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    06.06.2022

    Neue Entwicklungen im Maskenstreit


    Die Bundesrepublik Deutschland hat zu Beginn der Corona-Pandemie über verschiedene Kanäle Schutzausrüstung insbesondere Atemschutzmasken beschafft. Besondere Beachtung verdient dabei das sogenannte „Open-House Verfahren“. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat in einem solchen Verfahren rund eine Milliarde Schutzmasken bestellt, aber oft nicht bezahlt. Seitdem ist das Open-House Verfahren nicht nur Gegenstand diverser Presseberichterstattung (z.B. hier und hier) und eines Berichts des Bundesrechnungshofs, sondern auch von über hundert Gerichtsverfahren.

     

    ADVANT Beiten vertritt eine Vielzahl der Lieferanten von Schutzmasken gegenüber dem Bundesgesundheitsministerium und konnte bereits verschiedene Erfolge für die Lieferanten erzielen (vgl. unsere Pressemitteilung hier). Jetzt scheint sich die Waagschale weiter zugunsten der Lieferanten zu neigen. Aktuelle Tendenzen der Rechtsprechung bestätigen die Rechtsauffassung der Lieferanten.

     

    Hintergrund: Das Open-House Verfahren

     

    Ein Open-House Verfahren ist ein besonderes Verfahren zur Beschaffung, bei dem der öffentliche Auftraggeber mit allen interessierten Unternehmen zu vorher feststehenden Konditionen Verträge abschließt. Wie der Name „Open House“ schon andeutet, kann daran jeder, der die vom Auftraggeber vorgegebenen Voraussetzungen erfüllt, teilnehmen, weil das Verfahren keine Mengenbegrenzung oder Auswahl der Vertragspartner zulässt. Daher gilt der Grundsatz strikter Gleichbehandlung aller Teilnehmer, sodass alle Angebote angenommen werden müssen. Das Open-House Verfahren zur Beschaffung von Masken ist eine der umstrittensten Maßnahmen des Bundesgesundheitsministeriums während der Corona-Pandemie. An diesem Verfahren konnte jeder, der sich bereit erklärte mindestens 25.000 Masken zu liefern, teilnehmen. Insgesamt haben am Open-House Verfahren über 700 Lieferanten teilgenommen.

     

    Fixgeschäft?

     

    In vielen Fällen kam es zwischen den Lieferanten und dem Bundesgesundheitsministerium zum Streit. Das Ministerium bezahlte die Masken nicht und trat vom Open-House Vertrag zurück. Begründet wurde das mit angeblichen Qualitätsmängeln. Nach Ansicht des BMG soll es sich bei dem Open-House Vertrag um ein Fixgeschäft handeln. Das heißt, dass das BMG die Lieferanten nicht zuerst zur Lieferung neuer Masken auffordern musste.

     

    Die Lieferanten sind hingegen der Ansicht, dass der Open-House Vertrag kein Fixgeschäft ist. Dann hätte das BMG vor einem Rücktritt die Lieferanten zunächst eine Frist zur Nachlieferung setzen müssen. Die Frage des Fixgeschäfts ist ein zentraler Streitpunkt in vielen Prozessen um das Open-House Verfahren.

     

    Die Rechtsprechung des LG Bonn zur Frage des Fixgeschäfts war bisher uneinheitlich, sodass eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln mit besonderer Spannung erwartet wird. Bisher befinden sich aber nur wenige Verfahren bereits in der zweiten Instanz beim Oberlandesgericht und eine rechtskräftige Entscheidung ist noch nicht bekannt. Dennoch hat das OLG Köln Ende Mai in einem Hinweisbeschluss seine vorläufige Rechtsauffassung zu einem Fall mitgeteilt.

     

    Hinweis des OLG Köln

     

    Das OLG Köln hält in seinem ausführlichen Hinweisbeschluss fest, dass der Open-House Vertrag kein Fixgeschäft darstellt. Darin übernimmt das OLG Köln die Position der von ADVANT Beiten vertretenen Lieferantin. Es führt aus, dass ein Fixgeschäft im Open-House Vertrag nicht wirksam vereinbart werden konnte, weil es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Nach der vorläufigen Auffassung des OLG Köln war der Rücktritt des BMG vom Open-House Vertrag unwirksam und dem Lieferanten steht für sämtliche Masken ein Anspruch auf den Kaufpreis zu. Dabei ist es nach Ansicht des Senats irrelevant, ob die Schutzmasken mangelhaft oder angeliefert seien, da der Klägerin ein Recht auf Nacherfüllung zustehe.

     

    Das Landgericht Bonn hatte die Klage der Lieferantin zunächst abgewiesen, wobei diese in der ersten Instanz noch nicht von ADVANT Beiten vertreten wurde. Nach dem deutlichen Hinweis ist jedoch zu erwarten, dass das OLG Köln das Urteil des Landgerichts aufhebt und zugunsten der Klägerin entscheidet.

     

    Das OLG Köln nimmt in seinem Hinweisbeschluss ausdrücklich auf ein anderes Urteil Bezug, das ADVANT Beiten bereits vor dem Landgericht Bonn für einen Lieferanten erfolgreich erstritten hat (vgl. Pressemitteilung). In diesem anderen Fall hatte das BMG den Lieferanten zunächst bezahlt und forderte dann den Kaufpreis zurück. Die Klage des BMG auf Rückzahlung des Kaufpreises konnte ADVANT Beiten für den Lieferanten in erster Instanz erfolgreich abwehren.

     

    Ausblick

     

    Die vorläufige Rechtsansicht des OLG Köln beruht nicht auf Umständen des Einzelfalls, sondern auf einer Auslegung des Open-House Vertrags, der gegenüber allen Lieferanten gleich lautet. Es ist also zu erwarten, dass der klare Hinweis des OLG Köln auch auf Entscheidungen des Landgerichts Bonn Einfluss haben wird. Dort sind nach wie vor die meisten Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit dem Open-House Verfahren anhängig. Die Anzahl der Gerichtsverfahren könnte sogar noch zunehmen. Denn inzwischen ist bekannt geworden, dass das BMG auch in Fällen, die noch nicht rechtshängig sind, sogenannte Beweissicherungsverfahren einleitet. Wenn Sie davon betroffen sind, sollten wir miteinander sprechen.

     

    Kommen Sie gerne auf uns zu - wir beraten Sie zu allen Fragen gerichtlicher und außergerichtlicher Konfliktlösung.

     

    Moritz Kopp

    Philipp Sahm

     

    Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Dokument auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.

     

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