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    06.12.2022

    Wann haftet der Geschäftsführer der Gesellschaft?


    Verletzt ein Geschäftsführer seine Pflichten und entsteht der Gesellschaft dadurch ein Schaden, haftet er der Gesellschaft. Von diesem Grundsatz gibt es Ausnahmen. Der Geschäftsführer haftet insbesondere dann nicht, wenn sein Handeln von den Gesellschaftern – etwa in Form der Entlastung – gebilligt wird.

     

    Ein Geschäftsführer haftet der Gesellschaft mit seinem Privatvermögen, soweit er seine Pflichten fahrlässig oder vorsätzlich verletzt und der Gesellschaft dadurch ein Schaden entsteht. Maßstab für eine Pflichtverletzung ist stets die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes.

     

    Gleichwohl sind einige Konstellationen denkbar, in denen der Geschäftsführer trotz Pflichtverletzung und Schaden nicht haftet. Das ist beispielsweise der Fall, wenn der Geschäftsführer aufgrund von Weisungen der Gesellschafter handelt. Gleiches gilt, wenn das Handeln zwischen den Gesellschaftern und dem Geschäftsführer zuvor abgestimmt wurde oder wenn die Gesellschafter das Handeln des Geschäftsführers nachträglich billigen. Eine besondere Form der Billigung stellt die Entlastung des Geschäftsführers dar. Nach der Entlastung kann die Gesellschaft im Umfang der Entlastung keine Ansprüche mehr gegen den Geschäftsführer geltend machen. Entscheidend für den Umfang der Haftung des Geschäftsführers ist also der Umfang seiner Entlastung. Das wird anhand unterschiedlicher Kriterien bestimmt:

     

    Zeitliche Erstreckung der Entlastung

     

    Zeitlich erstreckt sich die Entlastung in der Regel auf die Periode, hinsichtlich derer der Geschäftsführer bzgl. der zugrundeliegenden Beschlussfassung Rechnung gelegt hat. Im Zusammenhang mit der Feststellung des letzten Jahresabschlusses sind das grundsätzlich ohne weitere Angaben die Vorgänge aus dem abgeschlossenen Geschäftsjahr.

     

    Inhaltliche Erstreckung der Entlastung

     

    Inhaltlich bezieht sich die Entlastung regelmäßig auf alle Tatsachen, die die Gesellschafter aufgrund der Berichterstattung durch den Geschäftsführer oder aus den vorgelegten Unterlagen kannten. Das gilt außerdem für alle Tatsachen, die die Gesellschafter bei sorgfältiger Prüfung hätten erkennen können. Für die Erkennbarkeit ist entscheidend, ob sich aus der Berichterstattung des Geschäftsführers oder den Unterlagen konkrete Anhaltspunkte für Zweifel oder Fragen ergeben, die die Gesellschafter durch Nachrechnen, Nachfragen oder durch Ausüben ihres Informationsrechts hätten aufklären können. Eine Erkennbarkeit ist demgegenüber ausgeschlossen, wenn der Geschäftsführer den Gesellschaftern nicht hinreichend Gelegenheit zur Ausübung ihrer Einsichts-, Informations- und Auskunftsrechten gegeben hat – sei es absichtlich oder unabsichtlich. Weicht der Geschäftsführer Nachfragen der Gesellschafter aus, verschweigt er Tatsachen oder verschleiert diese, ist er nicht schutzbedürftig. Denn durch solche Maßnahmen erschleicht sich der Geschäftsführer seine Entlastung. Eine derart erschlichene Entlastung führt nicht zum Haftungsausschluss führt.

     

    Mit Fragen rund um die Haftung trotz Entlastung eines Geschäftsführers hatte sich jüngst das OLG Brandenburg zu beschäftigen.

     

    Hintergrund

     

    In dem zugrunde liegenden Fall nahm die Gesellschaft ihren ehemaligen Fremdgeschäftsführer auf Schadenersatz in Anspruch – mit Erfolg.

     

    Der Geschäftsführer hatte auf Kosten der Gesellschaft einen Caravan zum eigenen Gebrauch angeschafft und Reparaturen durchführen lassen. Das stellt eine Pflichtverletzung dar – denn der Geschäftsführer ist nicht berechtigt, das Vermögen der Gesellschaft für eigene Zwecke zu missbrauchen. Daraus resultiert ein Schadensersatzanspruch der Gesellschaft, so gestellt zu werden, wie sie ohne die Anschaffung des Caravans stünde.

     

    Der erforderliche Gesellschafterbeschluss für die Durchsetzung des Schadensersatzanspruches der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer (§ 46 Nr. 8 GmbHG) lag vor. Der Beschluss war zwar nicht hinreichend bestimmt – er muss grundsätzlich den geltend gemachten Anspruch bestimmbar beschreiben und identifizierbar benennen und so eindeutig den Willen der Gesellschafterversammlung erkennen lassen, bestimmte Ansprüche gegen den Geschäftsführer geltend zu machen. Der Geschäftsführer hatte die fehlende Bestimmtheit aber nicht gerügt. Das mag darauf zurückzuführen sein, dass der Beschluss auch noch während des Rechtsstreits hätte nachgeholt werden können. Mangels Rüge durch den beklagten Geschäftsführer musste das OLG Brandenburg die mangelnde Bestimmtheit des Beschlusses bei der Urteilsfindung nicht berücksichtigen.

