Durch das Inkrafttreten des Vierten Bürokratieentlastungsgesetzes (BEG IV) genügt seit dem 1. Januar 2025 für den Abschluss und die Änderung von Gewerberaummietverträgen mit einer Mindestlaufzeit von einem Jahr die Textform anstelle der Schriftform (vgl. § 578 Abs. 1 S. 2 BGB n.F., § 550 BGB). Wird dieses nicht eingehalten, gilt der Gewerberaummietvertrag als auf unbestimmte Zeit geschlossen und kann trotz einer vereinbarten Festlaufzeit mit gesetzlicher Kündigungsfrist (§ 580a abs. 2 BGB) kündbar sein. In der täglichen Praxis soll die Reduzierung des Formerfordernisses für spürbare Erleichterungen bei den Mietvertragsparteien sorgen. Ob das der Fall sein wird, ist fraglich1; zudem dürften Folgethemen bei Immobilientransaktionen über Gewerberaumimmobilien verstärkt in den Focus treten, die hier kurz beleuchtet werden sollen.
Rechtlicher Hintergrund
Damit ein Mietvertrag trotz einer Festlaufzeit von länger als einem Jahr nicht für unbestimmte Zeit gilt (und damit vor Ablauf der Festlaufzeit mit der gesetzlichen, ordentlichen Kündigungsfrist gekündigt werden kann), musste er bis zum 31. Dezember 2024 gemäß § 550 BGB in schriftlicher Form geschlossen werden. Durch eine Anpassung der Verweisungsnorm des § 578 Abs.1 S. 2 BGB n.F. ist nunmehr für solche Gewerberaummietverträge seit dem 1. Januar 2025 die Textform ausreichend2. Textform im Sinne der gesetzlichen Regelung des
§ 126b BGB bedeutet, dass eine Erklärung in einer lesbaren Form abgegeben werden muss, die den Absender nennt und auf einem dauerhaften Datenträger gespeichert ist oder werden kann. Dies kann beispielsweise durch eine E-Mail, ein Telefax oder ein anderes elektronisches Dokument auf einem dauerhaften Datenträger erfolgen, sodass ggf. auch SMS, Messenger-Nachrichten3 und Chats in sozialen Medien ausreichen können. Dies ermöglicht es, zum einen viele Rechtsgeschäfte künftig digital abzuwickeln, aber zum anderen auch - wie bisher – eine von beiden Mietvertragsparteien unterschriebener Mietvertragsurkunde zu nutzen.
Auch wenn die Prozesse des Mietvertrags- und Nachtragsabschlusses damit vereinfacht werden, wenn z.B. die Durchführung von Unterschriftsterminen mit Versand der Mietvertragsdokumente entfallen. Der Legal-Due-Diligence-Aufwand für Käufer einer Gewerberaumimmobilie dürfte regelmäßig durch die gesetzliche Änderung (Textform) eher zunehmen und der Verkäufer mit weiterreichenden Forderungen des Käufers konfrontiert werden.
Das Risiko, dass ein Mietverhältnis wegen eines Formverstoßes vorzeitig beendet werden kann, beseitigt die Gesetzesänderung nicht, sondern es verändert und verringert nur die Formanforderung (Textform anstatt Schriftform). Bei Immobilientransaktionen bleibt daher bei seit dem
1. Januar 2025 unverändert bestehenden Gewerberaummietverträgen die Prüfung und Einhaltung der bislang gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform innerhalb der Übergangsfrist empfohlen und bei den seit dem 1. Januar 2025 neu abgeschlossenen Gewerberaummietverträgen oder geänderten Bestandsmietverträgen wäre die Vorlage der Dokumentation zu sämtlichen anderen Kommunikationsmitteln empfohlen.
