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    17.12.2024

    Textform ersetzt Schriftform in Gewerberaummietverträgen – Änderungen durch das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz


    Einleitung

    Im Rahmen unseres Newsletters vom Februar 2024 informierten wir Sie über die geplanten Änderungen des Schriftformerfordernisses im Gewerberaummietrecht, die unter anderem durch den Referentenentwurf zum Vierten Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) angestoßen wurden. Inzwischen wurde das BEG IV (in fortgeschriebener Fassung) verabschiedet und am 29. Oktober 2024 im Bundesgesetzblatt verkündet. Die darin enthaltenen Neuerungen treten am 1. Januar 2025 in Kraft und stellen einen Wendepunkt im Gewerberaummietrecht dar: Für den Abschluss und die Änderung von Gewerberaummietverträgen genügt künftig die Textform. 

    Das Ziel des BEG IV ist es, den bürokratischen Aufwand zu verringern und die Vertragsgestaltung flexibler zu machen. Weiterer Wille war, den Missbrauch einer vorzeitigen Kündigung durch die Ausgangsparteien eines Mietvertrags aufgrund von Formverstößen zu reduzieren, den originären Erwerberschutz, der aufgrund von § 566 BGB notwendig ist (vgl. Newsletter vom Februar 2024) aber beizubehalten.

    Von der Schriftform zur Textform – ein Paradigmenwechsel

    Bisher müssen Gewerbemietverträge (und über § 581 Abs. 2 BGB auch Pachtverträge), die für längere Zeit als ein Jahr geschlossen werden, gemäß §§ 550, 578, 126 BGB in schriftlicher Form abgeschlossen werden. Ein Verstoß gegen dieses Erfordernis hat weitreichende Konsequenzen: Der Vertrag gilt als „auf unbestimmte Zeit“ abgeschlossen (§ 550 Satz 1 BGB). Gemäß §§ 542 Abs. 1, 580a Abs. 2 BGB kann der Mietvertrag sodann – ungeachtet der vertraglich vereinbarten Laufzeit – nach Maßgabe der gesetzlichen Fristen gekündigt werden. Bei Verträgen über Geschäftsräume in der Regel mit einer Frist von sechs Monaten zum Quartalsende, § 580a Abs. 2 BGB. 

    Bestandteil der gesetzlichen Schriftform ist zum einen gemäß § 126 Abs. 1 BGB die eigenhändige Namensunterschrift. Im Hinblick auf eine mögliche Reduzierung von bürokratischem Aufwand kann die eigenhändige Namensunterschrift gemäß §§ 126 Abs. 3, 126a BGB iVm. Art. 3 Nr. 12 eIDAS-VO (Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG) bereits durch eine qualifizierte elektronische Signatur ersetzt werden, die erforderlichen hohen Anforderungen, um der Schriftform zu genügen, verlangsamen bisher jedoch einen Einzug in die Praxis. 

    Neben der eigenhändigen Unterschrift existiert zudem eine kaum überschaubare Vielzahl von Gerichtsentscheidungen zu den weiteren konkreten Anforderungen an die Vertragsgestaltung, die sich aus dem Schriftformerfordernis ableiten lassen. Demnach müssen sämtliche wesentlichen Vertragsinhalte (z.B. Vertragsparteien, Mietgegenstand, Miethöhe und Laufzeit) in einer einheitlichen Urkunde festgehalten werden. Dabei ist es erforderlich, die Einheitlichkeit der Vertragsdokumentation zu gewährleisten, beispielsweise durch eindeutige Bezugnahmen zwischen Anlagen, Nachträgen und Dokumenten. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte diese Anforderungen zwar teilweise gelockert, doch bleiben sie dennoch eine häufige Fehlerquelle, die in der Praxis zu nicht unerheblichen Risiken führt.

    Ab dem 1. Januar 2025 entfällt die gesetzliche Schriftformpflicht für neu abgeschlossene oder geänderte Gewerberaummietverträge. Diese können fortan in Textform abgeschlossen oder angepasst werden. Textform gemäß § 126b BGB verlangt lediglich eine lesbare Erklärung auf einem dauerhaften Datenträger, die den Verfasser erkennen lässt – etwa durch E-Mail, SMS oder andere elektronische Kommunikationswege. Zweifelsfrei ist zu erwarten, dass diese Änderung zur Beschleunigung und Effizienzsteigerung von Abschlüssen von Gewerberaummietverträgen führen, da Verträge nun vollständig elektronisch abgewickelt werden können. Dies reduziert den administrativen Aufwand, löst das Problem von langwierigen Postlaufzeiten im In-/und Ausland und passt sich den Anforderungen einer digitalisierten Geschäftswelt an.

