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    17.02.2020

    OLG Köln zur Vorstandshaftung: Angemessene Informationsgrundlage ist essentiell!


    Das Urteil des OLG Köln vom 1. Oktober 2019, Az. I-18 U 34/18, ist eines der vergleichsweise wenigen obergerichtlichen Urteile zur Vorstandshaftung. Schon allein deshalb lohnt es sich, einen näheren Blick darauf zu werfen. Dabei zeigt sich: Das Urteil enthält mehrere interessante Aspekte, die für die Prüfung von Organhaftungsansprüchen – und damit für Gesellschaften, Organmitglieder und D&O-Versicherer gleichermaßen – relevant sind.

     

    In der folgenden knappen Zusammenfassung des Sachverhalts und der wesentlichen Entscheidungsgründe kann nicht im Einzelnen erörtert werden, inwieweit die Erwägungen des OLG Köln zutreffend sind. In jedem Fall zeigt das Urteil, wie "einfach" eine Organhaftungsklage bei Gericht mitunter Erfolg haben kann. Vorstände, Geschäftsführer und Aufsichtsräte sind daher gut beraten, die Erwägungen des OLG Köln "sicherheitshalber" zu berücksichtigen. Im Zentrum steht dabei: Gerade Strategie- und Investitionsentscheidungen sollten auf einer angemessenen, d.h. ihrer erheblichen Bedeutung gerecht werdenden Informationsgrundlage beruhen. Schon in dem Fehlen einer solchen angemessenen Informationsgrundlage kann ein Gericht eine Pflichtverletzung sehen. Für die Verteidigung ist es daher in jedem Fall essentiell vorzutragen, dass und warum die Informationsgrundlage im Einzelfall (doch) angemessen war. All dies gilt umso mehr angesichts des Risikos, dass eine pflichtwidrige Strategie- bzw. Investitionsentscheidung auch alle nachfolgenden Entscheidungen zu ihrer Umsetzung "infizieren" kann, und dass sich der Schaden damit laufend weiter vertiefen kann.

     

    Der Sachverhalt

     

    Die Klägerin – eine ursprünglich in den Bereichen Präzisionsmechanik und Maschinenbau tätige Aktiengesellschaft – hatte das Land NRW im Jahr 2015 als Erbe ihres zwischenzeitlich verstorbenen Allein-Vorstands auf Zahlung von Schadenersatz in Höhe von gut EUR 2,3 Mio. zzgl. Zinsen verklagt. Die Gesellschaft warf ihrem ehemaligen Vorstand eine ganze Reihe von Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit einem gescheiterten Joint Venture in einem neuen Geschäftsfeld (Photovoltaik) sowie im Hinblick auf die Hinzuziehung einer Vielzahl von Beratern vor. Die Leistungen dieser Berater bezogen sich zumindest teilweise auf das Joint Venture bzw. das neuen Geschäftsfeld.

     

    Die Aktiva des Nachlasses des ehemaligen Vorstands bestanden ausschließlich aus den Ansprüchen des ehemaligen Vorstands gegen die D&O-Versicherung, die vertraglich auf EUR 1.000.000,00 begrenzt waren. Das beklagte Land NRW erhob im Prozess die Dürftigkeitseinrede gemäß § 1999 BGB. Aus dem Urteil des OLG Köln geht nicht hervor, ob bzw. wie sich die Abwehrkosten auf diese "vertragliche Begrenzung" (vermutlich die Versicherungssumme) auswirkten. Jedenfalls beanspruchte die Gesellschaft daraufhin lediglich noch die Zahlung von EUR 1 Mio. zzgl. Zinsen (Teilklage). Mit Urteil vom 9. Februar 2018 hatte das LG Aachen der Klage in Höhe von EUR 0,2 Mio. zzgl. Zinsen stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Die Gesellschaft legte daraufhin Berufung ein. Das OLG Köln hat der Klage daraufhin am 1. Oktober 2019 vollumfänglich stattgeben.

     

    Die wesentlichen Entscheidungsgründe

     

