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    05.01.2023

    Games-Recht in Deutschland: Rückblick 2022


    Nach einem guten Start in das neue Jahr wollen wir das Jahr 2022 aus „Games-rechtlicher“ Sicht noch ein Mal Revue passieren lassen und in einem „Speedrun“ auf die – aus unserer Sicht – wichtigsten Neuerungen und Urteile zu Games und E-Sport aus dem vergangenen Jahr eingehen. Dabei wollen wir uns auf die „Main-Quests“ des Jahres 2022 fokussieren und wagen einen Abstecher an den Stellen, wo rechtlich das ein oder andere „Easter-Egg“ versteckt war.

     

    Datenschutz

     

    Der Bundesgerichtshof (BGH I ZR 186/17) hatte sich erneut mit der Verbandsklagebefugnis von Verbraucherschutzverbänden bei DSGVO-Verstößen zu beschäftigen und ein weiteres Mal den Europäischen Gerichtshof um eine Vorabentscheidung gebeten. Das Verfahren zwischen dem Dachverband der Verbraucherzentralen (vzbv) und Facebook (Meta) wegen der ursprünglichen Gestaltung des App-Zentrums für Instant-Games hatte der BGH zuletzt im Jahr 2020 ausgesetzt und dem EuGH vorgelegt, um die Frage der Verbandsklagebefugnis zu klären. Diese hatte der EuGH im Anschluss dem Grunde nach bereits bejaht. Nunmehr sei jedoch eine weitergehende Klärung erforderlich, so der BGH.

     

    E-Sport

     

    Die im Koalitionsvertrag zwischen den Regierungsparteien versprochene Gemeinnützigkeit des E-Sport wurde 2022 nicht umgesetzt. Dies wäre, da E-Sport in Deutschland bis dato nicht als Sportart anerkannt ist, beispielsweise durch eine Ergänzung des Katalogs der gemeinnützigen Zwecke (§ 52 Abgabenordnung) möglich, wurde aber zuletzt bei der Beratung über das Jahressteuergesetz nicht realisiert. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion erklärte die Bundesregierung hierzu, dass Inhalt und Zeitplan für die Umsetzung der Gemeinnützigkeit im E-Sport noch nicht feststünden.

     

    Erfreulichere Töne zum E-Sport kamen aus Brüssel. Dort betonte das Europäische Parlament in seiner Entschließung 2022/2027 die Bedeutung und positive Wirkung von E-Sport und Videospielen. Aus der Entschließung geht unter anderem hervor, dass nationale, regionale und globale E-Sportturniere als Mittel zur Förderung des kulturellen Austauschs und der Kultur und Werte Europas angesehen werden könnten und dass Videospiele und E-Sport vielen Spielern mit Blick auf die psychische Gesundheit auch erhebliche Vorteile bieten können und es ermöglichen, positive Werte zu verbreiten. Das Europäische Parlament ist gleichwohl der Ansicht, dass E-Sport und herkömmlicher Sport unterschiedliche „Branchen“ sind, was mit der Machtstellung des Publishers zusammenhängt, der an seinen Spielen ein exklusives und uneingeschränktes Nutzungsrecht innehat. Gleichwohl ergänzten sich Sport und E-Sport, lernten voneinander und förderten vergleichbar positive Werte. Die Forderungen des Europäischen Parlaments gegenüber der Kommission umfassen die Einführung eines E-Sport Visums für den Schengenraum sowie den Erlass von Leitlinien in Bezug auf den Status professioneller E-Sportler. Es bleibt mit Spannung zu erwarten, wie die Europäische Kommission diese Aufforderung umsetzt.

     

    Mit einem weniger blumigen Sachverhalt hatte es das Landgericht Kiel (17 O 24/20) zu tun. Dort klagte ein E-Sportler gegen einen anderen E-Sportler erfolgreich auf Unterlassung von und Schmerzensgeld wegen über die Streaming-Plattform Twitch ausgestrahlter, ehrverletzender Äußerungen. Das Landgericht Kiel stellte fest, dass der Kläger durch die streitgegenständlichen Beleidigungen in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht rechtswidrig verletzt worden war. Daran ändere sich auch nichts, wenn im E-Sport – wie vom Beklagten vorgetragen – ein „rauer Ton“ herrsche.