     

    Es greift auch kein Haftungsausschluss zugunsten des Geschäftsführers ein. Denn der Geschäftsführer ist mit seiner Behauptung, die Anschaffung und Reparaturen des Caravans seien mit den Gesellschaftern abgestimmt gewesen, beweispflichtig geblieben. Auch die Entlastung, die ihm für den entsprechenden Zeitraum erteilt wurde, schließt seine Haftung nicht aus. Denn der Geschäftsführer hatte die Kosten für den Caravan mit der Bezeichnung "Bauwagen" in die der Entlastung zugrundeliegende Bilanz eingestellt. Diese Bezeichnung ist irreführend. Die Gesellschafter hatten durch die gewählte Bezeichnung keinen Anlass zur Nachfrage. Denn die Verpflichtung zur Nachfrage ist darauf zu beschränken, dass sich der Anlass zur Nachfrage eindeutig ergibt. Anlass zur Nachfrage wäre gewesen, wenn die Gesellschaft für die Gesellschafter erkennbar einen "Caravan" angeschafft hätte, da ein Caravan zur Nutzung im Baugewerbe ungeeignet und untypisch ist. Die vom Geschäftsführer gewählte Darstellung verschleierte demgegenüber die wahren Begebenheiten.

     

    Anmerkungen und Praxistipp

     

    Dreh- und Angelpunkt der Haftung des Geschäftsführers trotz erteilter Entlastung ist stets die Frage nach der Erkennbarkeit der haftungsbegründenden Tatsachen. Durch die irreführende Bezeichnung und die verschleiernde Darstellung der Anschaffungskosten hatte der Geschäftsführer im zugrundeliegenden Fall gerade verhindert, dass die Gesellschafter Anlass zur Nachfrage hatten. Ein Geschäftsführer soll jedoch nicht für eine besonders geschickte, irreführende und verschleiernde Darstellung durch eine Haftungsprivilegierung belohnt werden. Denn es ist Aufgabe und Pflicht des Geschäftsführers, die Gesellschafter hinreichend und transparent über alle relevanten Vorgänge und Vorkommnisse zu informieren. Etwas anderes kann nur gelten, wenn die Gesellschafter die Augen vor erkennbaren Tatsachen verschließen.

     

    Haben die Gesellschafter dem Geschäftsführer trotz Kenntnis von haftungsbegründenden Tatsachen bzw. trotz Erkennbarkeit dieser Tatsachen Entlastung erteilt, können die Gesellschafter die Entlastung in einer nachfolgenden Periode nicht wieder zurücknehmen. Die Entlastung ist unwiderruflich. Sie ist außerdem unanfechtbar. Die Entlastung ist dem Geschäftsführer deshalb auch nicht vorschnell und ohne nähere Prüfung der vorgelegten Unterlagen zu erteilen. Den Gesellschaftern ist zu empfehlen, bei Zweifeln, Widersprüchen oder Unklarheiten stets kritisch nachzuhaken. Erst wenn alle Zweifel ausgeräumt sind, sollte dem Geschäftsführer Entlastung erteilt werden. Andernfalls droht die Gefahr, dass die Gesellschaft den Geschäftsführer nicht mehr auf Schadenersatz in Anspruch nehmen kann.

     

    Aus Sicht der Gesellschafter ist außerdem zu beachten, dass die Durchsetzung des Schadenersatzanspruchs gegen den Geschäftsführer zuvor eines entsprechenden Gesellschafterbeschlusses bedarf. Nur so behält die Gesellschafterversammlung die Entscheidungshoheit darüber, ob und inwieweit sie im Rahmen eines Gerichtsverfahrens ihre internen Vorgänge veröffentlicht. Ein etwaiger Streit zwischen den Gesellschaftern hinsichtlich der Frage, ob ein Anspruch verfolgt werden soll oder nicht, wird deshalb auf Ebene der Gesellschafterversammlung zwischen den Gesellschaftern ausgetragen. Lehnt die Gesellschafterversammlung mit der dafür erforderlichen Mehrheit ab, einen Schadenersatzanspruch gegen den Geschäftsführer geltend zu machen, kann ein Gesellschafter entgegen der Mehrheit der Gesellschafterversammlung in der Regel nicht im eigenen Namen gegen den Geschäftsführer vorgehen. Er kann die Rechtsverfolgung aber durch Anfechtungs- und positive Beschlussfeststellungsklage erzwingen. Diese Möglichkeit ist jedem Gesellschafter insbesondere dann eröffnet, wenn die Stimmabgabe gegen die Inanspruchnahme des Geschäftsführers missbräuchlich ist.

     

    (OLG Brandenburg, Urteil v. 29.6.2022, 7 U 60/21)

     

    Gerhard Manz

    Lisa Werle

     

    Dieser Blogbeitrag erscheint ebenso im Haufe Wirtschaftsrechtsnewsletter.

     

    Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.

     

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