Bundesgerichtshof, Urteil vom 21. November 2024 - VII ZR 245/23
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Stellung einer Bauhandwerkersicherungshypothek in Höhe von ca. EUR 4,3 Mio. aus einem Generalplanervertrag. Der Vertrag wurde im Oktober 2015 geschlossen und hatte die Erbringung von Planungsleistungen zum Umbau einer bestehenden Büro- und Gewerbebebauung in zwei Wohngebäude für Studenten und Auszubildende sowie zur gewerblichen Nutzung zum Inhalt.
Im Oktober 2018 forderte die Klägerin von der Beklagten zunächst die Stellung einer Bauhandwerkersicherung in Höhe von ca. EUR 1,4 Mio. Im Oktober 2018 kündigte die Beklagte Bauherrin den Vertrag wegen behaupteter Pflichtverletzungen der Klägerin außerordentlich. Im Juni 2021 legte die Klägerin ihre Schlussrechnung vor. Gleichzeitig forderte sie die Beklagte zur Stellung einer Bauhandwerkersicherung in Höhe von insgesamt ca. EUR 3,6 Mio. auf. Die Bauherrin stellte weder die geforderte Sicherheit, noch leistete sie Zahlungen auf die Schlussrechnung.
Die Klägerin erhob daraufhin im November 2021 Klage auf Stellung der Bauhandwerkersicherung. Die Beklagte erhob die Einrede der Verjährung.
Das Landgericht München I wies die Klage ab. Das Oberlandesgericht München hingegen gab der Klage in vollem Umfang statt.
In der von der Beklagten daraufhin angestrengten Revision ging es in erster Linie um die noch nicht vom Bundesgerichtshof entschiedene Rechtsfrage, wann die dreijährige Verjährungsfrist des Anspruchs auf Stellung einer Bauhandwerkersicherungshypothek zu laufen beginnt und ob die Verjährung im vorliegenden Fall daher bereits abgelaufen war.
Der Anspruch des Auftragnehmers auf Stellung einer Bauhandwerkersicherungshypothek war im konkreten Fall aus
§ 648a (alte Fassung) BGB dem Grunde nach berechtigt. Nach nunmehr geltendem Recht entspricht die alte Regelung des § 648a BGB dem neuen § 650f BGB.
Zunächst stellt das Gericht fest, dass der Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherungshypothek in der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB, also binnen drei Jahren, verjährt. Grundsätzlich beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB die Verjährung von Ansprüchen, die in der regelmäßigen Verjährungsfrist verjähren, mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Anspruchsteller vom Bestehen des Anspruchs und dem Anspruchsgegner Kenntnis erlangt hat. Im konkreten Fall wäre der Anspruch der Klägerin bei Anwendung des § 199 Abs. 1 noch nicht verjährt gewesen, da der Anspruch als sogenannter verhaltener Anspruch erst mit der Geltendmachung entsteht. Somit wäre die Verjährung erst mit Ablauf des Jahres 2018, in dem der Anspruch auf Stellung einer Sicherheit erstmals geltend gemacht wurde, in Gang gesetzt worden, sodass die im November 2021 eingereichte Klage noch rechtzeitig verjährungshemmend eingelegt wäre.
Der Bundesgerichtshof führt jedoch sodann aus, dass die dreijährige Verjährungsfrist des Anspruchs auf Stellung einer Bauhandwerker-sicherung taggenau mit dem Verlangen des Unternehmers auf Stellung der Sicherheit beginnt. Dies folgen aus einer entsprechenden Anwendung der Vorschriften des § 604 Abs. 5 BGB, § 695 Satz 2 BGB und § 696 Satz 3 BGB. Wie bereits oben ausgeführt, handelt es sich bei dem Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherheit um einen sogenannten „verhaltenen Anspruch“. Ein solcher Anspruch liegt vor, wenn der Schuldner die Leistung nicht bewirken darf, bevor der Gläubiger sie verlangt. Darüber hinaus ist kennzeichnend für einen verhaltenen Anspruch, dass dessen Entstehung und das Verlangen des Gläubigers zeitlich auseinanderfallen können. Der Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherheit entsteht bereits mit Abschluss des Vertrages. Es besteht jedoch Einigkeit, dass die Verjährung des Anspruchs erst dann beginnen soll, wenn der Auftragnehmer sie auch tatsächlich verlangt. Im Ergebnis beruft sich der BGH somit auf eine langjährige Rechtsprechung, die für verhaltene Ansprüche von einer Gesamtanalogie zu den Spezialregelungen der Verjährung bei verhaltenen Ansprüchen ausgeht. Die Regelungen der Leihe, der Hinterlegung sowie des Rücknahmeanspruchs des Verwahrers seien entsprechend auf den verhaltenen Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherheit anzuwenden.
