Bereits im Juli 2019 haben wir Sie an dieser Stelle über die von der EU beschlossenen Änderungen im Bereich der grenzüberschreitenden Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen informiert. Mit den nunmehr von der Bundesregierung geplanten Änderungen des Umwandlungsgesetzes sollen diese in deutsches Recht gegossen werden.
Mit den Änderungen wird insbesondere das derzeitige Verfahren für den Wechsel einer deutschen GmbH ins EU-Ausland reformiert. Dieser sogenannte Herausformwechsel wird auf den ersten Blick komplexer und aufwendiger. Für Gesellschafter:innen deutscher GmbHs kann es daher eine lukrative Option sein, noch in diesem Jahr und damit vor Inkrafttreten der Änderungen den Herausformwechsel einzuleiten.
Das Bundeskabinett hat am 06.07.2022 den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie beschlossen (UmRUG-RegE). Mit diesem Regierungsentwurf wird die Umsetzung der Richtlinie zu grenzüberschreitenden Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen (UmwRL) als Teil des EU-Gesellschaftsrechtspaket (sog. Company Law Package) fortgesetzt. Ziel der UmwRL ist es, für Kapitalgesellschaften (GmbH, AG, KGaA) innerhalb der EU einheitliche Regelungen für grenzüberschreitende Umwandlungsmaßnahmen zu schaffen.
Diese Vereinheitlichung der gesetzlichen Vorgaben wird von einem umfassenden Bemühen der EU flankiert, die nationalen Handelsregister digital miteinander zu vernetzen und es Unternehmen zu ermöglichen, rechtssicher in andere EU-Länder zu wechseln.
Der sogenannte Herausformwechsel bezeichnet den Wechsel einer nach dem Recht eines Mitgliedstaats der EU gegründeten Kapitalgesellschaft in eine Rechtsform nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats der EU. Die Kapitalgesellschaft streift damit bildlich gesprochen ihr deutsches Rechtskleid ab und tauscht es gegen das eines EU-Mitgliedsstaats ein.
Eine häufig von uns begleitete Form des Herausformwechsels ist der Wechsel einer deutschen GmbH in eine niederländische B.V. (Besloten vennootschap met beperkte aansprakelijkheid) oder in eine luxemburgische S.à r.l. (Société à responsabilité limitée).
Mit der Anpassung der Vorschriften in der EU gehen für diesen Herausformwechsel eine Reihe von Neuerungen einher, die das Verfahren insgesamt mehrteiliger und komplexer machen. Insbesondere aufgrund der zusätzlichen Vorlage- und Wartefristen erwarten wir, dass der Herausformwechsel einer deutschen GmbH ins europäische Ausland künftig länger dauern wird.
Das nunmehr kodifizierte Verfahren besteht aus zwei Schritten. Nachdem die Voraussetzungen des Formwechsels in Deutschland geschaffen wurden, ist die Gesellschaft in ihrem neuen Rechtskleid im Register des Zuzugsstaats nach Einhaltung der einschlägigen Gründungsvorschriften einzutragen.
1. Formwechselbericht
Nachdem die Gesellschafter:innen den Willen zum Herausformwechsel gefaßt haben, hat die Geschäftsführung zunächst einen Formwechselbericht aufzustellen. In diesem Formwechselbericht sind die ökonomischen und rechtlichen Auswirkungen des Herausformwechsels für die GmbH, die Gesellschafter:innen und die Arbeitnehmer:innen darzulegen. Dabei muss die Geschäftsführung insbesondere die Auswirkungen des Herausformwechsels auf die künftige Geschäftstätigkeit der Gesellschaft und ihrer etwaigen Tochtergesellschaften darstellen. Zudem ist bei GmbHs mit mehreren Gesellschafter:innen auszuführen, wie sich der Herausformwechsel auf die Rechtsstellungen der Gesellschafter:innen auswirkt.
