Die Abbildung von Tätowierungen realer Personen, zumeist Sportlern, in Videospielen beschäftigt immer wieder die Gerichte in den USA. In Deutschland sind derartige Fälle bisher nicht bekannt. Die jetzt schon als „Fototapeten-Urteil“ zumindest in die Geschichte des Bundesgerichtshofs eingegangene Entscheidung lässt erahnen, wie eine solche Streitigkeit in Deutschland ausgehen würde.
Der renommierte Tattoo-Künstler Jimmy Hayden aus Cleveland zählt einige NBA-Stars, darunter Shaquille O'Neal, Kyrie Irving und - vorliegend relevant - auch LeBron James zu seinen Kunden. Dessen Tattoos wurden zum Gegenstand eines jahrelangen Rechtsstreits mit dem Videospiele-Publisher Take-Two Interactive, dem Unternehmen hinter der populären "NBA 2K"-Videospielreihe.
Hayden reichte bereits 2017 Klage ein. In seiner 2019 überarbeiteten Klageschrift argumentierte er, dass die detailgetreue Wiedergabe der von ihm gestochenen Tattoos in mehreren Titeln der NBA 2K-Reihe seine Urheberrechte verletze.
Die zentrale Rechtsfrage war dabei: Benötigt ein Videospielunternehmen die Erlaubnis des Tätowierers, wenn es die Tattoos im Rahmen einer lizenzierten Nachbildung des Sportlers zeigt? Take-Two argumentierte, dass die Lizenz zur Nutzung von James' Erscheinungsbild auch das Recht einschließe, seine Tattoos darzustellen. Die Jury am Bundesgericht in Ohio folgte dieser Argumentation. Sie entschied, dass Take-Two durch die Vereinbarung zur Nutzung von James' Erscheinungsbild auch implizit das Recht erhalten habe, seine Tattoos darzustellen.
Es ist aber nicht der einzige Fall dieser Art. Take-Two konnte bereits 2020 einen ähnlichen Rechtsstreit vor einem New Yorker Bundesgericht gewinnen. Dabei ging es um die Darstellung von Tattoos des verstorbenen Basketballspielers Kobe Bryant und anderer NBA-Spieler.
Allerdings zeigt ein anderer Fall, dass die Rechtsprechung in diesem Bereich noch nicht völlig gefestigt ist: 2022 verurteilte eine Jury in Illinois Take-Two nämlich zur Zahlung von Schadensersatz an eine Tätowiererin, deren Werke am Körper des Wrestlers Randy Orton in der Spielereihe "WWE 2K" zu sehen waren, auch wenn es sich dabei nur um 3.750 Dollar handelte.
Diese unterschiedlichen Entscheidungen verdeutlichen, dass die rechtliche Bewertung von Tattoos in einem anderen Medium noch in der Entwicklung begriffen ist, denn der Tattookünstler Hayden soll auch bereits Berufung gegen die jüngste Entscheidung eingelegt haben.
In Deutschland gibt es zwar noch keine vergleichbare Entscheidung zur Abbildung von Tätowierungen in Videospielen, die jüngst ergangenen Urteile des Bundesgerichtshof (BGH, Urteile vom 11. September 2024 - I ZR 139/23; I ZR 140/23; I ZR 141/23) zu sogenannten Fototapeten könnten aber andeuten, wie eine derartige Entscheidung vor deutschen Gerichten ausgehen würde.
Der BGH hatte sich mit einer Reihe von Fällen zu befassen, in denen es um die Abbildung von Fototapeten im Internet ging. Die Fälle, die dem BGH vorlagen, drehten sich um ein von einem Berufsfotografen gegründetes Unternehmen, das Fototapeten mit seinen Fotografien vermarktete. In drei verschiedenen Konstellationen wurden diese Tapeten von den jeweiligen Beklagten als Bilder ins Internet gestellt: Eine private Nutzerin zeigte die Tapete als Hintergrund in Facebook-Videos, eine Medienagentur präsentierte ein Kundenprojekt, bei dem die Tapete zu sehen war, und ein Hotelbetreiber warb mit Fotos seiner dekorierten Räume. In allen Fällen klagte das Unternehmen des Fotografen gegen diese Verwendung und verlangte Schadensersatz sowie die Erstattung von Abmahnkosten.
Der BGH erteilte diesen Forderungen jedoch eine klare Absage und ging von einer "konkludenten Einwilligung" aus. Die Kernüberlegung des Gerichts: Wer ein urheberrechtlich geschütztes Werk wie eine Fototapete ohne besondere Einschränkungen in den Verkehr bringt, muss mit bestimmten üblichen Nutzungen rechnen. Dazu gehört in der heutigen Zeit auch, dass die Tapete auf Fotos oder Videos zu sehen ist, die ins Internet gestellt werden - und zwar nicht nur im privaten, sondern auch im gewerblichen Kontext.
Besonders interessant ist, dass der BGH diese Überlegungen nicht auf die direkten Käufer der Tapeten beschränkte. Auch Dritte, wie etwa die Medienagentur im konkreten Fall, können sich auf die konkludente Einwilligung berufen, wenn ihre Nutzung als üblich anzusehen ist. Das Gericht betonte dabei, dass es dem Urheber selbstverständlich freistehe, bestimmte Nutzungen zu untersagen - allerdings müsse er solche Einschränkungen dann auch deutlich machen, etwa durch entsprechende vertragliche Vereinbarungen oder gut sichtbare Rechtsvorbehalte.
Diese Überlegungen sollten sich auch auf die Tattoos von in Videospielen abgebildeten Prominenten übertragen lassen. Auch ein Tätowierer bringt sein Werk ohne besondere Einschränkungen "in die Welt" - ja mehr noch: Er bringt es auf der Haut eines Menschen an, der sich naturgemäß in der Öffentlichkeit bewegt und dabei fotografiert oder gefilmt wird. Bei prominenten Sportstars wie LeBron James ist diese mediale Präsenz sogar ein wesentlicher Teil ihrer beruflichen Tätigkeit. Folgt man der Logik des BGH, müsste ein Tätowierer also damit rechnen, dass seine Werke zusammen mit ihrem "Träger" abgebildet werden - sei es in klassischen Medien, in sozialen Netzwerken oder eben auch in Videospielen.
Den Urhebern der Tattoos bleibt es überlassen, ihre Werke in expliziten Vereinbarungen mit ihren „Objekten“, den Tätowierten zu regeln. Inwieweit derartige Regelungen dann gerade im Hinblick auf das Persönlichkeitsrecht der Tätowierten wirksam wären, bietet Potential für weitere Entscheidungen des BGH.