    Potenzielle Herausforderungen trotz Erleichterungen

    Neben diesem positiven Effekt dürften sich in der Praxis jedoch neue Probleme ergeben bzw. alte bestehen bleiben. Insbesondere die bislang geltenden Anforderungen an die Einheitlichkeit der Vertragsdokumentation sollten vorerst weiterhin eingehalten werden. Unvollständige Anlagen, widersprüchliche Vereinbarungen zwischen Hauptvertrag und Nebenabreden oder uneindeutige Korrespondenz könnten künftig als Textformverstöße ausgelegt werden.

    Rechtsfolge der Textformverstöße bleibt weiterhin, dass ein befristeter Mietvertrag vorzeitig gekündigt werden kann.

    Auswirkungen auf Immobilientransaktionen

    Die Abschaffung der Schriftformpflicht wird zudem Auswirkungen auf Immobilienkäufe haben. Zwar vereinfacht die Einführung der Textform den Abschluss von Verträgen, gleichzeitig wird jedoch die Überprüfung bestehender Mietverhältnisse im Rahmen von Ankäufen (Due Diligence Prüfungen) komplizierter. Käufer müssen sich stärker darauf verlassen, dass Verkäufer sämtliche relevanten Unterlagen vollständig offenlegen. Andernfalls könnten unbekannte Nebenabreden oder Änderungen das Mietverhältnis und damit den Wert der Immobilie negativ beeinflussen.

    Um diesem Risiko vorzubeugen, wird es voraussichtlich häufiger notwendig sein, dass Verkäufer umfassende Garantien zur Vollständigkeit der Unterlagen abgeben. Zudem könnten Bestätigungen der Mieter zur Vertragsdokumentation an Bedeutung gewinnen.

    Handlungsempfehlungen für die Praxis

    Um die mit der Einführung der Textform im Gewerberaummietrecht verbundenen Risiken zu minimieren, empfehlen wir daher insbesondere weiter an den Grundsätzen der Einheitlichkeit der Mietvertragsurkunde festzuhalten. Dies bedeutet, dass alle wesentlichen Vertragsinhalte weiterhin in einer Urkunde geregelt sein sollten. Anlagen, Nachträge und weitere Dokumente sollten weiterhin ausdrücklich Bezug aufeinander nehmen. Insbesondere bei E-Mail-Korrespondenz sollte klargestellt werden, dass vertragliche Anpassung lediglich in einem Nachtrag zu einer Urkunde vereinbart werden, die durch eine abschließende Art der Signatur gekennzeichnet sind. Auf eine Signatur am Ende einer Vertragsregelung sollte daher nicht verzichtet werden, um die Vollständigkeit vom Vertragswerk zu verdeutlichen. Diese Signatur kann künftig durch eingescannte oder digitale Unterschriften (auch mittels Dienstleister, ohne die Anforderungen an eine qualifizierte elektronische Signatur erfüllen zu müssen) ersetzt werden. Um den Zugang eines per E-Mail übermittelten Vertrags beim Empfänger zu sichern, sollte stets eine Empfangsbestätigung eingeholt werden. Vorsicht ist zudem bei rechtsgeschäftlichen Schriftformklauseln geboten. Ohne eine ausdifferenzierte Regelung über Umfang und Rechtsfolgen führt ein Verstoß gegen eine solche allgemein gehaltene Klausel gemäß § 125 Satz 2 BGB unmittelbar zur Nichtigkeit des Vertrages.

    Übergangsregelung und Fazit

    Für bestehende Mietverträge gilt eine Übergangsfrist bis zum 1. Januar 2026. Bis zu diesem Zeitpunkt können diese Verträge noch wegen Verstößen gegen das Schriftformerfordernis gekündigt werden. Ab dem 2. Januar 2026 wird die neue Regelung dann für alle Gewerberaummietverträge gelten. Die Übergangsfrist verkürzt sich, wenn man ab dem 1. Januar 2025 Änderungen vereinbart. Dann gilt die Textform ab der Änderungsvereinbarung.

    Es bleibt abzuwarten, ob die Absenkung der formalen Anforderungen von Gewerbemietverträgen nicht ggf. zum Anstieg von Rechtsunsicherheiten an anderer Stelle führen. Im Sinne der Einheitlichkeit der Vertragsurkunde sollte sich bei der Schaffung von Vertragsdokumenten kaum etwas ändern. Etwaige rechtsgeschäftliche Text- oder Schriftformklauseln dürften zu einer Vielzahl möglicher Vertragsgestaltungen mit diversen Anforderungen und Rechtsfolgen führen. Weiter ist nicht zu vernachlässigen, dass Erwerbsprozesse von vermieteten Immobilien durch die Abschaffung des originären Zwecks der Schriftformgebots durchaus komplizierter und risikoreicher werden dürften. Es ist daher zu erwarten, dass die Abschaffung der gesetzlichen Schriftform im Gewerbemietrecht nicht zur endgültigen Beendigung formbezogener Fragestellungen führt.

    Sabrina Brück
    Leopold Linden

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