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    26.04.2023

    Referentenentwurf Commercial Courts: Booster für Zivilverfahren oder eine unausgereifte Idee?


    Die Eingangszahlen bei deutschen Zivilgerichten gehen seit Jahren zurück [BMJ | Pressemitteilungen | Rückgang der Eingangszahlen bei den Zivilgerichten: Forschungsbericht an das Bundesjustizministerium übergeben]. Am 25. April 2023 hat das BJM einen Referentenentwurf [BMJ | Aktuelle Gesetzgebungsverfahren | Gesetz zur Stärkung des Justizstandortes Deutschland durch Einführung von Commercial Courts und der Gerichtssprache Englisch in der Zivilgerichtsbarkeit] vorgelegt, der dem entgegenwirken soll, in dem er ermöglicht, dass so genannte Commercial Chambers and Courts eingerichtet und Verfahren auf Englisch geführt werden können. Der Referentenentwurf erscheint allerdings mehr eine kosteneffiziente Möglichkeit zu sein, die Vorgaben des Koalitionsvertrags umzusetzen als tatsächlich die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Ziviljustiz zu steigern. Aber warten wir die kommenden Entwürfe und Diskussionen im Parlament ab. Zu den ersten Eckpunkten der Commercial Courts berichtete unser Blog bereits im Februar diesen Jahres [Globalisierung von Gerichtsverfahren durch sog. Commercial Courts | Advant Beiten (advant-beiten.com)].

     

    Nach dem Referentenentwurf sollen u.a. folgende Vorschläge umgesetzt werden:

     

    • Die Bundesländer werden ermächtigt, an den Oberlandesgerichten oder höchsten Landesgerichten Senate einzurichten, die ab einem Streitwert von EUR 1 Mio. für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten zwischen Unternehmern zuständig sind. Die Parteien können die Zuständigkeit dieser Commercial Courts ausdrücklich oder stillschweigend vereinbaren. Es ist den Bundesländern dabei gestattet, die Zuständigkeit als Commercial Court auf einem Gericht zu bündeln und damit länderübergreifend Ressourcen zu schonen.
    • Die Bundesländer können an den Commercial Chambers der Landgerichte und den Commercial Courts Englisch als Verfahrenssprache vorsehen. Dadurch soll das Verfahren vor diesen Gerichten erleichtert werden: Übersetzungen von englischsprachigen Dokumenten entfallen. Allerdings bleibt den Gerichten unbenommen, in jedem Stadium des Verfahrens einen Dolmetscher hinzuzuziehen. In der Revision liegt es dann in der Hand des Bundesgerichtshofs, ob das Verfahren auf Deutsch oder Englisch fortgesetzt wird.
    • Auf Antrag eines Beteiligten sollen Informationen, die nach § 2 Nummer 1 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen als geheimhaltungsbedürftig eingestuft werden, geschützt werden.
    • Die Einbeziehung Dritter z.B. durch Streitverkündung kann der Vorteil eines englisch-sprachigen Verfahrens schnell zunichtemachen: Der Dritte kann innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des ihn einbeziehenden Schriftsatzes der Verfahrenssprache widersprechen.
    • Die Commercial Courts sollen ausdrücklich Verfahrenskonferenzen, sogenannte Organisationstermine, abhalten. Verfahrenskonferenzen sind seit Jahren in Schiedsverfahren gängige Praxis, um die Schiedsverfahren zu strukturieren und aktiv zu leiten.
    • Ebenfalls aus der Praxis in Schiedsverfahren abgeschaut ist die Möglichkeit, dass mitlesbare Wortprotokolle angefertigt werden.

     

    Die Commercial Courts weisen gewisse Parallelen zu Schiedsverfahren auf, ohne wirklich attraktiver zu sein. Der große Vorteil der Schiedsgerichtsbarkeit ist weniger die Wahl einer beliebigen Sprache als vielmehr die Expertise der Schiedsrichter: Die Parteien können den nach ihrer Auffassung bestgeeigneten Streitentscheider bestimmen. Commercial Courts sind damit zwar ein erster Schritt in Richtung Modernisierung des deutschen Zivilverfahrens. Die grundlegenden Probleme werden dadurch nicht gelöst. Schon der aktuelle Referentenentwurf beinhaltet einige Punkte, die die Attraktivität dieser Gerichte schmälern. Beispielhaft genannt sei hier nur die Streitwertgrenze von EUR 1 Mio. Die Komplexität und Internationalität eines Verfahrens hängen selten mit dem Streitwert zusammenhängen.

     

    Tobias Pörnbacher

    Christina Weinzierl

     

    Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.

     

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