Das ist für Verkäufer misslich, die ihrer Informations- und Dokumentationspflicht im Rahmen von Ankaufsprüfungen (Due-Diligence) bislang4 durch Vorlage der Vertragsdokumentation in schriftlicher Form gerecht werden konnten und der Käufer auf dieser Basis seine Prüfung vornehmen konnte. Aufgrund des mit der Änderung der Gesetzeslage verbundenen Wegfalls der Kontroll- und Beweismöglichkeit werden sich Kaufinteressenten darauf nicht mehr verlassen (wollen). Das zeigt sich auch in unserer täglichen Beratungspraxis. Nunmehr fragen Käufer entweder nach einem Nachweis zu allen anderen Kommunikationsmitteln, weil Vereinbarungen in Textform (z.B. Telefax, E-Mail, SMS und Messenger-Dienste) darüber geschlossen worden sein könnten, oder verlangen gemeinsame schriftliche Erklärungen der Mietvertragsparteien zu Vollständigkeit und Form des Mietvertrages. Ob sich Käufer zu deren Absicherung mit (selbständigen) Garantien des Verkäufers im Kaufvertrag begnügen bzw. ob sich Verkäufer darauf einlassen sollten, wäre im Einzelfall zu beurteilen. Zumal der Sekundäranspruch des Käufers gegen den Verkäufer – vor allem bei Verkäufer-Objektgesellschaften gegebenenfalls durch Dritte – abzusichern wäre, um diese bei Garantieverletzungen des Verkäufers bzw. fehlerhafte Beschaffenheiten/Erklärungen in Grundstückskaufverträgen bezüglich gewerblicher Mietverträge nicht leer laufen zu lassen.
Für Eigentümer/Vermieter ist es vor allem auch in Hinblick auf zukünftige Transaktionen sinnvoll, das (Nach-)Haftungsrisiko zu minimieren, und die mietvertraglichen Schriftform-/Textformregelungen anzupassen. Der Gesetzgeber hat keine Lösungsvorschläge für das individuelle Sicherungsbedürfnis der Vertragsparteien (insbesondere der Mietvertragsparteien) mitgeliefert, um im Einzelfall über vertragliche Regelungen den gewünschten Schutz zu ermöglichen. Daher sollten die Mietvertragsparteien gemeinsam Regeln aufstellen, um nicht ungewollt die Textformvoraussetzungen zu erfüllen und ein rechtsgeschäftliches Schriftformerfordernis zu gefährden. Das kann von der Vereinbarung einer die bisherige gesetzliche Schriftformregelung nachbildenden Schriftformklausel bis hin zu einer qualifizierten Textform für Zusatz- und Nachtragsvereinbarungen reichen. Bei einer solchen Regelung wäre aber darauf zu achten, dass etwaige Ersatzformen für die Schrift-/Textform ausgeschlossen sind, und Rechtsfolgen für einen möglichen Verstoß gegen die rechtsgeschäftliche Schriftform-/Textformklausel festgelegt werden. Zudem sind die Parteien nun gefordert, neben den Originalunterlagen aller Mietvertragsunterlagen auch neue Mietvertragsdokumente in der finalen Fassung sowie sämtliche Dokumentation dazu dauerhaft zu speichern und gegen nachträgliche Veränderungen zu schützen. Dies kann zu einem größeren Aufwand führen, als Mietvertragsurkunden – wie bisher - im Original aufzubewahren.
Für alle Eigentümer, die sich grundsätzlich mit dem Gedanken eines Verkaufs einer Gewerberaumimmobilie auseinandersetzen, wäre daher zu empfehlen, die Gewerberaummietverträge jetzt „auf Vordermann“ zu bringen bzw. bringen zu lassen. Damit kann die Zeit genutzt werden, bevor der Transaktionsmarkt insgesamt wieder anzieht und der Verkaufsprozess starten könnte. Erfahrungsgemäß ist bei oder während einer Transaktion dafür keine Zeit bzw. es werden ggf. Begehrlichkeiten der Mieter, die von einer möglichen Transaktion erfahren haben, geweckt.
Auf der anderen Seite bedeutet das für potentielle Käufer, dass künftig eine gewissenhafte Legal Due Diligence vor allem der regelmäßig die Werthaltigkeit einer Immobilie bestimmenden Mietverträge durchgeführt werden sollte. Außerdem wäre in den Kaufvertragsverhandlungen auf eine entsprechende Absicherung des Käufers zu achten.
Die weitere Entwicklung in der Kautelarpraxis werden wir aktiv mitgestalten und die dazu ergehenden gerichtlichen Entscheidungen berücksichtigen.
Anja Fischer
Ansgar Messow