Die Inflationsrate lag im November 2022 bei 10%. Auch wenn der Aufwärtstrend damit gebrochen sein dürfte, sind die Preissteigerungen weiterhin gewaltig. Die steigenden Preise sorgen mitunter dafür, dass das Festhalten an bereits geschlossenen Verträgen und vor allem an vereinbarten Preisen zu enormen Verlusten führt. Deswegen stehen viele Unternehmer vor der Frage, wie sie auf die Preissteigerungen reagieren können.
Gerade im unternehmerischen Verkehr werden gerne langfristige Verträge mit längerer Preisbindung geschlossen. Solche Verträge können jedoch infolge der gestiegenen Preise im Einkaufs- und Herstellungsbereich nicht mehr kostengerecht sein. Das kann zu monatlich hohen Verlusten führen und sich im schlimmsten Fall ruinös auswirken. Nicht immer haben die Parteien für diesen Fall vertragliche Abreden getroffen. Sieht der Vertrag selbst keine oder keine wirksame Anpassungsmöglichkeit vor, müssen die Parteien auf gesetzliche Regelungen zurückgreifen.
Häufig finden sich in Verträgen sog. Force-Majeure Klauseln. Auf den ersten Blick erscheint es auch so als würden diese weiterhelfen. Force Majeure oder höhere Gewalt wird definiert als "außerhalb des Einflussbereichs der jeweiligen Vertragspartei liegendes Ereignis". Standardmäßig werden Krieg, terroristische Auseinandersetzungen, Epidemien oder seit Covid-19 auch Pandemien u. v. m. als konkrete Anwendungsfälle aufgezählt. Allerdings sehen Force-Majeure Klauseln in der Regel nur vor, dass die betroffene Partei vorübergehend von ihrer Leistungspflicht befreit wird. Eine solche Klausel hilft also nur weiter, wenn die eigene Leistung (vorübergehend) unmöglich geworden ist. Nicht, wenn sie unwirtschaftlich geworden ist. Dauert das Leistungshindernis über einen vertraglich definierten Zeitraum hinaus an, besteht oftmals die Möglichkeit sich vom Vertrag zu lösen.
Der Name ist Programm. Preisanpassungsklauseln ermöglichen die nachträgliche Anpassung von bereits im Voraus fest vereinbarten Preisen.
Vorab ist immer zu prüfen, ob AGB vorliegen. Denn auch im Bereich B2B werden im Rahmen von AGB hohe Anforderungen an die Wirksamkeit von Preisanpassungsklauseln gestellt. Es gilt zu beachten, dass bereits die mehrmalige Verwendungsabsicht oder auch das Verwenden von einer Vertragsvorlage zum Vorliegen von AGB führt. Es kommen sowohl individualvertraglich als auch im Rahmen von AGB unterschiedliche Vorgehensweisen in Betracht: Preisanpassung nach Index, nach Faktor oder Vereinbarung eines Tagespreises statt Fixpreises.
Handelt es sich um AGB, wird die Wirksamkeit der Klausel an § 307 Abs. 1 BGB gemessen. Im Bereich B2B gibt es bislang wenig Rechtsprechung zu den Anforderungen an Preisanpassungsklauseln. Deshalb ist es sinnvoll, sich an den Vorgaben für Verbraucherverträge zu orientieren. Wenn diese Vorgaben eingehalten werden, sind die Klauseln auch im B2B-Bereich wirksam. Nach der Rechtsprechung des BGH zu B2C-Verträgen erfordern angemessene Preisanpassungsklauseln im Rahmen von § 307 Abs. 1 BGB mindestens, dass (i) die Preisanpassung an Kostenelemente gekoppelt wird, die der Kunde kennt oder ermitteln kann, (ii) die Kostenfaktoren und deren Bedeutung für die Gesamtkalkulation des Preises so aufgestellt werden, dass der Kunde erkennen kann wie sich eine Kostenänderung auf den Gesamtpreis auswirken wird und (iii) der Anstieg bei einem Kostenfaktor mit einem sinkenden anderen Kostenfaktor saldiert wird. Außerdem dürfen Preisanpassungsklauseln nur dem Zweck dienen, gestiegene Kosten auszugleichen. Sie dürfen nicht den Gewinn erhöhen, d.h. das Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung muss gleichbleiben. Preissenkungen und Preissteigerungen müssen gleichermaßen weitergegeben werden. Die Preisanpassung darf auch nicht an betriebsinterne Kostenerhöhungen geknüpft werden, da diese für Außenstehende nicht nachprüfbar sind.