     

    Jugendschutz

     

    Über den Jugendschutz in Spielen wurde auch in 2022 angeregt diskutiert. Dies betraf einerseits die Inhalte der Spiele selbst, wie die Darstellung der Gewalthandlungen in dem post-apokalyptischen Survivalspiel „Dying Light 2“, andererseits und vor allem Nutzungsrisken in digitalen Spielen. Zu dem vermeintlichen „Enfant terrible“ unter den Nutzungsrisken – namentlich der Lootbox – veröffentlichte die norwegische Verbraucherorganisation Forbrukerrådet einen umfangreichen Bericht, der von weiteren Verbraucherorganisationen in Europa unterstützt wurde. Diesen Bericht griff unter anderem das ZDF Magazin Royale, eine journalistisch-satirische Fernsehsendung, auf, und regte damit in Deutschland eine erneute Diskussion über die zwischenzeitlich eingeschlafene Lootbox-Thematik an.

     

    Nutzungsrisiken in Computerspielen und wie mit diesen umzugehen ist werden uns auch im Jahr 2023 intensiv beschäftigen, denn durch die überarbeiteten Prüfkriterien der USK zur Prüfung von digitalen Spielen, die auf das zuletzt im Jahr 2021 novellierte Jugendschutzgesetz zurückgehen, sind diese bei der Überprüfung eines Spiels zu berücksichtigen und die Spiele müssen auf diese Hinweise durch sog. Deskriptoren ausdrücklich hinweisen. Derzeit gibt es die folgenden vier Kategorien von Nutzungsrisiken:

     

    • In-Game-Käufe
    • Chats
    • In-Game-Käufe + zufällige Objekte (z.B. Lootboxen)
    • Standortweitergabe

     

    Dass das Thema brandheiß ist, belegt auch die im Dezember in den USA verhängte Rekord-strafe in Höhe von 520 Millionen US-Dollar gegen die Firma Epic Games u.a. wegen im Spiel Fortnite vorhandener Kommunikationsmöglichkeiten (Fortnite wurde mittlerweile insoweit angepasst). Abzuwarten bleibt, ob ähnliche Verfahren in 2023 europäische oder gar deutsche Gerichte beschäftigen werden.

     

    Was war sonst noch los?

     

    Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (19 B 961/21) hat sich mit der Rechtmäßigkeit der Indizierung eines Computerspiels wegen Jugendgefährdung beschäftigen müssen. Dabei stellte das OVG unter Bezugnahme auf die Bushido-Entscheidung des VG Köln klar, dass eine unterbliebene Anhörung gegenüber dem Urheber gemäß § 21 Abs. 7 Jugendschutzgesetz im gerichtlichen Verfahren auch noch nachgeholt werden könne.

     

    Plattformregulierung

     

    Neue Aufgabenfelder in der Rechtsberatung, die uns auch in das Jahr 2023 begleiten, ergaben sich durch das In-Kraft-Treten des Gesetzes über digitale Märkte (Digital Markets Act) sowie insbesondere des Gesetzes über digitale Dienste (Digital Services Act). Letzteres unterwirft Anbieter von Vermittlungsdiensten (Durchleitungs-, Caching- und Hosting-Diensten sowie die Betreiber von Online-Plattformen und -suchmaschinen) einem umfangreichen Pflichtenkatalog.

     

    Mit dem Gesetz über digitale Dienste wird der in der Europäischen Union bisher vorhandene Flickenteppich an Regularien für Vermittlungsdienstleister weitgehend vereinheitlicht. Dabei verfolgt das Gesetz den einleuchtenden und einfach anmutenden Grundsatz, dass das, was offline illegal ist, auch online illegal sein soll. Weniger einfach und deshalb sorgfältig zu prüfen ist der mit dem Gesetz einhergehende, mitunter umfangreiche, abgestufte Pflichtenkatalog.