Der BGH führt umfangreich aus, dass die entsprechende Anwendung der Vorschriften der Interessenlage der Parteien entspricht. Im Ergebnis argumentiert das Gericht, wenn der Auftragnehmer auf der einen Seite dadurch geschützt wird, dass die Verjährung erst mit dem Sicherungsverlangen zu laufen beginnt und nicht bereits mit Abschluss des Bauvertrages, so kann sich der Auftragnehmer auf der anderen Seite nicht darauf berufen, dass die allgemeinen Vorschriften zum Verjährungsbeginn gelten, sondern die Spezialregelung für verhaltene Ansprüche dann auch vollumfänglich auf ihn anwendbar sind.
Nach Klärung dieser grundsätzlichen Frage hatte das Gericht sodann noch weitere Einzelfragen zum konkreten Sachverhalt zu entscheiden:
Zum einen stellte das Gericht klar, dass die Verjährung nur insoweit zu laufen beginnt, wie die Sicherung der Höhe nach verlangt wurde. Hier hatte der Auftragnehmer im Oktober 2018 nur einen Teilanspruch der ihre insgesamt zustehenden Sicherheit geltend gemacht. Der Anspruch auf Stellung der Sicherheit war daher nur in Höhe der zu diesem Zeitpunkt geltend gemachten Sicherheit verjährt. Die weiteren Sicherungsbeträge, die erst im Jahr 2021 erstmals geltend gemacht wurden, konnten daher von der Klägerin noch verlangt werden.
Darüber hinaus traf das Gericht wichtige Hinweise zur Verjährungshemmung durch Verhandlungen gemäß § 203 BGB: Danach wird der Lauf der Verjährung gehemmt, wenn die Parteien über den Anspruch des Gläubigers verhandelt haben. Der Bundesgerichtshof stellt klar, dass unter dem Begriff des Anspruchs das aus dem Lebenssachverhalt hergeleitete Begehren auf Befriedigung eines Interesses zu verstehen ist. Der Gegenstand der Verhandlungen ist durch Auslegung der Verhandlungserklärungen der Parteien zu ermitteln. Diese Auslegung der zwischen den Parteien stattgefunden Verhandlungen ergab, dass die Parteien zwar über den Ausgleich des Vergütungsanspruches der Klägerin verhandelt hatten, nicht jedoch über die Stellung der Sicherheit. Die Verhandlungen über den Vergütungsanspruch selbst konnten die Verjährungen des Anspruchs auf Stellung einer Sicherheit jedoch nicht hemmen.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs bringt eine wichtige Klarstellung zum Verjährungsbeginn des Anspruchs auf Stellung einer Bauhandwerkersicherheit. Insbesondere bei Großprojekten, die ohnehin eine lange Bauphase haben oder bei denen länger Unterbrechungen der Bauzeit vorliegen, sollte ein gestelltes Sicherungsverlangen weiterverfolgt werden, da anderenfalls der unter Umständen überraschende Eintritt eines Verjährungsfalles droht.
Darüber hinaus zeigt die Entscheidung auf, dass es „gefährlich" ist, sich auf den Hemmungstatbestand der Verhandlungen zu verlassen. Insbesondere ist bei Verhandlungen stehts darauf zu achten, ob über sämtliche Ansprüche verhandelt wird oder nur über Einzelaspekte einer größeren Auseinandersetzung. Es ist stets zu raten, ein ausdrückliche Einredeverzichtserklärung einzuholen, wenn eine Verjährung droht und weiterverhandelt werden soll. Auch bei der Formulierung einer solchen Einredeverzichtserklärung ist jedoch darauf zu achten, dass diese zum Beispiel den Anspruch auf Stellung einer Sicherheit mitumfasst.
Thomas Herten