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    22.03.2020

    Gesetzespaket der Bundesregierung zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie


    Die Bundesregierung hat heute den Entwurf eines Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie vorgelegt. Der Gesetzesentwurf ist hier abrufbar.

     

    Der Gesetzesentwurf beinhaltet weitreichende Regelungen in verschiedenen Rechtsgebieten:

     

    • Zivilrecht: Moratorium für Verbraucher und Kleinstunternehmer im Hinblick auf vertragliche Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen;
    • Insolvenzrecht: Vorübergehende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und der Zahlungsverbote;
    • Gesellschaftsrecht: Vorübergehende Ermöglichung von Gesellschafter- und Hauptversammlungen ohne physische Präsenz;
    • Strafverfahrensrecht: Vorübergehende Hemmung der Unterbrechungsfrist einer strafgerichtlichen Hauptverhandlung.

     

    Das vorgeschlagene Gesetzespaket kommt zu dem in der vergangenen Woche beschlossenen Maßnahmenpaket der Bundesregierung zur Abfederung der Auswirkungen des Coronavirus hinzu. Es greift insbesondere einige zentrale Rechtsfragen auf, die sich für Vorstände und Geschäftsführer im Hinblick auf die Erfüllung ihrer rechtlichen Pflichten in Zeiten der Corona-Krise stellen (vgl. dazu den Blogbeitrag https://www.beiten-burkhardt.com/index.php/de/blogs/die-relevanz-von-sars-cov-2-coronavirus-fuer-das-pflichtenheft-der-geschaeftsleitung).

     

    Der eilends erstellte, 52-seitige Gesetzesentwurf in Form einer Formulierungshilfe der Bundesregierung wird hinsichtlich der einzelnen Regelungsvorschläge und der dafür angeführten Begründung erst noch im Einzelnen zu analysieren sein. Gut denkbar ist auch, dass es im weiteren, voraussichtlich rekordverdächtig kurzen Gesetzgebungsverfahren noch zu einzelnen Änderungen kommen wird. Hervorzuheben sind allerdings schon zum jetzigen die folgenden, für Vorstände und Geschäftsführer aller Unternehmen potentiell relevanten Neuregelungen, die sich bereits in der vergangenen Woche abgezeichnet hatten:

     

    Vorübergehende Ermöglichung der virtuellen Hauptversammlung

     

    Die ordentliche Hauptversammlung (bei der AG) bzw. Gesellschafterversammlung (bei der GmbH) muss in den ersten acht Monaten des Geschäftsjahres stattfinden, § 175 Abs. 1 AktG bzw. § 42a Abs. 2 GmbHG. Für die Dauer der derzeitigen behördlichen Versammlungsverbote können auch Hauptversammlungen/Gesellschafterversammlungen nicht als Präsenzveranstaltung durchgeführt werden. Der Gesetzentwurf sieht daher vor:

     

    • Im Jahr 2020 kann der Vorstand einer Aktiengesellschaft, KGaA bzw. SE mit Zustimmung des Aufsichtsrats auch ohne entsprechende Satzungsermächtigung den Aktionären die Teilnahme an der Hauptversammlung und die Stimmabgabe im Wege elektronischer Kommunikation ermöglichen, eine virtuelle Hauptversammlung ohne physische Präsenz durchführen, die Einberufungsfrist für die Hauptversammlung auf 21 (statt 28) Tage verkürzen, die Hauptversammlung auch noch nach Ablauf der ersten acht Monaten im Laufe des restlichen Geschäftsjahres durchführen und bereits vor der Hauptversammlung Abschlagzahlungen auf den Bilanzgewinn vornehmen. Das Anfechtungsrecht wird (mit Ausnahme vorsätzlicher Verletzungen) entsprechend eingeschränkt.
    • Gesellschafterversammlungen von GmbHs können im Jahr 2020 auch ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter in Textform oder durch schriftliche Stimmabgabe gefasst werden.
    • Bei Genossenschaften können im Jahr 2020 Beschlüsse der Mitglieder bzw. Vertreter bei General- bzw. Vertreterversammlungen auch ohne entsprechende Satzungsermächtigung schriftlich oder elektronisch gefasst werden, der Jahresabschluss vom Aufsichtsrat festgestellt werden und (mit Zustimmung des Aufsichtsrats) Abschlagzahlungen auf zu erwartende Dividendenzahlungen geleistet werden. Zudem bleiben Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats einer Genossenschaft auch nach Ablauf ihrer Amtszeit bis zur Bestellung eines Nachfolgers im Amt. Sitzungen des Vorstands und des Aufsichtsrats können auch ohne Grundlage in der Satzung oder in der Geschäftsordnung im Umlaufverfahren in Textform oder als Telefon- oder Videokonferenz durchgeführt werden.
    • Auch Vorstandsmitglieder von Vereinen und Stiftungen bleiben im Jahr 2020 auch nach Ablauf ihrer Amtszeit bis zu ihrer Abberufung oder bis zur Bestellung ihres Nachfolgers im Amt. Vereinsmitglieder können an der Mitgliederversammlung auch ohne physische Präsenz teilnehmen und ihre Stimme im Wege der elektronischen Kommunikation oder im Vorfeld schriftlich abgeben.

     

    Vorübergehende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und der Zahlungsverbote

     

    Bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit (d. h. wenn die Gesellschaft die fälligen Verbindlichkeiten nicht erfüllen kann) oder Überschuldung (d. h. wenn das Vermögen die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt und keine Fortführungsprognose besteht) muss die Geschäftsleitung innerhalb von drei Wochen Insolvenzantrag stellen, §§ 15a, 17, 19 InsO. Bewirkt sie nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder nach Feststellung der Überschuldung noch Zahlungen, haftet der Vorstand bzw. der Geschäftsführer dafür ggf. persönlich, § 92 Abs. 2 AktG bzw. § 64 GmbHG. All diese Pflichten werden vorübergehend ausgesetzt:

     

    • Die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags nach § 15a InsO (sei es wegen Überschuldung, sei es wegen Zahlungsunfähigkeit) wird bis zum 30. September 2020 ausgesetzt. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus beruht oder wenn keine Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Es wird allerdings kraft Gesetzes vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen, wenn das Unternehmen am 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig war.
    • Soweit die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags danach ausgesetzt ist, gelten Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen (einschließlich Maßnahmen zur Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs oder zur Umsetzung eines Sanierungskonzepts), als pflichtgemäß. Zudem werden neue Kredite anfechtungs- und haftungsrechtlich privilegiert, um einen Anreiz für die Gewährung solcher Kredite zu schaffen.

     

    Dr. Daniel Walden