     

    Anbieter von Online-Diensten, wie etwa Mehrspielerspielen, müssen nunmehr an erster Stelle überprüfen, ob und welche ihrer Dienste unter eine der o.g. Kategorien fallen, um die daraus resultierenden neuen Pflichten zu ermitteln. Die Nichteinhaltung der Vorschriften kann zukünftig mit hohen Geldbußen von bis zu sechs Prozent des Konzernjahresumsatzes sanktioniert werden.

     

    Urheberrecht

     

    Der Bundesgerichtshof hat seine bisherige Linie zu Netzsperren bei Urheberrechtsverletzungen im Oktober mit einem Urteil (BGH I ZR 111/21) bestätigt. Danach kann die Sperrung von Webseiten durch Access-Provider nur dann verlangt werden, wenn der Rechteinhaber alle anderen zumutbaren Mittel erfolglos ausgeschöpft hat. In dem entschiedenen Fall sei noch eine Auskunftsklage gegen den schwedischen Host-Provider zur Ermittlung des vorrangig in Anspruch zu nehmenden Verletzers möglich gewesen.

     

    Das Landgericht Köln (14 O 38/19) beschäftigte sich Anfang 2022 mit der mittäterschaftlichen Haftung für die Urheberrechtsverletzung an einer Automatisierungssoftware (auch bekannt als: Bots) für ein bekanntes Smartphone- und Tablet-Spiel. Dabei stellte sich die Frage, ob neben der beklagten Firma auch ein Geschäftsführer für die Verletzungshandlungen in Anspruch genommen werden konnte. Dies nahm das LG Köln unter Hinzuziehung der allgemeinen Grundsätze der Mittäterschaft gemäß § 25 Abs. 2 Strafgesetzbuch an, weil dieser einen maßgeblichen Anteil und Einfluss auf den organisatorischen, technischen und unternehmerischen Rahmen der Urheberrechtsverletzung hatte.

     

    Bots waren im Jahr 2022 auch (mittelbar) Thema vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG – 1 BvR 1021/17). Dort wehrte sich ein Bothersteller gegen die Vollstreckung eines auf die Bundesrepublik Deutschland eingegrenzten Unterlassungstitels. Die Vollstreckungsgläubigerin vertrat hingegen die Auffassung, dass der Titel vom Schuldner auch im Inland auch alles zu tun habe, um künftige Urheberrechtsverletzungen durch Dritte – auch im Ausland – zu verhindern. So sah es auch das OLG Dresden in seinem Ordnungsgeldbeschluss zulasten des Botherstellers. Das BVerfG sah in dem Beschluss jedoch einen Verstoß gegen das Willkürverbot und damit eine Verletzung des Botherstellers in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs 1 Grundgesetz. Als Folge des im Urheberrecht geltenden Territorialitätsprinzips müsse die im Raum stehende Verletzungshandlung daher zumindest teilweise im Inland begangen worden sein. Der Unterlassungstitel aus dem Hauptsacheverfahren (BGH I ZR 25/15) dürfe nicht als allgemeine Handlungspflicht verstanden werden.

     

    Verbraucherschutzrecht

     

    Herausforderungen für Unternehmen ergaben sich auf nationaler und unionsweiter Ebene durch neue Vorgaben im Verbraucherschutzrecht. Durch die Umsetzung der „Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte bei der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen“ (Richtlinie 2019/770/EU – Digital Content and Service Directive) erhielt das BGB in den §§ 327 ff. BGB einen neuen Abschnitt, der Rechte und Pflichten bei Verträgen über digitale Inhalte und Dienstleistungen zwischen Unternehmern und Verbrauchern regelt. Wie auch Erwägungsgrund 19 der Richtlinie klarstellt: Sehr relevant für „digitale Spiele“.