    • Grundlage jeder unternehmerischen, nicht pflichtwidrigen Entscheidung könnten nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG nur angemessene Informationen sein. Umgekehrt folge daraus, dass eine Entscheidung des Vorstands, die nicht auf einer angemessenen Informationsgrundlage beruht, pflichtwidrig sei.
    • Vorliegend sei die Eingehung des Joint Ventures daher pflichtwidrig gewesen. Denn der ehemalige Vorstand habe keine hinreichende Informationen über den Kooperationspartner eingeholt; ebenso wenig habe er die Aussichten auf dem neuen, für die (weitere) strategische Neuausrichtung der Klägerin vorgesehenen Geschäftsfeld aufgeklärt (keine sog. "externe Aufklärung"). Prozessual war offenbar unstreitig geblieben, dass der ehemalige Vorstand weder die möglichen Kooperationspartner noch die von ihnen in die Joint-Venture-Gesellschaft einzubringenden Projekte bzw. Projektgesellschaften einer eigenen, umfassenden und eingehenden Due Diligence-Überprüfung unterzogen hatte. Auch habe der ehemalige Vorstand die Möglichkeiten der Gesellschaft in dem neuen Geschäftsfeld unter Berücksichtigung ihrer finanziell angespannten Lage vorab nicht eingehend geprüft (keine sog. "interne Aufklärung"). Eine routinemäßige Anforderung von Sachverständigengutachten oder Marktanalysen sei zwar nicht erforderlich. Vorliegend sei aber vor allem die wirtschaftliche Bedeutung der beabsichtigten strategischen Neuausrichtung für die Gesellschaft ausschlaggebend für den vom Gericht geforderten Umfang der Informationsbeschaffung gewesen. Zudem habe die Gesellschaft auf dem neuen Geschäftsfeld über keinerlei Expertise verfügt. Schließlich sei absehbar gewesen, dass für den Marktzugang erhebliche finanzielle Mittel erforderlich seien.
    • Das beklagte Land NRW (als Erbe des ehemaligen Vorstands) habe keine Gründe vorgebracht, die das Unterlassen der eigentlichen gebotenen Prüfungen hätten rechtfertigen können (wie z.B. fehlende Zeit, fehlende finanzielle Mittel, fehlende Alternativen o.ä.). Dass ein solcher Vortrag fehle, gehe prozessual zu Lasten des beklagten Landes NRW. Denn die klagende Gesellschaft habe eine negative Tatsache zu behaupten gehabt (sinngemäß: "Es gab keine Umstände, die die Maßnahmen des ehemaligen Vorstands zu rechtfertigen vermögen."). Nach den allgemeinen Grundsätzen der sekundären Darlegungslast habe es daher dem beklagte Land NRW oblegen, insoweit ggf. konkrete rechtfertigende Umstände näher zu darlegen. Dies gelte unabhängig von der (weiterhin) streitigen Frage, ob auch der Erbe eines verstorbenen Organmitglieds gemäß § 93 Abs. 2 S. 2 AktG darlegen und beweisen muss, dass und warum das Organmitglied sorgfältig gehandelt hat – oder ob in diesem Fall ausnahmsweise die Gesellschaft darzulegen und zu beweisen hat, dass das verstorbene Organmitglied pflichtwidrig gehandelt hat.
    • Die vorläufige Übernahme von Reisekosten des ursprünglich ins Auge gefassten Kooperationspartners sei ebenfalls pflichtwidrig gewesen. Einer solchen Kostenübernahme hätte zum einen eine nachvollziehbare Begründung der Solvenz des Kooperationspartners sowie zum anderen eine gewisse Sicherheit hinsichtlich des Erfolgs des Vorhabens mit diesem Kooperationspartner zugrunde liegen müssen. Ein allein auf vorangegangenen Zahlungen des Kooperationspartners beruhendes Vertrauen auf dessen Solvenz könne die notwendige Prüfung seiner Solvenz nicht ersetzen.
    • Auch weitere Aufwendungen, darunter solche für Berater, seien pflichtwidrig, soweit sie mit der pflichtwidrig eingeleiteten Neuausrichtung bzw. der pflichtwidrigen Eingehung des Joint Ventures in einem Zusammenhang stünden. Die meisten Aufwendungen für Berater bezögen sich schon nach dem Gegenstand des Beratungsvertrags auf die pflichtwidrig eingeleitete Kooperation bzw. das pflichtwidrig vereinbarte Joint Venture. Nach den vorstehenden Überlegungen zur Darlegungs- und Beweislast habe es dem beklagten Land NRW oblegen, ggf. zu einer von der pflichtwidrigen Kooperation bzw. dem pflichtwidrigen Joint Venture unabhängigen Rechtfertigung für die Beratungsleistungen vorzutragen. Aus dem Urteilstatbestand ergibt sich, dass der ehemalige Vorstand die allermeisten Beraterverträge tatsächlich erst nach pflichtwidriger Eingehung des Joint-Venture-Vertrags abgeschlossen hatte. Einen einzigen Beratervertrag hatte der ehemalige Vorstand zwar bereits einige Monate zuvor abgeschlossen. Auch hier kam das OLG Köln unter Verweis auf die Beweiserhebung in erster Instanz aber zu dem Ergebnis, dass ein zwingender Zusammenhang mit der Pflichtverletzung bestehe. Ob und inwieweit diese Beratertätigkeit (auch) dazu diente, die Entscheidung über die Eingehung des Joint Ventures vorzubereiten, ist dem Urteil des OLG Köln nicht zu entnehmen. Jedenfalls ergab sich offensichtlich auch aus den Ergebnissen dieser vorangehenden Beratertätigkeit keine angemessene Informationsgrundlage für die anstehenden Entscheidungen.

     

    Das OLG Köln hat die Revision nicht zugelassen. Ob das beklagte Land NRW eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt hat, oder ob das Urteil des OLG Köln mittlerweile rechtskräftig ist, ist nicht bekannt.

     

    Fragen hierzu beantwortet Ihnen Dr. Daniel Walden gerne.

     

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