Individualvertraglich ist bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit alles erlaubt. Dennoch empfiehlt es sich, sich an den Grundsätzen für Preisanpassungsklauseln im Rahmen von AGB zu orientieren.
Eine Vertragsanpassung aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage ist nur als ultima ratio möglich. Vorrangig ist auf andere Gestaltungsrechte wie z. B. eine Anfechtung zurückzugreifen.
Teil der Geschäftsgrundlage ist auch die Erwartung der Parteien, dass sich die Kosten innerhalb marktüblicher Preisschwankungen bewegen und nicht aufgrund unvorhergesehener Ereignisse explodieren. Dies gilt allerdings nur, wenn der Vertrag vor Eintritt des Ereignisses geschlossen wurde.
Das Festhalten am Vertrag muss unzumutbar geworden sein, sprich durch den Wegfall der Geschäftsgrundlage muss ein derartig unzumutbares Ungleichgewicht eingetreten sein, dass ein Festhalten an dem Vertrag aus einer Gerechtigkeitsperspektive schlechthin nicht mehr tragbar ist. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Preisanstieg oder Beschaffungsschwierigkeiten bei Vertragsschluss bereits vorhersehbar waren.
Schließlich ist im Rahmen einer Risikoverteilung abzuwägen, welche Vertragspartei das Risiko der Preisveränderung / Kostenerhöhung trägt. Kostenerhöhungen fallen grundsätzlich in die Risikosphäre des Verkäufers / Lieferanten, da die Vereinbarung eines Festpreises in der Regel darauf hindeutet, dass er das Preisrisiko bewusst übernommen hat und ein Festhalten am ursprünglichen Vertrag damit auch zumutbar ist. Eine generalisierende Aussage wann das Festhalten am Vertrag unzumutbar ist, kann nicht getroffen werden. Es kommt immer auf den Einzelfall an. Aber: Je höher die Kostensteigerung und je bedeutsamer das verteuerte Produkt für den Gesamtpreis des Verkaufsgegenstands ist, desto wahrscheinlicher ist die Unzumutbarkeit. Jedenfalls dann, wenn der Verkäufer / Lieferant Verluste macht, kann Unzumutbarkeit in der Regel angenommen werden.
Liegen die Voraussetzungen nach § 313 Abs. 1 BGB vor, kann die betroffene Partei in der Rechtsfolge die Anpassung des Vertrages verlangen. Dabei ist entscheidend, unter welchen Bedingungen die Parteien den Vertrag geschlossen hätten, wenn sie die erhöhten Preise gekannt hätten. Es hat eine zumutbare und interessengerechte Verteilung stattzufinden. Der Differenzbetrag wird oft hälftig zwischen den Parteien verteilt. Sofern eine Preisanpassung nicht möglich oder einer Partei unzumutbar ist, kommt der Rücktritt vom Vertrag oder bei Dauerschuldverhältnissen die Kündigung in Betracht.
Vertragliche Abreden sind grundsätzlich einzuhalten. Nachträgliche Anpassungen dürfen nur im Einzelfall erfolgen. Daher sollte erstes Ziel immer eine einvernehmliche Nachverhandlung mit dem Vertragspartner sein. Erst wenn diese scheitern, sollte man sich – soweit vertraglich vorgesehen – auf (ggfs. auch auf unwirksame) Preisanpassungsklauseln berufen. Wenn keine vertragliche Vereinbarung betreffend einer Preisanpassung getroffen wurde oder diese unwirksam ist und der Vertragspartner sich auf die Unwirksamkeit beruft, kann auf § 313 Abs. 1 BGB zurückgegriffen werden. Die gerichtliche Geltendmachung einer Preisanpassung gestützt auf § 313 Abs. 1 BGB ist allerdings risikoreich aufgrund der starken Einzelfallabhängigkeit.