     

    Neu und für einige Unternehmen überraschend war auch die Tatsache, dass Verbraucherschutzvorschriften aus dem Fernabsatzrecht nunmehr auch Anwendung finden, wenn ein Verbraucher nicht mit Geld, sondern „mit seinen Daten bezahlt“. Daraus resultieren nunmehr unter anderem umfassende vorvertragliche Informationspflichten, das Erfordernis einer Widerrufsbelehrung und die Notwendigkeit einer Vertragsbestätigung.

     

    Diese und weitere Hausaufgaben (wie etwa die Überprüfung der Nutzerbedingungen) sollten Unternehmen im Jahr 2022 dringend in Angriff genommen haben, denn durch die Umsetzung des sog. „New Deal for Consumers“ drohen Unternehmen bei Verstößen gegen das europäische Verbraucherschutzrecht in Zukunft empfindliche Bußgelder von bis zu 4% des globalen Jahresumsatzes.

     

    Auf nationaler Ebene gilt seit dem 1.7.2022 § 312k BGB nF, der vorsieht, dass für Verbraucher bei entgeltlichen Dauerschuldverhältnissen im elektronischen Geschäftsverkehr ein „Kündigungsbutton“ bereitgehalten werden muss. Erste Abmahnungen und einstweilige Verfügungsverfahren durch Verbraucherzentralen und -verbände ließen nicht lange auf sich warten und führten nach Angaben der Verbraucherschützer zu Nachbesserungen durch die Unternehmen. Der Kündigungsbutton ist für die allermeisten Dauerschuldverhältnisse vorgeschrieben, die online abgeschlossen werden können, unabhängig davon, ob diese vor dem 1.7.2022 abgeschlossen wurden.

     

    Was war sonst noch los?

     

    Das Landgericht Karlsruhe (3 O 108/21) befasste sich unter anderem mit dem vorzeitigen Erlöschen des Widerrufsrechts beim Erwerb von Spielwährung in einem In-Game Shop. Abweichend von der üblichen 14-tägigen Widerrufsfrist kann das gesetzliche Verbraucherwiderrufsrecht gemäß 356 Abs. 5 BGB unter bestimmten Voraussetzungen bei Verträgen über die Lieferung von digitalen Inhalten vorzeitig erlöschen. Dass das Widerrufsrecht in diesem Fall vorzeitig erlischt und der Unternehmer vor Ablauf der Widerrufsfrist mit der Bereitstellung der digitalen Inhalte beginnt, muss der Verbraucher bei entgeltlichen Verträgen bestätigen. Wie das LG Karlsruhe in seinem Urteil ausführt, bedarf es hierzu jedoch keiner vorgelagerten Belehrung über die Bedingungen, das Verfahren und die Ausübung des Widerrufsrechts. Aus einer Checkbox mit dem Zusatz „Ich stimme der Vertragsausführung […] vor Ablauf der Widerrufsfrist zu und weiß, dass dadurch mein Widerrufsrecht erlischt.“ mache hinreichend deutlich, dass ein Widerrufsrecht existiere und zum Erlöschen gebracht würde. Der Entscheidung des LG Karlsruhe folgend ist ein „Verzicht“ auf das Widerrufsrecht auch vor der finalen Kaufbestätigung rechtlich zulässig.

     

    Fazit

     

    Wir halten fest: Auch in 2022 gab es viel zu tun. Den ein oder anderen Kampf im Urheberrecht galt es auszufechten. Für den Compliance-Dschungel, der von Jahr zu Jahr neue Herausforderungen bereithält, war das richtige Rüstzeug anzulegen. Nun geht es darum, die Quests der Gesetzgeber, die das Jahr 2023 bereithält, in den Blick zu nehmen.

     

    Daniel Trunk

     

    Zur besseren Lesbarkeit wird in dem vorliegenden Beitrag auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Es wird das generische Maskulin verwendet, wobei alle Geschlechter gleichermaßen gemeint sind.

     

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