Der Formwechselbericht muss den Gesellschafter:innen bereits sechs Wochen vor dem Formwechselbeschluss elektronisch zugänglich gemacht werden.
2. Formwechselplan
Zudem ist künftig ein Formwechselplan von der Geschäftsführung aufzustellen. Der Formwechselplan bildet das Herzstück des Herausformwechsels und beinhaltet dessen zentrale Punkte. Dazu gehören neben der Firma und dem Sitz der neuen Rechtsform auch ein indikativer Zeitplan für den Herausformwechsel.
Dieser Formwechselplan ist einen Monat vor dem Zustimmungsbeschluss der Gesellschafter:innen notariell zu beurkunden und im Anschluß beim Registergericht mit dem Antrag auf Bekanntmachung einzureichen. Erst im zweiten Schritt, nach Ablauf des Monats, erfolgt die Zustimmung der Gesellschafter:innen im Rahmen einer Gesellschafterversammlung.
3. Prüfungsbericht
Hat die GmbH mehrere Gesellschafter:innen ist neuerdings auch eine Formwechselprüfung durchzuführen. Eine solche Prüfung war bisher lediglich bei Verschmelzungen vorgesehen. Die Prüfung ist durch einen oder mehrere sachverständige Prüfer:innen durchzuführen. Dabei werden die Angaben im Formwechselplan auf inhaltliche Vollständigkeit und Richtigkeit überprüft.
Nach der Prüfung erstellen die Formwechselprüfer:innen einen Prüfungsbericht. Dieser muss den Gesellschafter:innen ebenfalls einen Monat vor der Gesellschafterversammlung zugänglich gemacht werden.
Sofern die GmbH mehrere Gesellschafter:innen hat und diese nicht in notariell beurkundeter Form auf die Formwechselprüfung verzichten, kann sich der Herausformwechsel durch diese Voraussetzung erheblich verzögern.
4. Formwechselbeschluss
Nachdem der Formwechselplan, der Formwechselbericht und ggfls. der Prüfungsbericht den Gesellschafter:innen unter Beachtung der jeweiligen Fristen zur Verfügung gestellt wurden, stimmen die Gesellschafter:innen in einer notariell zu beurkundenden Gesellschafterversammlung über den Herausformwechsel ab. Dabei muss eine qualifizierte Mehrheit von 75% der abgegebenen Stimmen für den Herausformwechsel votieren.
Die Geschäftsführung hat den beschlossenen Herausformwechsel beim Handelsregister anzumelden und die Erteilung der sog. Formwechselbescheinigung zu beantragen.
5. Prüfung durch das Registergericht
Eine weitere wesentliche Neuerung für den Herausformwechsel ist die Rechtmäßigkeitsprüfung durch das Registergericht. Künftig prüft das Registergericht sämtliche oben dargestellten Verfahrensschritte und Formalitäten. Erst nach Abschluss der Prüfung stellt das Registergericht die Formwechselbescheinigung aus. Diese bescheinigt, dass alle einschlägigen Voraussetzungen in Deutschland erfüllt sind. Die Formwechselbescheinigung wird für die Eintragung der Gesellschaft im Zuzugsstaat benötigt. Das deutsche Registergericht übermittelt die Formwechselbescheinigung elektronisch an das zuständige Register im Zuzugsstaat.
Neben der Prüfung der Unterlagen nimmt das Registergericht dabei zukünftig auch eine sogenannte Missbrauchsprüfung vor. Beim Vorliegen von entsprechenden Anhaltspunkten prüft das Gericht dann, ob der grenzüberschreitende Formwechsel zu missbräuchlichen oder betrügerischen Zwecken vorgenommen werden soll.
Die Prüfung durch das Registergericht kann zu erheblichen Verzögerungen des Herausformwechsels führen. Das Gesetz sieht zwar eine Prüfungszeit von drei Monaten vor, es bleibt allerdings abzuwarten, ob die Registergerichte angesichts der neu eingeführten Verfahren zu grenzüberschreitenden Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen an ihre Belastungsgrenze stoßen werden.
