssen. Dies war vorliegend nicht erfolgt. Die Schiedsklausel ist somit nicht Vertragsbestandteil geworden.

     

    2. Die französische Perspektive: Die Entscheidung der Cour de cassation vom 28.09.2022, 20-20.260

     

    Kurzwiedergabe des Sachverhaltes

     

    Ein libanesisches Unternehmen, Kabab-Ji hatte 2001 einen Master-Franchise-Vertrag mit einem kuwaitischen Unternehmen, Al-Homaizi Foodstuff Co (AHFC), geschlossen. Der Vertrag sah die Nutzung der „Kabab-Ji“ Marke in Kuwait und den Abschluss von Einzelverträgen für jede Verkaufsstelle über einen Zeitraum von zehn Jahren vor. Im Jahr 2011 lief der Vertrag aus und wurde von den Parteien nicht verlängert. Während der Vertragslaufzeit wurde AHFC umstrukturiert und eine Holdinggesellschaft, die Kout Food Group (KFG), gegründet. Diese Umstrukturierung wurde 2004 vom Franchisegeber Kabab-Ji gebilligt, indem ausdrücklich vereinbart wurde, dass diese Gründung die Bedingungen der ansonsten zwischen den Parteien geschlossenen Verträge nicht beeinträchtigen sollte. Der Master-Franchise-Vertrag enthielt eine Rechtswahlklausel zu Gunsten des englischen Rechts sowie eine Schiedsklausel, die auf die Schiedsgerichtsordnung der Internationalen Handelskammer (ICC) mit Sitz in Paris verwies. Eine ausdrückliche Bestimmung des auf die Schiedsvereinbarung anwendbaren Rechts enthielt der Vertrag jedoch nicht.

     

    Im Jahr 2015 leitete der Franchisegeber ein Schiedsverfahren gegen KFG, den Nachfolger seines ursprünglichen Vertragspartners, ein. Er warf dem kuwaitischen Master-Franchisenehmer vor, seine Vertragspflichten nicht erfüllt zu haben und das erlangte Know-how unbefugt zur Entwicklung seiner eigenen Restaurants genutzt zu haben. Ein 2017 in Paris ergangener Schiedsspruch verurteilte KFG zur Zahlung einer Entschädigung an den Franchisegeber Kabab-Ji. Während Kabab-Ji vor den englischen Richtern ein Verfahren zur Vollstreckung des Schiedsspruchs (erfolglos) einleitete, reichte die unterlegene KFG in Frankreich eine Nichtigkeitsklage gegen den Schiedsspruch ein. Gegen das Urteil des Pariser Berufungsgerichts (Cour d'appel de Paris), das den Schiedsspruch bestätigt hatte, legte KFG Revision ein vor der Cour de cassation. KFG warf dem Berufungsgericht insbesondere vor, es habe die Wirksamkeit und Anwendbarkeit der Schiedsklausel, trotz der im Vertrag zwischen Kabab-Ji und AHFC enthaltenen Rechtswahlklausel, nicht nach englischem Recht beurteilt.

     

    Die Entscheidung der Cour de cassation vom 28.09.2022, 20-20.260

     

    Die Cour de cassation bestätigte ihre Rechtsprechung bezüglich des auf die Schiedsklausel anwendbaren Rechts. Danach sei eine Schiedsklausel gegenüber dem restlichen Vertrag autonom zu behandeln. Die Wirksamkeit einer solchen Klausel richte sich in erster Linie nach dem gemeinsamen Willen der Parteien. Die im Vertrag enthaltene Rechtswahlklausel biete keinen Anlass dafür, dass diese Rechtswahl auch für die Schiedsklausel gelten solle. Treffen die Parteien keine Rechtswahl, komme nach französischem internationalem Privatrecht keine kollisionsrechtliche Anknüpfung in Betracht, sondern eigens für das internationale Schiedsrecht entwickelte Sachnormen.

     

    Diese Sachnormen führen zu einer sehr weitreichenden Kompetenz der Schiedsgerichte. Zu den Sachnormen gehört insbesondere die im vorliegenden Fall relevante Möglichkeit der sog. Schiedsklauselausweitung (extension d'une convention d'arbitrage). Eine Schiedsvereinbarung kann demnach auch für Rechtsstreitigkeiten zwischen Parteien gelten, die diese nicht unterzeichnet haben. Dies setzt voraus, dass sie an der Vertragsverhandlung teilgenommen, diese beeinflusst haben oder aus anderen Gründen ihre Zustimmung zum Schiedsvereinbarung festgestellt werden kann. Das Schiedsgericht hat sich deshalb zu Recht – auf Grund dieser Sachnorm – für zuständig erklärt.

     

    Anmerkung

     

    Nach dem New Yorker Übereinkommen sind Schiedssprüche international anerkannt und vollstreckbar. Schiedsklauseln werden in internationalen Lieferverträgen daher häufig verwendet, um Hürden bei der außerhalb der Europäischen Union nicht international vereinheitlichten Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen staatlicher Gerichte zu umgehen. Damit die Schiedsklausel wirksam ist und ihre Funktion im Streitfall auch erfüllt, gibt es gerade bei der Verwendung in AGB einiges zu beachten. Im Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts gelten strengere Anforderungen an die Einbeziehung von AGB in Verträge: Die AGB müssen dem ausländischen Vertragspartner tatsächlich übersandt werden. Ein nach deutschem Recht ausreichender Verweis auf die Abrufbarkeit der AGB auf der Homepage des Verkäufers reicht nicht aus. Außerdem müssen die AGB entweder in der gemeinsamen Vertrags- und Verhandlungssprache der Parteien oder in der Muttersprache des Empfängers verfasst sein. Korrespondiert ein deutscher Verkäufer mit einem französischen Käufer beispielsweise auf Französisch, genügen AGB auf Englisch diesen Anforderungen nicht. Als Universal-Vertragssprache, die jeder beherrschen muss, ist Englisch nicht anerkannt. Weder die AGB noch die darin enthaltene Schiedsklausel würden wirksam in den Vertrag einbezogen werden.

     

    Das auf die Schiedsklausel anwendbare Recht bedarf einer gesonderten Anknüpfung, d.h. es wird gesondert bestimmt. Es folgt nicht zwingend dem Recht, das auf den übrigen Vertrag anwendbar ist. Nachdem der BGH in der Vergangenheit die für den Vertrag getroffene Rechtswahl auch auf die Schiedsabrede anwandte, hat er diese Frage in der vorliegenden Entscheidung ausdrücklich offengelassen. In dem Kabab-Ji Fall hat die Cour de cassation entschieden, dass die Schiedsabrede grundsätzlich nicht von der für den übrigen Vertrag getroffenen Rechtswahl umfasst ist. Die englischen Jurisdiktionen sind dem entgegengetreten und haben dem französischen Schiedsspruch die Vollstreckbarkeit verweigert. Im Zweifel sollte daher bei internationalen Verträgen, die eine Schiedsvereinbarung enthalten, ausdrücklich bestimmt werden, welches Recht auf diese anwendbar sein soll.

     

    Dr. Birgit Münchbach

    Etienne Sprösser

     

    Dieser Blogbeitrag erscheint ebenso im Haufe Wirtschaftsrechtsnewsletter.

     

     

    Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.