6. Blockade durch Gläubiger
Mit der Reformierung des UmwG wird zukünftig auch gesetzlich geregelt, dass Gläubiger der GmbH mit einer Sicherheitsleistungsklage die Eintragung des Herausformwechsels unterbrechen können. So können Gläubiger, die glaubhaft machen, dass ihnen gegen die GmbH eine vor Bekanntmachung des Formwechsels entstandene und nach der Bekanntmachung fällig gewordene Forderung zusteht, den Herausformwechsel verhindern, wenn die Erfüllung der offenen Forderung durch den Herausformwechsel gefährdet ist. Gläubiger müssen ihren Anspruch auf Sicherheitsleistung innerhalb von drei Monaten nach der Bekanntmachung des Formwechselplans durch das Registergericht gerichtlich geltend machen.
7. Umzug in den Mitgliedstaat
Die Neu-Eintragung der Gesellschaft kann sodann beim zuständigen Register des Zuzugsstaats angemeldet werden. Neben den zu beachtenden Gründungsvorschriften des jeweiligen Zuzugsstaats muß dem Register des Zuzugsstaats die Formwechselbescheinigung des deutschen Registergerichts vorliegen. Dabei ist das Register des Zuzugsstaats an die Feststellungen der Formwechselbescheinigung gebunden. Dies wird die Eintragung der Gesellschaft im Register des Zuzugsstaats künftig vereinfachen und beschleunigen. Mit der Eintragung im Register des Zuzugsstaats wird der grenzüberschreitende Formwechsel wirksam.
Ist die Gesellschaft im Zuzugsstaat eingetragen, teilt das Register des Zuzugsstaats die Eintragung dem deutschen Handelsregister mit, damit das deutsche Register die Gesellschaft, unter Hinweis auf den Formwechsel, aus dem deutschen Handelsregister löschen kann.
8. Übergangsregelung
Für Herausformwechsel, die vor dem 31.01.2023 von der Gesellschaft beschlossen und vor dem 31.12.2023 beim Registergericht angemeldet wurden,sieht der UmRUG‑REgE eine Übergangsfrist vor. Während dieser Übergangsfrist ist der Herausformwechsel nach der alten Rechtslage weiter möglich.
9. Fazit
Somit wird beim Herausformwechsel zukünftig Rechtssicherheit für die Gesellschafter:innen und für die Registergerichte bestehen. Dies ist begrüßenswert, da der Ablauf des Herausformwechsels derzeit maßgeblich von der Anwendungspraxis der jeweiligen Registergerichte abhängt.
Die Kehrseite der entstehenden Rechtssicherheit im Europäischen Wirtschaftsraum ist die zu erwartende Verlängerung des Verfahrens. Dieses kann aufgrund des gestiegenen Aufwands mit höheren Kosten für die Gesellschaft einhergehen.
Die Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie in nationales Recht soll bis zum 31.01.2023 erfolgen.
Die begrüßenswerte Harmonisierung des europäischen Umwandlungsrechts reformiert die gegenwärtige Rechtslage in Deutschland. Aufgrund der gestiegenen Komplexität und der neu eingeführten Verfahrensschritte werden Herausformwechsel nach Inkrafttreten der Gesetzesänderungen aber vor allem in der ersten Zeit nach der Gesetzesänderung länger dauern.
Um der Anwendung der Gesetzesänderungen auf den Herausformwechsel zuvorzukommen, kann es ratsam sein, den Herausformwechsel noch in diesem Jahr einzuleiten, um ihn nach derzeitiger Rechtslage zu vollziehen.
Gerne beraten wir Sie bei der Abwägung, ob für Ihre GmbH ein Herausformwechsel ins europäische Ausland noch in diesem Jahr sinnvoll ist.